II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 289

18 Der einsane Nen
Telephon 12801.
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„UBSEHVEN
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Aussehnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopenhagen,
London, Madrid, Mailand, Minneapelis, New-York, Paris, Rom,
San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus:
vom:
ppsinen
Börsengenrier
Ann 1908
vor den Kulissen.
Das „Lessing=Theater“ wollte uns gestern nicht
zeigen, was es aufführt, sondern was es ausführt:
Zum Besichtigen seiner künstlerischen Reise=Ausrüstung
hat es seine teilnehmende Anhängerschaft geladen
Nicht für Berlin, sondern für Wien hatte man
Arthur Schnitzlers Schauspiel „Der einsam
Weg
neu—einstidiert.
Das
Berline:
Publikum hat sich mit dem Werke schon vor
zwei Jahren abgefunden, ebenso die Kritik. Zu einen
neuen Urteilsspruch waren beide nicht einberufen. Das
Haus verhielt sich denn auch zum guten Teil vielleich
eben deshalb dem fünfaktigen Schauspiel gegenübe:
so sehr still, und nicht weil eine tiefere Anteilnahm
wieder nicht aufkommen oder sich jedenfalls nich
behaupten konnte. Aber das Wienerische Stüc
des Wienerischesten modernen Dramatikers soll
den Wienern nun von einer Berliner Künstlergesell
schaft vorgeführt werden. Uns bleibt kaum etwas
anderes übrig, als der trefflichen Schar gute Reise zu
wünschen und im übrigen den Wienern das Wort
zu überlassen. Was uns als eine Variation von
Sardous „vieux garçons“ erscheint, werden die Wiener
vielleicht als Frucht ihres Bodens besser würdigen, das
werden sie vielleicht als Gegenstück zur „Liebelei“ —deren
Helden uns etliche und zwanzig „ahre später gezeigt
werden — dankbarer aufnehmen. Wird doch die
etwas schwermütige und zeitweise mehr als nötig
durch melancholische Betrachtungen aufgehaltene, sein
komponierte Geschichte vom alten Junggesellen, der
nach seinem Abenteurerleben den Sohn, die Frucht
eines Jugendabenteuers, sich holen will, aber von
diesem zurückgestoßen wird, mit viel innerl chem
Leben

gespielt.
Etwas zu norddeutsch
vielleicht
für das Wienerische Stück, aber
doch mit liebevollem Eingehen auf die Stun¬
mungen und mit dem Effekt, daß wir die Grundid.
empfinden und die Gerechtigkeit würdigen. Daß wer
es verstehen, wenn die Enthüllung, er sei sein
Vater, den bisherigen Freund seinem Sohne nur
viel remder erscheinen läßt.
Daß wir es
begreifen, wenn alle Teilnahme und Liebe sich
dem zuwendet, dem der junge Mann väterliche
Liebe und Fürsorge dankt, treue Anhänglichkeit an
seine Mutter, nicht aber dem Helden einer mütterlichen
Jugendtorheit, der sich feig davongeschlichen. Auch
über manches Befremdliche in den Personen wie in
ihren Geschicken trug die liebevolle Darstellung
hinweg. Das Tiefinnige und Empfundene im
Spiel des Herrn Stieler, der den Sohn
gab, die mürbe und verwitterte Seele, der morsch¬
gewordene, aber groß angelegte Charakter des alten
Don Juan, den Reicher so echt verkörperte, den
vornehmen und geistig seingeäderten alten Junggesellem
in der Darstellung Bassermanns, das Rätsen¬
wesen Charlotte, dem Irene Triesch aus Eigenem
den Anschein von Tiefe gab, die leichtlebige, heitere
Lund sentimentale alte Schauspielerin, die Elsee
Lehmaun zwar aus dem Wienerischen ins Norddeutsche
nersetzt, ohne aber das Echt=Menschliche zu ver¬
leugnen, all das, umrahmt von sorgsamer Inszenierung,
wird jedenfalls Interesse erregen. Wie die gestrige
Zuhörerschaft, kann auch die Kritik im Uebrigen sich
still verhalten. Die Aufführung ist für Wien be¬
stimmt: Wien hat nun das Wort.
J. L.
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eng
„OBSERVEn
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopenhagen,
London, Madrid, Mailand, Minncapolis, New-Vork, Paris, Rom,
San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt auf
taatsbürger Zeitung, Berlin
vom: 20 4 906
Theater.
Wenn De Brahm gemeint hat, mit der neu einstudierten
Aufführung von Arthu
chnitzlers Schauspiel „Der einsame Weg“
das stark abgebl#
chevenommé des dekadenten Wiener
Schriftstellers wiedet letwas auffrischen zu können, so hat er sich
sehr geirrt. Denn dieses schon bei der Lektüre unsäglich lang¬
weilige und albern“ wirkende Stück wurde durch eine zweijährige
Lagerzeit wahrlich nicht besser, und es wird sicher auch das
Repertoire des „Lessing=Theaters“
n## bereichern. Da das
Werk gelegentlich seiner Première im Deutschen Theater ausführlich
besprochen wurde, so erührigt sich wohl ein nochmaliges Eingehen
auf seinen Inhalt. Als charakteristisch für die Eigenart des Antors
soll nur darauf hingewiesen werden, daß sich im „einsamen Weg“
ein ebenso moralisches Lumpengesindel zusammenfindet, wie im
„Ruf des Lebens“. Insbesondere in sexueller Beziehung find die
Gestalten Schnitzlerscher Phantasie von einer Skrupellosigkeit, die
förmlich nach dem Staatsanwalte schreit! So kommt im „ein¬
samen Wege“ eine Schauspielerin Irene Herms vor, welche die
natürlichen Folgen eines Fehltrittes mit Hilfe einer weisen Frau
beseitigte!; Frau Gabriele dagegen hat ihren Mann, den Direktor
der Akademie der bildenden Kunste, nur geheiratet, um der Schande
zu entgehen, mit einem unehelichen Kinde niederzukommen, und ihr
eheliches Kind wieder, die Johanna, wächst sich zu einem pervers
verrückten Geschöpfe aus, das in der Wirklichkeit unbedingt auf
seinen Geisteszustand ärztlich geprüft werden mußte. So geht das
fort, aber nicht mit Grazie, Witz und Geist, sondern schwerfällig
wie erkaltende Lava wälzen sich Handlung und Dialog dahin.
„Ich weiß es ja; — für alle, ja auch für Sie bin ich ein Her¬
untergekommener“, läßt Schnitzler den Maler Julian Fichtner im
„einsamen Weg“ sagen, „einer, der fertig ist, einer, dessen ganzes
Talent seine Jugend war!“ Wie zutreffend sich Herr Schnitzler
mit diesem Ausspruche selbst charakterisiert hat! Sein bischen
Jugend ist bei der „Liebelei“ mit „süßen Mädchen“ flöten gegangen,
und trotzdem er erst im Anfange der vierziger Jahre steht, zahlt
er bereits zu jenen literarischen Mumien, welche Herr Direktor
Brahm in seinem Musentempel so sorgfältig konserviert! Die Auf¬
nahme des Stückes im Lessing=Theater war eine auffallend kühle,
trotzdem die vortreffliche Künstlerschar ihr bestes Können ein¬
setzte. Das Lebemännerpaar mit den genußüberreizten Nerven
und dem vereinsamten, nach reiner Liebe lechzenden Herzen
gaben Emanuel Reicher und Albert Bassermann so lebenswahr
und packend in jedem Zuge, daß man darüber ganz die ver¬
schoobene Charakteristik vergaß, die der Autor seinen Gestalten
gab. Insbesondere in der Schlußszene, wo Herr von Sala aus
dem Munde des Bruders des von ihm verführten Mädchens
hört, daß er ein todgeweihter Mann ist, den ein Herzschlag
jeden Moment wegraffen kann, da bot Herr Bassermann eine
hinreißend geniale Leistung. Ein Kabinettstück schauspielerischer
Kunst konnte man auch in der Irene Herms des Frl. Else
#bewundern, die ihre Rolle mit glitzernden humoristi¬
#ern ausstattete. Schadt, ewig schade, daß Tirektor
Brahm seinem ausgezeichneten Ensemöle keine würdigeren Auf¬
gaben zu stellen weiß!
St—g.
Berichtigung. Im letzten Abendblatt muß die Spitzmarke im
zweiten Artikel unter der Rubrik „Deutsches Reich“ richtig heißen;
„Die Geschäfte des Bahnhofsdienstes“.