II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 286

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18. Derein
Telephon 12801.
□5
„UDSEHVEN
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopenhagen,
London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-York. Paris, Rom,
San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus:
Gmwrcird
vom:
B
427
Kunst und Wissenschaft.
Berlin, 20. April.
ch. Im Lessingtheater wurde gestern Abend Arthur
Schnitzlers fünfaktiges Drama „Der einsame Weg“ neu
nachdem es zwei Jahre lang von den Bühnen
verschwunden war. Warum diese Ausgrabung vorgenommen
wurde, ist mir ein Rätsel, es müßte denn sein, daß die
Direktion im Hinblick auf das Wiener Gastspiel des Lessing¬
theater = Ensembles ein kurzes Exerzitium vornehmen
wollte, um den Wienern
zu zeigen, wie man
in Berlin Schnitzler spielt. Ueber den Inhalt des
Stückes selbst ist seinee Zeit an dieser Stelle eingehend be¬
richtet worden, und es mag tatsächlich kaum ein Bedürfnis
vorliegen, die Erinnerung daran, die eine wenig erquickliche
ist, heute wieder aufzufrischen. Ist ist doch der alte, ab¬
gestandene Rietzschesche Quark, das „jenseits von Gut und
Böse“ mit dem schönen „Sichausleben“ als „Herrenmensch“.
den Schnitzler in allen seinen Machwerken auf das
sexuelle Gebiet überträgt und hier in allen Farben
varüert! Daß er dabei so ziemlich das Gegenteil von
dramatischem Talent entfaltet, indem seine ganze bühnentech¬
nische Weisheit auf das langweilige Ausspinnen von allerdings
stellenweise geistreich zugespitzten Dialogen hinausläuft: dieser
Umstand ist ebenfalls nicht geeignet, ein tieferes Inter¬
e
an seinen „Schöpfungen“ aufkommen zu lassen.
Die auf der höchsten Stufe der Vollendung stehenden
Darsteller des Lessingtheaters brachten auch gestern wieder das
Kunststück fertig, das an hohlen Tiraden ebenso reiche wie an
Erfindung arme Machwerk über Wasser zu halten: vor allem
Herr Bassermann, der dem alten Sala einen unnachahmlich
feinen Hauch von Resignation zu geben vermochte. Ferner
Irene Triesch, die sich ja für die Darstellurg
hysterisch=exzentrischer Frauennaturen wie kaum eine andere
Künstlerin eignet. Die Rolle des Malers, die früher
Herr Rittner fest zugreifend mit keckem Uebersprudeln
vorzüglich verkörperte, gab
diesmal Herr Reicher
wenig dankenswert. Denn er verlor sich in einen
salbungsvoll rhetorischen Ton, der zu dieser Rolle ganz und
gar nicht paßt. Die Ensembleleistung war in allen Teilen
kein abgestimmt und jedenfalls einer besseren Sache würdig.
Telephon 12801.
5
„UDSEAVER
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Verfretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopenhagen.
London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-York, Paris, Rom.
San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt ausprintel Borsen Zeitung
20 APR 1906
vom:
Kisnst und Wissenschaft.
1
Schntzlers, „Einsamer Weg“ ist gestern;
im Lefsing=Theater neu einstudiert in Szene ge¬
ganget, und wieder hat, wie vor zwei Jahren
im
Deytschen —Theater,
das

feine,
leise
Stücks tiefé Wirkung gemacht. Uebrigens so
leise sst das Stück nun auch nicht, daß es im:
Flüstértone gesprochen werden sollte, wie Irene
Triesch gestern tat,
die sonst so feine und
geistreiche, diskret und verschleiert temperamentvolle
Darstellerin der weiblichen Hauptrolle. Auch Herr
Stieler sprach zu leise, aber bei ihm bedauerte man
es weniger, daß man das, was er produzierte, nicht
verstand.
Dieses Stück scheint das beste Werk Schnitzlers zu
sein, wie wir erst jetzt aus der abklärenden Distanz er¬
kennen können. Ganz schnitzlerisch in seiner Melancholie
und Resignation, in seiner Freude an stiller Be¬
trachtung und an klugem Wort. Aber doch
auch nicht ohne kräftiges, männliches Vorwärts¬
schreiten, nicht ohne Dramatik, die sich in dem
wunderbaren zweiten Akte zu einem klaren, eindrucks¬
vollen Gebilde verknüpft und in der Schlußszene gar
manche Ranken verworren durcheinander schießen läßt.
Die Besetzung ist fast ganz dieselbe geblieben wie
damals im Deutschen Theater. Der Sala ist für
meinen Geschmack Bassermanns beste Rolle,
frei von allen entstellenden Mätzchen und
in der Charakterisierung des sterbenden Lebenskünstlers
unvergleichlich schlicht, klar, eindringlich, aber um¬
schattet vom Geheimnis, das diesen Mann auf dem
einsamen Wege von allen anderen absondert. Sauer
als resignierter Kunstbeamter, Hedwig Pauly als
Sterbende, Else Lehmann als muntere Wienerin
mit dem feinen Sprung im Herzen.... alles Parade¬
leistungen der Brahmschen Kunst.
Neu war Emanuel Reicher in der Malerrolle, die
einst Rittner spielte; neu und sehr, sehr viel schwächer.
Rittner hatte damals die Szene beherrscht; die kalte,
seelenlose Figur Reichers verschwand ganz im Hinter¬
grunde. Auch Herr Marr in der Rolle des Arztes
war sehr unbedeutend.
Ein paar Bemerkungen über die Regie: Im
vierten Akte müßte es zum Schluß, wo Sala zur
Tür hinausblickt und seine draußen todesbereit
stehende Geliebte nicht sieht,
sehr viel dunkler
sein. Bei der Helligkeit, die gestern auf der Bühne
herrschte, müßte er sie sehen, und so blieb der wichtige
Aktschluß unklar. Ferner: im Garten Salas sollen,
wie mehrfach erwähnt wird, römische Kaiserbüsten
stehen; was gestern dastand, waren die Büsten Platos
und Aristoteles', die beide keine römischen Kaiser ge¬
wesen sind.
V. A.