II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 160

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18. Der einsanen

der Kontrast fein, und er liegt eben im Un¬ auf Schleier über Menschen und Dinge sinken,
und diese Schleier flattern noch des öfteren im
problematischen, Balladenhaften des Geschehens.
Verlauf. Herr von Sala denkt an die verschüttete
Ein Herr von Sala gehört zum Wegrathschen
Stadt in Baktrien, die wieder ausgegraben wer¬
Freundeskreis. Auch ein Dilettant wie Fichtner,
den soll; eine Marmortreppe führt in die Tiefe,
aber einer, der nicht klein beigibt, wenn das
dreihundertzwölf Stufen sind bloßgelegt, und er
Alter und der Tod an die Tür klopfen. In das
träumt von der dreihundertdreizehnten; und
kalte, hypnotisierende Licht seiner Seele hat sich
diese dreihundertdreizehnte Stufe schimmert einige
Johanna gestürzt, die, wie sie eben aus der leiden¬
Male in geheimnisvoller Andeutung auf. Bei
schaftlichen Dämmerwelt der Pubertät tritt, sich
Ibsen sind solche Züge populär geworden. Sie
in der Welt der Ordnung und der Bürgerlichkeit
haben bei ihm ciwas Dummes, Hypnotisierendes,
nicht zurechtfindet. Sie ist in den Träumen da¬
kurz: etwas Geniales; sie sind bei Schnitzler
heim, sie glaubt seltsamer Gesichte fähig zu sein.
„Literatur“.
Sie ertränkt sich, da sie weiß, daß Sala ein dem
Und allzu „literarisch“ ist die Haltung des
Tode geweihter Mann ist. Er hat ein Herzleiden,
ganzen Dramas. Diese Menschen leben und
das ihn in einer kurzen, zuverlässig genau fixier¬
sprechen niemals dem Dichter zum Trotz und zur
ten Zeit dahinraffen wird, ehe noch die Expedition
Ueberraschung. Sie führen ihre Gespräche, als
nach Baktrien, der er sich anschließen will, von
ob sie von vornherein wüßten, wo es damit
Genua abgeht. Auch Felix wollte an dieser Ex¬
hinaus soll. Sie sind kleine Künstler, und sie
pedition teilnehmen. s man Johanna sucht,
haben das kleine Mißtrauen gegen die Künstler.
kommt Sala, der auf dem Grunde des Teiches
Nie bricht der Ton gewaltsam aus ihrem Herzen.
ihr Bild wie in einer Vision gesehen zu haben
Sie sind alle weise, und alle ihre Weisheit ist
glaubt, und klärt über sein Verhältnis zu ihr
müde und unjung und ohne Leidenschaft und
auf. „Das zu sagen, hielt ich für durchaus not¬
Vorurteil; selbst die Felirens, der doch erst
wendig,“ sind seine Worte an Felix, „ehe wir am
dreiundzwanzig Jahre alt ist, und im süßen Dieb¬
Ende in den Fall kommen, zusammen in die
stahl der Natur mehr Kraft, als wir an ihm sehen,
Tiefe der Erde hinabzusteigen, oder vielleicht unter
hätte mitbekommen dürfen. Vielleicht hat sich Frau
einem Zelte zu schlafen.“ Felix, nach einer langen
Gabriele geirrt, und Wegrath ist wirklich sein
Pause: „Herr von Sala... wir werden nicht
Vater
unter einem Zelte schlafen.“ „Wie?“ fragt Sala,
und Felix: „So weit geht Ihre Reise nicht mehr.“
Ich sage mit alledem nichts von dem Drama
als ganzer Erscheinung, nichts von dem Duft
Herr von Sala, ungebeugt von der letzten Ge¬
und Hauch, die nach Anna Mahrs Worten über
wißheit, und doch einmal zum wärmeren Gefühl
den Dingen liegen, und das beste sein sollen. Wie,
aufgeschüttelt, wird sich töten, bevor eine Stunde
wenn ich dieses aufsparte, bis das Werk fertig ist?
vergangen ist. Und während Felix dem allein
Es gibt doch nicht nur zweite Auflagen, sondern
gebliebenen Wegrath mit einem innigeren Kindes¬
auch zweite Ausgaben. Und ich glaube, hier ist
ton, als er jemals gehabt, nahe geht, schleicht
ein Fall, wo der Dichter gebeten werden kann,
Julian Fichtner, der nun ganz Ueberflüssige,
noch einmal an die Arbeit zu gehen, das mühsam
davon
Firierte frei zu gestalten und mit richtender, ge¬
Ich bin im Zweifel, ob in diesem Referat
fühlswahrer Kraft noch einmal seine Menschen
Ibsensche Züge kenntlich sind. In dem Drama
durchzuprüfen, als schon existierende, nicht erst zu
sind sie von mancherlei Art. Ibsensch, wenn
schaffende Gebilde.
auch verschwächlicht, sind die Stellungen der
Moritz Heimann.
Figuren zu einander; und manches ist Ibsensch
auch in der Behandlung. Johanna sieht Schleier!


Et
nw Jantsch=Theater. Das war gestern eint
großer Erfolg auf der kleinen Bühne des Jantsch= d
Theaters. Man gab ein Wiener Volksstück: „Ein
armes Hascherl“ von Karl Zimmermannlg
Der Sohn eines bürgerlichen Tapezierermeisters
heiratet gegen den Willen seiner Eltern ein
Mädchen unter seinem Stande. Sie ist die
Adoptivtochter einer kleinen Kaffeesiederin. Das
Bedienen im Kaffeehaus, das Freundlichseinsollen
mit den Gästen wird ihr zur Hölle. Aus diesem
Schmutz, von dem sie bisher zwar unberührt ge¬
blieben ist, nimmt er sie heraus. Aber die Ehe
wird unglücklich. Der sehnsüchtig erwartete
Kindersegen bleibt aus, die Feindschaft mit den
Eltern verbittert ihn — er wird zum Säufer und
prügelt seine Frau. Einmal weiß sie sich nicht
mehr zu helfen, und wie er sich wieder auf sie
stürzt, sagt sie ihm, daß sie sich Mutter fühle.
Von dem Moment wird er wieder ein arbeit¬
samer Mensch, aber sie wird zermalmt von der
großen Lüge, die ihn wieder auf den rechten Weg
gebracht hat, und geht in die Donau. Der Schluß
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ist versöhnlich. Der unversöhnliche Vater kommt
dazu, wie sie sich ins Wasser stürzt und rettet dem
Sohne die Frau. — Die Schauspieler wurden
dem Stück, das aus dem Leben spricht, nur zum
Teil gerecht. Vortrefflich war Fräulein Viera,
die einmal eine Rolle hatte, in der sie zeigen
konnte, was in ihr liegt. Herr Fischer als alter
Vater und Fräulein Walla als Mutter waren
gut. Genannt sei noch Fräulein Birkner, die
Kaffeesiederin, die, so schlecht sie im Anfang war,
so gut zum Schlusse spielte. Herr Robert
war vollkommen unzulänglich. Leider dürfte dem
guten Stück des Arbeiters Zimmermann auf der
Jautsch=Theaterbühne kein allzulanges Leben be¬
schieden sein.
rsp Grünfeld=Konzert. Alfred Grünfeld,
der Troubadour am Flügel und der charmanteste
Spender galanter musikalischer Süßigkeiten, hat
am Donnerstag abends mehr als zwei Stunden
lang Klavier geplaudert. Man weiß, wie bestrickend
er das zu tun vermag, und das absolut Echte
seiner spezifisch pianistischen Begabung, zu dem
chtf“
noch ein reizender Einschlag leigututigen Wiener¬