II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 217

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W
18. Der einsane neg
jemals ein Opfer gebracht, von dem nicht unsere Sinn¬
hannas Bruder der Mutter nach) die Stimme des I

lichkeit oder unsere Eitelkeit ihren Vorteil gehabt hätte?“
Feuilleton.
Blutes nicht hört, sondern dem alten, kindlich guten W
Und Hr. v. Sala fährt fort mit den anklagenden „Haben
Manne treu bleibt, der vor der Welt sein Vater ist

wir?“ Und er zieht mit grausamer Bestimmtheit das
und durch seine Liebe das vollste Anrecht auf diesen
Theater.
Fazit: „Es gibt für uns gar keine Möglichkeit, uns
Namen sich erworben hat. Ein neues Geschlecht scheint
Pfauentheater: „Der einsame Weg“
nicht zu kennen; wir geben uns wohl zuweilen redliche
mit diesem Felix die Lebensbühne zu betreten — ein
von ArthiSchnitzler. (3. Sept.)
Mühe, uns über uns selbst zu täuschen, aber es gelingt
besseres, urtei!t Sala: „mehr Haltung und weniger Geist“.
T. Im 4. Akte von Schnißkers=Schauspiel klagt der
uns nicht. Andern mögen unsere Torheiten, unsere
Die übertrievene Pflege des Geistes hat unser falsches
Maler Julian Fichtner, der auf seine alten Tage hin
Niederträchtigkeiten verborgen bleiben, — uns selber
Verhältni zu den realen Bedingungen des Lebens ver¬
der wärmenden und stützenden Liebe eines Sohnes, der
nie. In unserer tiefsten Seele wissen wir immer, woran
schuldet — so formuliert es Norbert de Varenne.
wir mit uns sind.“
#ei en andern Namen trägt und einen Andern als seinen
Schnitzler weiß solche Menschen, die die Süße des
Vater betrachtet und ehrt, sich erfreuen möchte, seinem
So beichten sich diese zwei alternden Lebemänner, so
Lebens auskosten und dabei doch einen bittern Nach¬
Freunde Stephan von Sala, dem feinen skeptischen Vir¬
schminken sie sich ab: wir haben immer nur an unsere
geschmack im Munde nicht loswerden, die das Dasein
tnosen des Lebensgenusses: „Verstehen Sie es denn
Lust, an unser Behagen, an unsere Freiheit gedacht; so
nur als ein artiges Spiel voll beglückender oder auf¬
nicht, Sala, daß er meine letzte Hoffnung ist? .. Daß
sind wir denn auch allein geblieben, und unser Weg ist
regender Sensationen gelten lassen möchten und dann
ich überhaupt niemand und nichts mehr habe außer ihm?
einsam geworden. Sie reben nicht vom Tod, aber, man
doch an dessen schwerem Ernste innerlich schmerzlich lei¬
... Daß ich nach allen Seiten ins Leere greife? ..
fühlt es, sie denken oft daran, wie jener Norbert de
den, ja zerbrechen — fein zu formen und glaubhaft
Daß mir vor der Ensamkeit graut, die mich erwartet?“
Varenne im Bel-Ami, der so ergreifend die Tragödie
hinzustellen. Man fühlt deutlich, er hat für diesen
Sala erwidert: —— Es graut Ihnen vor der Ein¬
des Altwerdens und Alleinseins hinzeichnet: vous ne
Typus viel übrig. Die stille Tragik solcher Lebens¬
samkeit?. . Und wenn Sie eine Frau an Ihrer Seite
savez pas ce que c’est que de vivre seul à mon äge.
läufe, die auf den einsamen Weg ausmünden, d. h. in
hätten, wären Sie heute nicht allein? ... Und wenn
il est si profond et si triste, le silenoe de la
Dunkel und Verlassenheit sich verlieren (man möchte
Kinder und Enkel um Sie lebten, wären Sie es nicht?
chambre ou l’on vit seul. Ce n’est pas seulement un
sagen: kraft einer immanenten sozialen Gerechtigkeit),
... Und wenn Sie Ihren Reichtum, Ihren Ruhm,
silence autour du corps, mais un silence autour de
wollte er in seinem Schauspiel schildern. Er hat sich
Ihr Genie bewahrt hätten — wären Sie es nicht? ...
l’äme. Quand on est vieux, ce serait bon, tout de
den Fall kompliziert dadurch, daß er das Thema des
Und wenn uns ein Zug von Bacchanten begleitet —
mème, des enfants! Der Dichter Norbert de Varenne
innern (unter Umständen auch äußern) Allein= und Ein¬
den Weg hinab gehen wir alle allein ... wir, die
denkt wie der Maler Julian. Sala beschleunigt dann
samseins noch weiter variiert, und zwar im Sinne einer
selbst niemandem gehört haben. Das Altern ist nun
seinen „einsamen Weg“; er wartet nicht, bis sein krankes
Verallgemeinerung, die das für Leute wie Sala und
einmal eine einsame Beschäftigung für unsereinen, und
Herz stille steht, er geht den Weg des freiwilligen Todes,
Julian Charakteristische im Sinne einer allgemein gil¬
ein Narr, wer sich nicht beizeiten darauf einrichtet, auf
den eben erst die junge, schöne, phantasiereiche Johanna
tigen Lebenserfahrung erweitert. Jede der Figuren,
keinen Menschen angewiesen zu sein.“ Einige Augen¬
gegangen ist, die ihm, dem alternden, noch ihre Liebe
die der Dichter auftreten läßt, ist im letzten Grunde
blicke später entwirft Sala das psychologische Porträt
geschenkt, die aber auch genau weiß, daß der Tod bereits
ebenso einsam und isoliert wie die zwei Lebemänner.
geh
der „Unsereinen": „Was hat das, was unsereiner in
seine Hand auf den geliebten Mann gelegt hat. Julian
Wie ergreifend klagt der alte Akademiedirektor Wegrath
sie
die Welt bringt, mit Liebe zu tun? ... Haben wir] Fichtner aber muß erleben, daß sein Sohn Felix (Jo= beim völlig unerwarteten geheimnisvollen Ausbleiben gesti
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