II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 162


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18. Dereins
Der Roland von Berlin.
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härenen Kutte rüstet er sich zur Pilgerfahrt. Der dürre Stab, der nie
wieder blühen und grünen kann, ist ihm — „der einsame Weg“. Die
Fastnacht der Sinnenlust ging zu Ende; dumpf durchbrausen die ernsten
Orgelklänge des Aschermittwoch die geweihten Stätten der Einkehr und
der reuigen Buße. Schade, daß der Dichter hier stehen blieb, daß er
das liebliche Läuten der erlösenden Osterglocken nicht mehr vernahm,
daß er nur — ein Nachtbild schuf. Er führt uns nur in die tiefen Ab¬
gründe der Finsternis, aber nicht zu den strahlenden Höhen des Lichts;
er zeigt uns nur die Schauer des Dunkels, aber nicht den Glanz der
Helle. Darum gehen wir unbefriedigt von dannen. Er hat keine Ge¬
stalt geschaffen, die uns mutig und fest das Wort zuriefe: „Sei ein
Mann und folge mir nicht nach“ ... auf „dem einsamen Wege!“ Aber
gleichviel! Das Schauspiel bedeutet einen Aerkstein in Schnitzlers künst¬
lerischer Entwickelung. Er befindet sich auf dem richtigen Wege.
Dieser Most wird einen Wein geben!
Es wäre undankbar, nicht der Künstler zu gedenken, die ihr Bestes
gaben und Meisterhaftes schufen. Auf dieser Ehrentafel stehen die
Namen Albert Bassermann, Else Lehmann und Irene Triesch
verzeichnet. Kurt Stieler hat das Zeug dazu, einmal „ein Großer“
zu werden.
Im Berliner Theater fand das dreiaktige Schauspiel „Water.
kant“ von Richard Skowronnek die beifälligste Aufnahme. Die beson¬
deren Umstände der Weltlage kamen dem Autor gefälligst zu Hilfe. Man
denke sich die Ueberraschung, als sich der Zuschauer ohne weiteres an
Bord S. M. Schiff „Iltis“ befördert sah und noch dazu an die Reede
von Dort Said mit dem Blick in den Suezkanal hinein, und eine halbe
Stunde später kam die Order zu jener Aktion, die in der Beschießung
und Erstürmung der Taku=Forts ruhmvoll gipfeln sollte. Und so etwas
ausgerechnet in dem Augenblick, wo wir meinen, daß der Kanonendonner
von Dort Arthur uns endlich aus dem Schlaf aufrütteln und alle Mann
ernsthaft an Bord rufen könnte. So elektrisierte denn schon der erste
Akt, und aus der klugen Prämisse entrollte sich ein gediegener Erfolg.
Das Drama ist keins von den sogenannten Hurrastücken. Diese Sorte
des anbefohlenen Datriotismus würde jetzt nach Zapfenstreich der Sedan¬
Acra gar nicht mehr ziehen. Merkwürdig, wie all die Maulhelden und
Burraschreier in diesen kriselnden Tagen sich beiseite gedrückt haben
und reinweg verduftet sind. Skowronnek löst sein Waterkant=Problem
aus einem rein menschlichen Motiv. Der junge Leutnant z. S., der eben
auf dem Sprung nach Ostasien steht, wird durch den tragischen Cod
seines Daters, der das echte Seemannsende auf sinkendem Schiff ge¬
funden, nach Haus berufen, wo nun die verzweifelte Wittib mit den
klammernden Organen der Mutterliebe ihr Letztes und Einziges nicht
an die mörderische See ausliefern will. Der junge Seeheld wird weich
und besteigt als gehorsamer Sohn den Kontorsessel. Aber der Geist