II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 215

Fe
ni!!' sullde ni meine Martern derleida!“ So erklärt Rose
ihre furchtbare Tat in dem Geständnis, das sie ihrem
Vater, ihrem Bräutigam, und der Gendarmen ableat.
der ihr gerade eine Zustelluna —? — in der Ehrenbelei¬


bens, Epikuräer im vornehmsten Sinne, Lebenskünfiler.
Sie keiinen kein Band, keine Pflicht, keine aufepfernde
Liebe, keinen Altruismus. Und wenn der Gegensar von##
Egoismus und Altruismus vielleicht veraltet, wenn auch
der Altruismus nur eine feinere Art des Egoismus ist, so
kannten die zwei eben diesen veredelten Egoismus nicht.
Zweimal hat das Glück den einsamen Weg eines jeden
der beiden gekreuzt, zweimal haben sie nicht verstanden, es
festzuhalten. Julian Fichtner wurde von der Schauspielerin
Irene Herms über alles geliebt. Er jagte sie fort, um die
Braut seines Freundes Wegrath ans Herz zu reißen. Aber
nich sie läßt er im entscheidenden Augenblicke mit dem Un¬
erpfand seiner Liebe im Stich, damit er die Sorglosigkeit,
Freiheit und Fülle seines Daseins nicht verliere. So heiratet
Jabriele den ungeliebten Wegrath, um dem Kinde Julians
einen Vaternamen zu geben.
Sala, der andere Egoist der Einsamkeit, besaß eine
Gattin, aber er quälte sie — wohl durch seine angewandte
Lebensphilosophie, wie aus einer flüchtigen Andeutung
hervorgeht — zu Tode. Und auch sein zweites Glück, die
junge Johanna Wegrath, die Tochter Wegraths und jener
einstigen Geliebten Julians, vermag er nicht zur rechten
Zeit zu fassen und festzuhalten, solange er noch Lebenskraft
in sich fühlt. Aber mit der Jugend zieht auch der Rausch
von Zärtlichkeit, Leidenschaft und Macht unwiederbringlich
dahin. Gabriele Wegrath stirbt, und nun versucht Julian
Fichtner wie Lavedans Marquis de Priola vergebens,
den jungen Felir Wegrath durch die Enthüllung seiner
Vaterschaft an sich zu fesseln. Und zu spät macht Sala Jo¬
hanne zu seiner Geliebten. Sie weiß, daß ihm ein Herz¬
leiden nur mehr eine kurze Frist zu leben gibt und tötet
sich. Und Sala folgt ihr, sei Schicksal beschleunigend,
Vorher jedoch sind die beiden Lebenskünsteler zu einer er¬
schütternden Einsicht ihres Irrweges gelangt, eine Erkennt¬
nis, die Sala in die resignierten Worte kleidet: „Es graut
Ihnen vor der Einsamkeit? ... Und wenn Sie eine Frau
an Ihrer Seite hätten, wären Sie, heute nicht allein?.
Und wenn Kinder und Enkel um Sie lebten, wären Sie
es nicht? . . . Und wenn Sie sich Ihren Reichtum, Ihren
Ruhm, Ihr Genie bewahrt hätten, — wären Sie es
nicht? .. . Und wenn uns ein Zug von Vakchanten be¬
gleitet — den Weg hinab gehen wir alle allein ... wir,
die selbst niemandem gehört haben. Das Altern ist nun ein¬
mal eine einsame Beschäftigung für unsereinen.
Und als Julian seinem Freunde einwirft: „Sie haben
nie ein Wesen auf Erden geliebt“, da fährt Sala fort;
„Möglich. Und Sie? So wenig Julian, als ich ... Lieben
heißt, für jemand anderen auf der Welt zu sein. Ich sage
nicht, daß es ein wünschenswerter Zustand sei, aber jeden¬
falls, denke ich, wir waren beide sehr fern davon. Was
hat das, was unsereiner in die Welt bringt, mit Liebe zu
tun? Es mag allerlei Lustiges, Verlogenes, Zärtliches, Ge¬
meines, Leidenschaftliches sein, das sich als Liebe ausgibt,
aber Liebe ist es doch nicht ... Haben wir jemals ein,
Opfer gebracht, von dem nicht unsere Sinnlichkeit oder un¬
sere Eitelkeit ihren Vorteil gehabt hätten? Haben wir je
gezögert, anständige Menschen zu betrügen oder zu belügen,
wenn wir dadurch um eine Stunde des Glückes oder der ##
Lust reicher werden konnten? ... Haben wir je unsere
Ruhe oder unser Leben aufs Spiel gesetzt — nicht aus
Laune oder Leichtsinn ... nein, um das Wohlergehen
eines Wesens zu fördern, das sich uns gegeben hatte? ..
Haben wir je auf ein Glück verzichtet, wenn dieser Ver¬
zicht nicht wenigstens zu unserer Bequemlichkeit beigetra¬
gen hätte? ... Und glauben Sie, daß wir von einem Men¬
schen — Mann oder Weib — irgend etwas zurückfordern
dürften, das wir ihm geschenkt hatten? Ich meine keine
Perlenschnur und keine Rente und keine wohlfeile Weis¬
heit, sondern ein Stück von unserem Wesen — eine Stunde
unseres Daseins, das wir wirklich an sie verloren hätten,
ohne uns gleich dafür bezahlt zu machen, mit welcher
Münze immer. Mein lieber Julian, wir haben die Türen
offen stehen und unsere Schätze sehen lassen — aber Ver¬
schwender sind wir nicht gewesen.“
Aber die Liebe ist die größeste unter ihnen! Gebt und
empfangt Liebe! Nehmt euch in acht vor den einsamen We¬
gen! So predigt Schnitzlers letztes, mit allen zärtlichen
Schönheiten des Wienertums überglänztes, mit tausend
Feinheiten in Dialog und Gedanken besterntes Werk.
245