II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 203

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18. Der einsane
Sala: Auf ein bißchen mehr oder weniger kommt es nicht an. Reden
Sie nur.
Julian: Ich wünschte, daß er wenigstens den Glauben an mich nicht
verliert. Begreifen Sie das? Er steht mir nun einmal näher als die
andern. Ich weiß es ja; — für alle, ja auch für Sie bin ich ein Herunter¬
gekommener, einer, der fertig ist, einer, dessen ganzes Talent seine Jugend
war. Es liegt mir nicht besonders viel daran. Aber für Felix will ich der
sein, der ich einmal war — und der ich auch noch bin. Wenn er einmal
erfährt, daß ich sein Vater bin, soll er stolz darauf sein.
Sala: Wenn er es erfährt ...?
Julian: Ich habe nicht die Absicht, es ihm für alle Zukunft geheim
zu halten. Jetzt, da seine Mutter tot ist, weniger als je. Als ich ihn
das letzte Mal sprach, wurde es mir ganz klar, daß man nicht nur das
Recht, daß man beinahe die Pflicht hat, ihm die Wahrheit zu sagen. Er
hat den Sinn für das Wesentliche. Er wird alles verstehen. Und ich würde
einen Menschen haben, der zu mir gehört, der es weiß, daß er zu mir
gehört, und für den weiter auf der Welt zu sein es sich der Mühe lohnt.
Ich würde in seiner Nähe leben, würde viel mit ihm zusammen sein. Ich
würde meine Existenz sozusagen wieder auf eine feste Basis gestellt haben,
nicht so in der Luft schweben wie jetzt Und ich könnte wieder arbeiten, —
wie früher einmal — wie als junger Mensch. Arbeiten werd' ich, ja —
und Ihr sollt Euch alle geirrt haben — alle!
Sala: Aber wem fällt es denn ein, an Ihnen zu zweifeln? Hätten
Sie uns doch nur neulich reden gehört, Julian. Jedermann erwartet von
Ihnen, daß Sie sich früher oder später — vollkommen wiederfinden werden.
Julian: Ach genug von mir, genug von mir. Verzeihen Sie. Reden
wir doch endlich von Ihnen. Sie bewohnen wohl schon Ihr neues Haus?...
Felix, Julian.
Felix: Warum sind Sie nicht mit ihr fortgegangen?
Julian: Deine Mutter ist ohne Schuld; wenn es eine gibt, so trag'
ich sie allein. Ich will dir alles erzählen.
Felix (nickt).
Julian: Es war damals verabredet, daß wir zusammen fort sollten.
Alle Vorbereitungen waren getroffen. Wir wollten im Geheimen den Ort
verlassen, weil deine Mutter vor Auseinandersetzungen und Erklärungen
eine begreifliche Scheu hatte. Unsere Absicht war, von der Reise aus, nach
wenigen Tagen, die Sache aufzuklären. Die Stunde unserer gemeinschaft¬
lichen Abreise war schon bestimmt. Der ... später ihr Gatte wurde, war
eben auf einige Tage nach Wien gereist, um Dokumente zu besorgen; in
einer Woche sollte die Hochzeit sein. (Pause.) Unser Plan stand fest. Alles
war verabredet. Der Wagen war schon bestellt, der abseits vom Orte warten
sollte. Am Abend hatten wir einander Adien gesagt und waren beide über¬
zeugt, daß wir uns am nächsten Morgen wiedersehen würden, um uns
Du darfst
überhaupt nie wieder zu trennen. — Es kam anders.
nicht daran denken, daß es deine Mutter war, du mußt mich anhören, als
wäre es die Geschichte von fremden Leuten — dann wirst du alles verstehen.
Felix: Ich höre.
Julian: Im Juni war ich in die Kirchau gekommen, an einem
schönen Sommermorgen — mit ihm . .. Du weißt es ja. Ich wollte mich
Kunstwart
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