II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 285

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18. Der einsane Neg
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Kunt und Slilenschaft
Das Lessing=Theater gab am Donnerstag in neuer Ein¬
studierung Arthur Schnitzlers Schauspiel „Der einsame
Weg, das vor zwei Jahren im Deutschen Theater (unter Brahm)
einen nur geteilten Erfolg errang. Jetzt lebt das Werk wieder
auf, weil es bei dem Gastspiel des Lessing=Theaters den Wienern
dargeboten werden soll. Dieses durch und durch wienerische Stück
ist den Wienern noch selber eine Novität. Schnitzler steht in ihm
mit all seinen Vorzügen, dem feingeschliffenen, gedankenschillernden
Dialog, seiner starken lyrischen Begabung auf der Höhe. Vorzüge,
die aber gerade im Drama seine größten Schwächen sind. „Der
einsame Weg“ ist eine Novelle, die der Wiener Autor nur dramatisiert
hat. Fast alles, was wir von der straff geführten Handlung eines
Dramas verlangen, besitzt es nicht, übt daher keine starke Bühnen¬
wirkung aus. Aber das Stück ist eine Dichtung, der es schrieb,
ist ein tiefdenkender Poet, dem sich aber die Fülle seiner Einfälle,
die Flut seiner Gestalten nicht ohne Bruch in die Form des
Bühnenweerks zwängt. Die jetzige Einstudierung des Lessing¬
Theater zeigte die großen Vorzüge der alten unvermindert, die
Besetzung war bis auf eine Rolle die gleiche. Es könnte das Lob,
das den Künstlern bei der Premiere gespendet worden ist, lediglich
summarisch wiederholt werden. Dennoch sei hervorgehoben, daß
Albert Bassermann der Gestalt des Stefan von Sala die
kühle und dennoch fascinierende Vornehmheit seiner glänzenden,
überlegenen Kunst lieh, daß er den ästhetischen Egoismus
des alternden Lebenskünstlers und seine verhaltene Resig¬
nation mit unvergleichlichem Gestalten lebendig machte.
Erschöpfender kann dieser Weltmann, Dichter und Genußmensch
nicht dargestellt werden. Emanuel Reicher wurde der Natur des
Malers Julian Fichtner nicht in gleichem Maße gerecht, den lodernden
Feuerkopf, in dessen Brust noch immer Stürme brausen, gab er
weitaus zu sanft, es steckte noch zu viel von Ibsens Rosmer in
seinem Spiel; so war es natürlich, daß Reicher in den Szenen
mit seinem Sohn, wo sein lang unterdrücktes Vatergefühl auf¬
quillt und sich dann enttäuscht sieht, am besten war. Den schwer
geprüften Wegrath machte Oskar Sauer durch die Betonung der
leidenden Schwermut dieses „Kunstbeamten“ zu einem Menschen
von Fleisch und Blut; Irene Triesch vermochte sogar durch
ihr eindringliches Können die mißglückte Figur der Johanna zu
retten, Kurt Stieler gab als Felix einen überraschend echt¬
österreichischen Leutnant und guten Sohn. Wienerische Lebhaftig¬
keit mit norddeutschem Einschlag fand bei Else Lehmann (Irene
Herms) eine rechte Statt, und doch war sie in der feinen ernsten
Szene, da die reife Frau in den Schrei nach einem Kinde aus¬
bricht, am stärksten. Hans Marr als Dr. Reumann sund Hedwig
Pauly als Frau Gabriele boten im Rahmen ihrer Nebenrollen
Gutes. Das Zusammenspiel war an keiner Stelle gestört, die
Regie, die Emil Lessing führte, bot besonders im dritten und
vierten Akt geschmackvolle Szenen. Dem Schauspiel selbst haben,
wohl die meisten erst in zweiter Linie Beifall geklatscht.
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