II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 290

18. Der einsane Neg box 23/3
sach betrogenen Familienvater durch die leuchtende Innigkeit seines
Lessing-Cheater.
Spiels über die Gefahr der Lächerlichkeit hinaus. Den Maler spielt
Neu einstudiert: Der einsame weg. „Schauspiel von Arthur
jetzt Emanuel Reicher an Rudolf Rittners Statt, der jüngst in
Schnitzler.
einer für ihn unmöglichen Schnitzler=Rolle auf offener Bühne zu streiken
M. J. Zum dritten Mal##Spfelzeit wurden wir gestern
schien. Die Partie ist wenig dazu angetan, Reichers Ruhm
zu mehren. Denn er setzte für die Leichtblütigkeit des sauguinischen
Hor ein Schnitzlersches Werk ins Lessing=Theater berufen. Eine Tat¬
Naturells eine wenig stilgemäße Salbung ein. Statt eines Malers
sache, die wohl weniger für die Armut unserer dramatischen Pro¬
schien ein ergrauter Opernfänger auf der Bühne zu stehen, der
duktion als gegen den Reichtum an Erfindungsgabe bei unseren
sich am Klingen seines wohlkonservierten Baritons weidet. Rittners
Dramaturgen zeugt.
Leistung zum Vergleich heranzuziehen, verbietet sich aus verschiedenen
Diesmal handelte es sich jedoch nicht um eine Premiere, sondern
Gründen, von denen für mich der einleuchtendste ist, daß ich sie
um eine Neueinstudierung für das Wiener Gastspiel der
nicht kenne. Von kleineren Rollen fiel der medizinische Vertrauens¬
Brahmschen Bühne. Denn das Drama vom „einsamen
mann des Herrn Marrlauf, der seine Herzenskämpfe durch barsches
bereits vor zwei Wintern den Berlinern
*
Weg“
Poltern zu enthüllen süchte. Dieser Hausarzt machte offenbar alle
vorgeführt worden. Es kann also wohl #ach eine dentliche Erinne¬
seine Patienten dafür vrantwortlich, daß der Dichter ihm keine
rung an das Werk vorausgesetzt werden. Eine Erinnerung an
dankbarere Aufgabe gestellt habe.
die seltsame Erzählung von den beiden ergrauten Genießern, die
beim Abstieg von den Höhen ihres Daseins das fröstelnde Ge¬
fühl der Einsamkeit durchschauert. Sie haben sich beide zeitlebens
selbstherrlich von ethischen Pflichten emanzipiert. Deshalb erleben
sie nun, da sie Rechte geltend machen wollen, Enttäuschungen. Der
Maler Fichtner entdeckt seine Vaterschaft einem Sohne, den er
durch diese Offenbarung nur von sich scheucht. Der aristo
kratische Lebenskünstler Sala aber muß seinen letzten Sieg
Telephon 12801.
über ein Frauenherz mit einem ruhmlosen Tode büßen. Jestern
wie früher packte die herbstliche Stimmung des Entsagens,
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der flügellahmen Resignation. Aber gestern wie früher
„UBSEHVEN
ermüdete auch der Mangel an dramatischer Sprungkraft, am
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
elastischen Federn der Bühneninspiration. In . Hnitzlers Schaffen
scheint die Schöpfung — das lehren ihre beiden inzwischen veröffent¬
Wien, I., Concordiaplatz 4.
lichten Nachfolger — einen gefährlichen Wendepunkt zu bedeuten.
Vertretungen
Die Abkehr von der lebenszuckenden Konzentration des „Grünen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopenhagen,
Kakadu“, die Hingabe an die abendfüllende Diskussion, an das allge¬
London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-York, Paris, Rom,
meine Ballspiel mit Bonmots.
San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
Bei den Wienern aber kann das Lessing=Theater mit diesem
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Drama, seinen Schwächen zum Trotz, Ehre einlegen. Denn es führt
die besten Kräfte der Bühne mit ergiebigen, wohl ausgebeuteten
Ausschnitt aus
Bassermanns Weltmannskunst glänzt
Rollen ins Feld.
Reichs Anzeiger, Bernn
allen
bei der Verkörperung des Herrn von Sala in
Reizen einer überlegenen Dandy=Skepsis ohne die wohlfeilen
vom:
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Mätzchen, mit denen die fahrenden Virtuosenden Grandseigneurs bei¬
zukommen pflegen. Else Lehmann läßt in der Rolle
einer erdenfrohen Komödiantin ihr liebes, erquickendes Lachen
Theater und Musik.
tönen. Irene Triesch meistert das „schwierige Problem,
Lessingtheater.
die Exaltation einer jugendlichen Seelel ohne Verstiegen¬
Einen Umschwung des Urteils zu Gunsten von Arthur#
heit zu spiegeln. Oskar Sauer endlich hebt einen zwis¬
Schnitzlers Schauspiel „Der einsame Weg“ vermochte die
gestrige Aufführung des neueinstudierten Stückes nicht herbeizuführen;:
seine quälenden Längen wurden, wie die Unaufmerksamkeit im Zu¬
schauerraum bewies, ebenso stark empfunden wie gelegentlich der Erst¬
aufführung vor zwei Jahren. Die Handlung, wenn man überhaupt
von einer solchen sprechen kann, da sie meist in der Vergangenheit
liegt und nur aus Erzählungen bekannt wird, hat zu viele
tote Punkte, und gar zu langsam kommt der im Titel
liegende Grundgedanke klar zum Ausdruck, daß der einsame
alte Junggeselle, der sein Leben lang selbstsüchtige Zwecke ver¬
folgt hat, sich in der Hoffnung, in seinem natürlichen Sohn eine
Stütze für sein Alter zu finden, betrogen sieht, weil dieser den einstigen
Verführer seiner Mutter kalt zurückstößt. Aber eine Revision des
Berliner Urteils über das Stück war nicht die Absicht der Neu¬
einstudierung, vielmehr will man für das bevorstehende Wiener Gast¬
spiel des Lessingtheaters an die Landsleute des Dichters appellieren.
Ob das Schauspiel selbst in Wien Erfolg haben wird, steht
dahin, der trefflichen Inszenierung und Darstellung= wird er aber
gewiß beschieden sein. An den Leistungen der Damen Pauly, Triesch,
Lebmann der Herren Bassermann, Reicher, Stieler und Marr ist
schiechthlk Nichts auszusetzen.