II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 277

W
1 M
box 23/3
18. Der einseneeg
und lepztere wollen sich nunmehr an die Arbeiter
nutzt, und lbrang in der Spandauerstraße in
der übrigen Betriebszweige der Fabrik um
Pankow während der Fahrt von dem Motor¬
Unterstützung wenden. Wesentlich verschärft ist
wagen ab. Er verfehlte dabei den Tritt, geriet
das Verhältnis durch eine gestern erfolgte Be¬
unter den nachfolgenden Anhängewagen, und der
kanntmachung der Fabrikleitung, welche die Ent¬
rechte Unterschenkel wurde ihm vollständig ab¬
lassung derjenigen Arbeiter ankündigt, die am
gefahren.
1. Mai der Arbeitsstelle fern bleiben., In dem
Fabriketablissement bei Spindlersfelde sind etwa
M
Kräfte probt, wird ihm von allen Seiten zu¬
gerufen: Laß ab! Wus du bis jetzt getan, war
Theater.
deine Stärke. Auf seinem Werdegang hat's jeder
Schaffende irgendwo an einer Wegbiegung ein¬
Der einsame Weg. — Othello. — Die
mal erlebt. Es schadet nicht. Schmeckt freilich
Mitschuldigen. Der Tartüffe.
ein wenig bitter, verwirrt vielleicht für Stunden,
Der Fall Reinhardt.
aber schadet nicht. Man konnte neulich schon
Schnitzlers Verhältnis zu seinem Publikum
merken; als im Lessingtheater „Der einsame Weg“
ist nach und nach kritisch geworden. Der innige
wieder aufgenommen wurde, wie sich die tief
Kontakt, der sonst so bald sich einzustellen pflegte,
in seelische Untergründe eingefügten tragischen
scheint manchmal auszusetzen. Es gab harte
Spannungen in dramatische Lebendigkeit um¬
Worte, gab Verstimmungen. Wenn eines Dramas
setzten, wie ganz innerliche, sachte, scheinbar ver¬
Atem stiller wehte, dann hieß es, die Handlung
borgene und lautlose Geschehnisse ihre Intensität
sei gar zu arm an äußeren Vorgängen, das
mitzuteilen begannen, wie sie durch ihre Glut
Theater sei nun einmal Theater u. s. w. Waren
transparent wurden und zu leuchten anfingen.
aber die äußeren Geschehnisse so rasch hinter¬
Wenn Herr Dr. Brahm diese Vorstellung nach
einander hergejagt, daß sie einander auslöschten;
Wien bringt, werden die Leute u. a. zugestehen, daß
so heftig aufeinander geschleudert, daß sie sich
sie dort Herrn Bassermann als Sala niemandem
gegenseitig zerschmetterten, aneinander barsten;
an die Seite stellen können. Er ist in dieser
so hoch über sich hinausgetrieben, daß sie wie
Rolle etwas Einziges, etwas wie die Erfüllung
eines Springquells Schaum zerstäubten, gar nicht
eines Traumes von Glanz und Hoheit. Wenn
mehr sich selbst bedeuten konnten noch wollten,
Herr Dr. Brahm dieses Stück nach Wien bringt,
dann hieß s: ach, Sardou, ach, Effekthascherei.
dann werden die Leute dort staunen, daß erst
Und die ganz Boshaften sagten: Sudermann.
Berliner Gastspiele ihnen solche Werke zeigen
Es gab Mißverständnisse. Ward nicht die
müssen. Aber nein. Sie werden nicht mehr
Katherine im „Ruf des Lebens“ als eine Nach¬
staunen. Sie werden ja auch „Elga“ sehen,
bildung der Ophelia verklagt? Katherine, die
wie sie von Berliner Gästen erst die „Elektra“
lüsterne Schwindsüchtige, die ekstatisch sich aus
und den „Charelais“ und vorher die „Lebendigen
Dasein klammert, Katherine, die von Buhlschaft
Stunden“ und den „Meister“ sahen. Sie haben¬
zu Buhlschaft rast, um ihre hinschwindenden
sich damit abgefunden, daß alle wichtige Arbeit
Erdentage bis zur Neige einzuschlürfen, der jung¬
in Berlin verrichtet wird, und daß Paul
fräulichen, aus der Ferne liebenden Ophelia;
Schlenther sich von Hugo Thimig, von Slivinski
nur, weil sie delirierend lyrisch wird und einen
und anderen Komikern beraten läßt. Vor Jahren
Blumenkranz im Haar trägt. Optische Täuschun¬
noch, da griff man sich an den Kopf: Warum
gen des Theaters. Harte Worte, Verstimmungen,
nicht Hauptmann? Warum wird Ibsen, Hebbel,
Mißverständnisse. Wem eine neue Entwicklungs¬
Schnitzler nicht gespielt, warum? Heute aber
phase anhebt, der muß immer durch solch äußere
ist der Direktor des Wiener Burgtheaters so weit,
Krisen hindurch; muß an ihnen vorbei und hat
daß er wie der Tor bei Hofmannsthal sprechen
sie je heftiger zu fühlen, je höher er bislang in
kann:
Gunst gestanden. Die Zeugen seiner ersten Epoche
„Die Leute haben sich entwöhnt, zu fragen,
wollen ihn daraus nicht entlassen, weigern sich,
Und finden, daß ich recht gewöhnlich bin ...“
ihm auf neuer Spur zu folgen, sehen mürrisch
und enttäuscht, daß er ein anderer wird. Mag
er gleich ein Besserer werden, das gilt ihnen im
Im Königlichen Schauspielhaus führt Herr
Augenblick nicht viel. Daß er ein anderer wird,
Barnay den „Othello“ vor. Eine brave Greisen¬
ist das Schlimme. Und während er neu erwachte # arbeit nach alter Schablonc. Uebriaens nach

streitigen Anlagen nicht schmälern..
40
der Stadt ist gegen die Abtrennung des Wannsee
Wiks ntemals Widerspruch erhoben, sondern sogar
fernere Ausübung des Besichtigungsrechts einge
stell
st worden, und zwar, wie es in dem Rundschreiben
des
Oberbürgermeisters Fritsche vom 31. Januar 1897
heißt, deshalb, weil die Stadt nicht mehr befugt sei
über die Wasserförderung des Wannseewerks eine Kon¬
trolle zu üben. ... Die Berufung der Stadt gegen
einer anständigen Schablone, wie man sagen
muß. Anständigkeit ist der Grundzug dieser
Aufführung. Man wird kein einzigesmal ge¬
stört, kein einzigesmal verletzt. Höchstens, wenn
im cyprischen Hafen die hohen Schiffe daher¬
taumeln. Ein Schiff auf der Bühne, ein Pferd im
Zimmen, — das sind immer unverhältnismäßige
und mißliche Dinge. Nach dieser Seite, glaub
ich, liegen die Grenzen der Ausstattung. Dort
hin darf keiner sich verirren, der das „Bild“
auf der Szene sucht. Anständig war auch der
Jago des Herrn Pohl. Fast schon ein Ehren¬
mann. Seine Schlauheit war solid, seine Tücke
korrekt, seine Schurkerei gut bürgerlich. Der
ganze Mensch in ein nüchternes, gelassenes Be¬
hagen gerückt. Seine Schandtaten stachen selt¬
sam und unrichtig davon ab. nahmen sich auf
diesem Grunde eher wie Knock=about=Streich
aus; bekamen einen Einschlag von unpassendem
Humor. Dieser Jago ist a weber nüchtern
noch ist er ein „Schalk"; e##nnt kein Behagen
und keinen von Gemütlichkeit überhauchten
Humor. Gehetzt von Ehrgeiz, Habgier, Eifer
sucht, gepeitscht von dem unversöhnlichen, immer
gleich auch verbrecherischen Haß des Inferioren
gegen das Genic, handelt er weit mehr in einem
beständigen Fieber als in nüchterner Ueber
legung. Nur dieser erhöhte Zustand schärft all
seine sonst sehr subalternen Gaben; macht ihn
listig, erfinderisch, intrigant. Man kann den
treulosen Fähnrich des Othello, den Herr Poh
spielte, ja auch als einen Menschen annehmen
Nur nicht als einen Jago. Als Jago ist er un
begreiflich, rätselhaft, unmöglich. Und dann
Jago muß ein junger Mann sein, kaum merk
lich älter als Cassio und Rudrigo. Nicht bloß
weil er einmal selbst erklärt: „Ich habe der
Welt an die viermal sieben Jahre zugesehen...
sondern weil er seinem ganzen Wesen, seiner
Stellung im Drama nach in die Kameradschaft
der jungen Offiziere passen muß. Auch die
Emilia, seine Frau, muß ganz jung sein. Jung
frisch, hübsch und kokett muß sie's be¬
greiflick scheinen lassen, daß Jago den
Mohren mit ihr im Verdacht hat