II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 338

18. Der einsane Neg box 23/3
zu einer unvertierharen und unbezweifelbaren Einheit und wahrscheinlich wieder wählen werden, so werden sie Gott danken, daß ihm
Ar e e e T
Kinder Wegraths, Felix (Kurt S
weilen so nebenher. Wir Menschen kennen einander nich.. Es ist
Feuilleton.
(Irene Triesch), sind sozusagen erst
Glel
vielleicht einer der quälendsten Gedanken für den denkenden
samkeit. Die exzentrische Johanna kürzt
Menschen, daß wir nie in die Seele des anderen schauen können,
ab. Nur wer dieses Stück in seinem off
Das Berliner Gastspiel.
daß zwischen uns einzelnen undurchdringlich der Schleier der
erfaßt, fühlt die in ihm ausgedrückt
Maja steht. Aber wenn er auf die Dauer fiele? Wäre das nicht
(Schnitzler- „Der Puppenspieler“; „Der einsame Weg“ Gerhart
ihrem vollen Umfang. Es ist eines der
Hauptmann: „Elga.“ Ibsen: „Rosmersholm.“)
noch schrecklicher? Als nach dem Selbstmord der Johanna ihr
Aber wie so vieles von ihm, wirkt es
Bruder fragt: „Wer hat sie denn gekannt von uns allen? Wer
Der Direktor des Berliner Lessing=Theaters hat uns vor
freiend. Es lastet auf uns. Es verm
kümmert sich denn überhaupt um die anderen?“, antwortet Doktor
allem Novitäten gebracht. Man sollte annehmen, daß eigentlich
Es ist dekadent. Wie schade um diesen
Reumann: „Es ist wahrscheinlich gut so, sonst würden wir alle toll
die Wiener Theater in erster Linie die Pflicht haben sollten,
in blassen Schattenrissen, bisweilen i
vor Mitleid oder Ekel oder Angst.“ Ein weises und gutes Wort. Wir
Schnitzlers Werke uns vorzuführen. Daß wir einige von ihnen
immer die Lebensphilosophie der Mü
erkennen: Was uns ein Fluch scheint, wird uns zum Segen. Die
erst auf dem Umweg über Berlin kennen lernen, ist wenig
das unabwendbare Schicksal predigt.
Grenzen unseres Wesens ermöglichen uns erst das Leben. Aber
schmeichelhaft für uns. Zwar haben wir vor kurzem im Lustspiel¬
Tragik alles Lebens hat für uns keine
dieses Leben ist bei allem äußeren Getriebe furchtbar einsam, um so
theater den prächtigen Einakter „Zum großen Wurstl“ sehen
nicht zuletzt, wenn auch auf einem Un
einsamer, je weniger wir von unserem Selbst an andere abgeben.
können, aber weder den „Puppenspieler“ noch den „Tapferen
Leben führt.
Das gilt von allen Menschen und das Stück gibt uns eine Reihe
Cassian“ hat eine Wiener Bühne bisher aufgeführt. Wohl ist der
Gespielt wurde das Stück im al
von Spezialfällen. Es gilt natürlich in erster Linie von den
„Puppenspieler“ gelegentlich einer Wohltätigkeitsvorstellung auf¬
keine große schauspielerische Persönlichk
Egoisten, die sich und die Auslebung ihres Ichs als die Haupt¬
geführt worden; doch das zählt nicht. Gerade der „Puppenspieler“.
fällige und ausreichende Routine den
sache und den wesentlichen Inhalt ihres Lebens ansehen. Julian
ist das dramatisch schwächste Stück der Sammlung.*) Wohl
steht Frau Else Lehmann, die den
Fichtner (Reicher) und Stephan von Sala (Bassermann)
ist die Gestalt des Georg Merklin interessant. Er
charakter der Irene Herms in ihren wech
sind solche „Lebenskünstler“. Aber am Ende sagt dieser zu jenem
glaubi, das Geschick anderer Menschen zu leiten, mit ihnen
der ihr eigenen Meisterschaft darstellte.
mit vollem Rechte: „Es graut Ihnen vor der Einsamkeit ... Und
als Puppen zu spielen, und muß erkennen, daß er selber auch
Von G. Hauptmanns „Elga“
wenn uns ein Zug von Bacchanten begleitet — den Weg hinab
nur eine Puppe in der Hand des Schicksals ist. Der feine
nicht reden. Ich habe niezu den Hauptt#
gehen wir alle allein... wir die selbst niemandem gehört haben.“
Gedanke ist in der dramat Ausführung nicht lebendig
aber ich habe immer Freude gehabt an
Aber auch die anderen, gewöhnlichen, braven Menschen, sie sind
genug geworden. So wirkt die „Studie“ auf der Bühne etwas
wo er, ganz innerhalb der Schranken
alle auf ihre Art einsam, der biedere Professor Wegrath, der, be¬
langweilig, obwohl der. Merklin Bassermanns in seiner
Gutes gemacht hat. „Elga“ aber ist al
trogen von seinem Freunde, aus dem Munde seines Sohnes, der
Gebrochenheit, Müdigkeit und Enttäuschung vorzüglich zur Er¬
Es lehnt sich fast genau an die Erzä
doch das Kind jenes Fichtners ist, erst jetzt nach zwanzig Jahren
scheinung kam. Trotzdem wurde der „Puppenspieler“ freundlich
Kloster bei Sendomir“ und verarbeitet
aus dem Munde dieses Sohnes das Wort Vater
aufgenommen. „Der einsame Weg“ aber rief stürmischen
fast wäre man versucht, zu sagen: leb
so hört, als erklänge es zum erstenmal. Seine Frau
Beifall hervor. Der Dichter mußte immer und immer wieder
zweifellos theatralisch wirksam. Aber
Gabriele, die mehr als zwanzig Jahre an der Seite
erscheinen. Und er verdiente die Ehrung vollauf, denn dieses
jener Art, die dem gebildeteren Geschma
ihres Mannes lebt in einsamen Gedanken der Erinnerung. Irene
Stück gibt uns eine Reihe von scharf gezeichneten Charakteren
und Endbild umrahmen die eigentlich
Herms (Else Lehmann), das nicht mehr junge und doch so jugend¬
und stellt uns einen alten, längstbewährten Gedanken in an¬
Kloster übernachtende Ritter träumt.
frische Wesen, das so zärtlich zu lieben weiß und doch keinen ge¬
*) Diese drei Einakter sind in einem Buche: Mario¬
wird hergestellt durch den nächtlichen
liebten Mann und kein Kind hat und darin den Schmerz ihrer Ein¬
netten“ bei Fischer in Berlin enthalten. Auch alle übrigen
samkeit fühlt. Selbst bei der Nebenfigur des Arztes (Hans Marr) der anhebt, wie der Ritter einschläft, und
hier besprochenen Stücke sind in diesem Verlag erschienen.