18. Der einsane Neg box 23/3
Telephen 12.801.
„UDSERTER
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschaltte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christiania,
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis,
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
(Quellenangabe ohne Gewahd C 1200
Ausschnitt aus
eutsche Zeitung, Wien
vorn:
Theater an der Wien. Artur Schnitzlens
Schauspiel „Der einsame Weg“, das heute die Berliner
Gäste brachten, konnte es trotz der unsinnigen Anstrengungen
der Schnitzler=Garde zu keinem Erfolg bringen. Das gänzlich
mißlungene und dabei maßlos prätentiöse Stück, fünf lange
Akte bühnenwidrie Exkurse, gemischt mit ein paar plumpen
Theatereffekten fiel mit jedem Akt mehr durch, trotzdem der
Verfasser immer wieder unter dem Jubel seiner Nation
schien. Schnitzler wollte den einsamen Weg zeigen, den
Männer an ihrem Lebensende gehen, die egoistisch zwar
Liebe genossen, aber nicht gespendet haben. Das
eine Beispiel bildet der natürliche Vater, von dem
sein Sohn sich abwendet;
im anderen Fall bezahlt
der Schuldige seine Selbstsucht freiwillig mit dem
Leben. Einiges aus dem überflüssigen und assektierten
Geschwätz vermochten die Schauspieler zu retten, so Frau Elsa
Lehmann und Herr Bassermann. Das übrige
verfunt —## gähnenden Abgrund tödlicher Langweile,
aus dem unliebsam und störend das schlechte Spiel mehrerer
Darsteller, so des unverständlich daherredenden Herrn
Sauer und des unmöglichen Herrn Stieler, auf¬
tauchte. Nur die verläßliche Solidarität seines Volkes, unter¬
stützt von Snobismus, bewahrte Schnitzlers mißratenes Werk
vor dem verdienten Schicksal des Ausgelachtwerdens.
A. L—ch.
r
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopenhagen.
London, Madrid, Meiland, Minneapolis. New-York. Paris, Rom.
San Francisco. Stockholm, St. Pete sburg.
(Gerlienangabe ohne Gewahr)
Ausschnitt aus
sterr Volle Zeitung, Wien
190
vom:
Gastspiel des Berliner Lessing=Theaters.
„Der einsame Weg“, Schauspiel in fünf Akten von
Artur Schnitzlex. Alle Wege führen nach Rom,:
einer in die Einsamkeit. Den läßt Schnitzler seine ge¬
sammelten Helden in diesem Stücke wandeln. Wo fängt:
diese Einsamkeit an? Dort, wo sich kein Mensch mehr
um den anderen kümmert. „Es ist wahrscheinlich gut so,“
läßt Schnitzler einen seiner Selbstmenschen sagen, „sonst
würden wir alle toll vor Mitleid oder Ekel oder Angst.“
So denkt der mit sich zerworfene Maler Julian Fichtner,
der Pinsel und Palette von sich geworfen, weil bei ihm
im Wettbewerb zwischen Wollen und Können letzteres
unterlegen ist. Er verabscheut den Herdenweg seines
Freundes Professor Wegrath, der als Direktor
der Akademie der bildenden Künstler sich damit abfindet,
malender Beamter zu sein. So dachte auch Frau
Gabriele, die Gemalin des Akademiedirektors, die zu
Beginn des Stückes sich anschickt, jenen einsamen Weg
zu wandeln, von dem man vor der großen Urständ
nicht mehr zurückkehrt und der keinem von uns erspart
bleibt. Jahrzehnte lang, bevor aber das Stück einsetzt,
war sie die Geliebte Fichtners und zu gleicher Zeit die
Braut Wegraths. Wahrscheinlich um den Sohn der
Erblasserin, Felir, zu sich auf den einsamen Weg zu
locken, enthüllt nach dem Ableben der Mutter der welt¬
verachtende Fichtner dem jungen Mann das pikante
Geheimnis, daß er sein Dasein ihm, dem genialen
Künstler, und nicht dem malenden Beamten zu ver¬
danken habe. Felir bedankt sich auch für diese alt¬
backene und bloß frisch aufgewärmte Vaterschaft und läßt
den nur zu gelegener Zeit diskreten Pava ruhig seinen
einsamen Weg weiterziehen. Eine Tochter des Akademie¬
direktors, von der man schließlich auch nichts ge¬
wisses weiß, liebt die Ungebundenheit, normales
Mädchenleben ödet sie an. Selbstverständlich sucht auch
sie einsame Wege auf und begegnet da einem Dichter,
Herrn v. Sala, der gleichfalls die Welt verachtet, aber
erst seitdem er sie ausgekostet und sich dabei Magen
und Herz gründlich verderben hat. Das ungebundene
Fräulein mag sich nicht binden lassen, aber gegen eine
Bandelei hat sie nichts einzuwenden. Sie schnappt nach
dem kranken Herzen des adeligen Einsam. Rasch aber
gestaltet sich auch dieses Verhältnis schablonenhift und
das eraltierte Frauenzimmer wirft sich in den Schlo߬
teich. Endlich noch eine — oder Gott sei dank
Einsame, eine gewesene
nur noch eine
Schauspielerin, die jetzt sozusagen seelengemein
mit dem einstigen Geliebten, dem angedeuteten
Maler, verkehrt. Der Mann hat zu viel und
zu viele geliebt! Auch diese Dame will von der
Welt, in der man sich nicht langweilt, nichts mehr
wissen, nachdem sie von ihr sehr vieles gewußt.
Diese alternde Komödiantin ist vielleicht der einzige ge¬
sunde Mensch im Stücke. Angeblich soll sie eine große
Künstlerin gewesen sein. Jedenfalls aber hat sie ihren
Beruf verfehlt; sie wäre unter gesegneten Umständen eine
Musteramme geworden. Es ist nicht ihre Schuld, daß
Herr Dr. Schnitzler sie in dieser Eigenschaft nicht kuh¬
warm empfehlen kann. Sie hat wahrlich gar nichts
unterlassen, um diesen edlen Beruf voll und ganz aus¬
zufüllen. Die sonstigen Personen langweilen mit ihren
meterlangen Tiraden. Am besten wär's gewesen, wenn
Herr Schnitzler den Stoff novellistisch bearbeitet
hätte, denn eine Novelle bietet dem Leser den
Vorteil, wenn er vorläufig denug hat, das Buch zu¬
klappen zu können. Bei einem Theaterstück, insofern es
nicht ein Buchdrama bleibt, wird der Zuschauer dieses
großen Vorteils leider beraubt.
Es lag gestern weniger an den Darstellern, daß uns
mit Ausnahme der ewig frisch und grundehrlich blei¬
benden Frau Lehmann und des Herrn Sauer
kaum ein einziger so recht befriedigen konnte, als an
dem, was sie darzustellen hatten. Das Falsche wird da¬
durch nicht echt, daß es den Schein der Echtheit trägt.
Nichtsdestoweniger gab es für die Mitwirkenden und
besonders für den Dichter fast demonstrativen, die
Gegnerschaft im Hause besiegenden Beifall. Aber Artur
Schnitzler sollte sich die Protektion von Clique und
Claque ernstlich verbieten. Er steht ja im Grunde auf
Gemeindeunterstützung nicht an.
Telephen 12.801.
„UDSERTER
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschaltte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christiania,
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis,
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
(Quellenangabe ohne Gewahd C 1200
Ausschnitt aus
eutsche Zeitung, Wien
vorn:
Theater an der Wien. Artur Schnitzlens
Schauspiel „Der einsame Weg“, das heute die Berliner
Gäste brachten, konnte es trotz der unsinnigen Anstrengungen
der Schnitzler=Garde zu keinem Erfolg bringen. Das gänzlich
mißlungene und dabei maßlos prätentiöse Stück, fünf lange
Akte bühnenwidrie Exkurse, gemischt mit ein paar plumpen
Theatereffekten fiel mit jedem Akt mehr durch, trotzdem der
Verfasser immer wieder unter dem Jubel seiner Nation
schien. Schnitzler wollte den einsamen Weg zeigen, den
Männer an ihrem Lebensende gehen, die egoistisch zwar
Liebe genossen, aber nicht gespendet haben. Das
eine Beispiel bildet der natürliche Vater, von dem
sein Sohn sich abwendet;
im anderen Fall bezahlt
der Schuldige seine Selbstsucht freiwillig mit dem
Leben. Einiges aus dem überflüssigen und assektierten
Geschwätz vermochten die Schauspieler zu retten, so Frau Elsa
Lehmann und Herr Bassermann. Das übrige
verfunt —## gähnenden Abgrund tödlicher Langweile,
aus dem unliebsam und störend das schlechte Spiel mehrerer
Darsteller, so des unverständlich daherredenden Herrn
Sauer und des unmöglichen Herrn Stieler, auf¬
tauchte. Nur die verläßliche Solidarität seines Volkes, unter¬
stützt von Snobismus, bewahrte Schnitzlers mißratenes Werk
vor dem verdienten Schicksal des Ausgelachtwerdens.
A. L—ch.
r
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopenhagen.
London, Madrid, Meiland, Minneapolis. New-York. Paris, Rom.
San Francisco. Stockholm, St. Pete sburg.
(Gerlienangabe ohne Gewahr)
Ausschnitt aus
sterr Volle Zeitung, Wien
190
vom:
Gastspiel des Berliner Lessing=Theaters.
„Der einsame Weg“, Schauspiel in fünf Akten von
Artur Schnitzlex. Alle Wege führen nach Rom,:
einer in die Einsamkeit. Den läßt Schnitzler seine ge¬
sammelten Helden in diesem Stücke wandeln. Wo fängt:
diese Einsamkeit an? Dort, wo sich kein Mensch mehr
um den anderen kümmert. „Es ist wahrscheinlich gut so,“
läßt Schnitzler einen seiner Selbstmenschen sagen, „sonst
würden wir alle toll vor Mitleid oder Ekel oder Angst.“
So denkt der mit sich zerworfene Maler Julian Fichtner,
der Pinsel und Palette von sich geworfen, weil bei ihm
im Wettbewerb zwischen Wollen und Können letzteres
unterlegen ist. Er verabscheut den Herdenweg seines
Freundes Professor Wegrath, der als Direktor
der Akademie der bildenden Künstler sich damit abfindet,
malender Beamter zu sein. So dachte auch Frau
Gabriele, die Gemalin des Akademiedirektors, die zu
Beginn des Stückes sich anschickt, jenen einsamen Weg
zu wandeln, von dem man vor der großen Urständ
nicht mehr zurückkehrt und der keinem von uns erspart
bleibt. Jahrzehnte lang, bevor aber das Stück einsetzt,
war sie die Geliebte Fichtners und zu gleicher Zeit die
Braut Wegraths. Wahrscheinlich um den Sohn der
Erblasserin, Felir, zu sich auf den einsamen Weg zu
locken, enthüllt nach dem Ableben der Mutter der welt¬
verachtende Fichtner dem jungen Mann das pikante
Geheimnis, daß er sein Dasein ihm, dem genialen
Künstler, und nicht dem malenden Beamten zu ver¬
danken habe. Felir bedankt sich auch für diese alt¬
backene und bloß frisch aufgewärmte Vaterschaft und läßt
den nur zu gelegener Zeit diskreten Pava ruhig seinen
einsamen Weg weiterziehen. Eine Tochter des Akademie¬
direktors, von der man schließlich auch nichts ge¬
wisses weiß, liebt die Ungebundenheit, normales
Mädchenleben ödet sie an. Selbstverständlich sucht auch
sie einsame Wege auf und begegnet da einem Dichter,
Herrn v. Sala, der gleichfalls die Welt verachtet, aber
erst seitdem er sie ausgekostet und sich dabei Magen
und Herz gründlich verderben hat. Das ungebundene
Fräulein mag sich nicht binden lassen, aber gegen eine
Bandelei hat sie nichts einzuwenden. Sie schnappt nach
dem kranken Herzen des adeligen Einsam. Rasch aber
gestaltet sich auch dieses Verhältnis schablonenhift und
das eraltierte Frauenzimmer wirft sich in den Schlo߬
teich. Endlich noch eine — oder Gott sei dank
Einsame, eine gewesene
nur noch eine
Schauspielerin, die jetzt sozusagen seelengemein
mit dem einstigen Geliebten, dem angedeuteten
Maler, verkehrt. Der Mann hat zu viel und
zu viele geliebt! Auch diese Dame will von der
Welt, in der man sich nicht langweilt, nichts mehr
wissen, nachdem sie von ihr sehr vieles gewußt.
Diese alternde Komödiantin ist vielleicht der einzige ge¬
sunde Mensch im Stücke. Angeblich soll sie eine große
Künstlerin gewesen sein. Jedenfalls aber hat sie ihren
Beruf verfehlt; sie wäre unter gesegneten Umständen eine
Musteramme geworden. Es ist nicht ihre Schuld, daß
Herr Dr. Schnitzler sie in dieser Eigenschaft nicht kuh¬
warm empfehlen kann. Sie hat wahrlich gar nichts
unterlassen, um diesen edlen Beruf voll und ganz aus¬
zufüllen. Die sonstigen Personen langweilen mit ihren
meterlangen Tiraden. Am besten wär's gewesen, wenn
Herr Schnitzler den Stoff novellistisch bearbeitet
hätte, denn eine Novelle bietet dem Leser den
Vorteil, wenn er vorläufig denug hat, das Buch zu¬
klappen zu können. Bei einem Theaterstück, insofern es
nicht ein Buchdrama bleibt, wird der Zuschauer dieses
großen Vorteils leider beraubt.
Es lag gestern weniger an den Darstellern, daß uns
mit Ausnahme der ewig frisch und grundehrlich blei¬
benden Frau Lehmann und des Herrn Sauer
kaum ein einziger so recht befriedigen konnte, als an
dem, was sie darzustellen hatten. Das Falsche wird da¬
durch nicht echt, daß es den Schein der Echtheit trägt.
Nichtsdestoweniger gab es für die Mitwirkenden und
besonders für den Dichter fast demonstrativen, die
Gegnerschaft im Hause besiegenden Beifall. Aber Artur
Schnitzler sollte sich die Protektion von Clique und
Claque ernstlich verbieten. Er steht ja im Grunde auf
Gemeindeunterstützung nicht an.