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18. Der einsane Neg box 23/3
an einem Herzen, in dem sein eigenes Blut pocht. Aber er findet es
ihn beachten sollen. Und ebenso die
nicht. Alles, was er Felix über seinen verpönten Ursprung erzählt,
wisse, ewig unveränderliche Quadrille
rückt ihn dem Jüngling nur noch ferner, dieser klammert sich an den
in der früh eingelernten Reihenfolge
bisherigen Vater, der ihm der einzig Väterliche gewesen. Und Juliau,
der ganzen Welt die nämlichen sind.
der Ex=Glänzende, muß von dannen schleichen, den einsamen Weg.
st durch eine persönlich hochinteressante
Der andere Egoist, Herr v. Sala, hat eben noch die in Seltsam¬
n. Eine solche haben die Berliner
keiten hysterisirende Johanna, Felixens Schwester, erobert. Sie
Irene Triesch, die in Berlin
geht beglückt ... ins Wasser und ihr Eroberer, dem ohnehin ein
sie im modernen Spielplan alle die
Duell mit Felix (Offizier!) gebührt, der aber schwer herzleidend ist,
goßen und kleinen Problematischen mit
begeht stillen Selbstmord, was auch ein einsamer Weg ist. So ist
mmer regem Bühnenverstand darstellt.
die Tendenz des Schauspiels eine aufs ewig Menschliche gerichtete.
aber sie hat gerade das nicht, was
„Lieben heißt für jemand Anderen auf der Welt sein.“ Es ist ergreifend,
llen und so oft im Auslande gefunden
wie die beiden gealterten Selbstkünstler sich schließlich darüber be¬
Baumeister, Mitterwurzer und tutti
sprechen und dahinter kommen, was für gemeine Kerle sie eigentlich
che Reiz, der sich an den Zuschauer
zeitlebens gewesen. Natürlich in aller Korrektheit der von allen Kultur¬
physisch umspinnt, ihn von den
menschen anerkannten Formen. Und als überlegene Weltmänner,
Die Erscheinung gewinnt das Auge
1 die die Weltweisheit mit goldenen Löffeln gespeist haben. Die längst
e das Ohr. Man muß sich im
jenseits von Reue, Vorwurf und dergleichen Krämergefühlchen sind.
kthen, es sich einzureden versuchen. Das
Unverantwortliche Männer, deren Moral lautet, daß Jeder die Pflicht
idum von Vornehmheit, Verfeinerung,
habe, alles Gute und alles Schurkische zu begeben, das innerhalb
an sich hier unter weiblicher Anmuth
seiner Fähigkeiten liegt. Das Alles ist Menschlichkeit, unser Aller
nders heraus. Und das Ganze ist in ein
Erbtheil, das wir anzutreten haben, wir müssen uns „erbserklären“,
fnent getaucht, das gerade bei diesen
wenn wir nicht unter die Enterbten geworfen sein wollen ... Darum
nach überaus „arischen“ Seelen und
wird in diesem Stücke von dergleichen Dingen mit einer philosophischen
s stimmungswidrig und charakter¬
Ungenirtheit gesprochen, wie über irgendwelche zoologische oder ethno¬
ja hart, das auszusprechen, und der
graphische Thatsachen. Die Hauptszene des Stückes ist, wie der natür¬
ändnissen aus, aber wahr bleibt wahr:
liche Vater dem natürlichen Sohne in aller, schon förmlich physiolo¬
n'sche Weiblichkeit darf nicht mit jeder
gischen Ausführlichkeit das Liebesabenteuer mit seiner Mutter
Deutschland stört das weniger, weil
erzählt. Wie er sie heimlich gewonnen und dann schmählich verlassen,
as es ist. Bei uns domizilirt man es
so ganz von selbst, ein natürlicher Vorgang, ... und wie er sich
woes hingehört, und kann den ganzen
nie glücklicher und freier gefühlt, als nach seiner Flucht, da er dieser
Ebenso geht es hier Herrn Emanuel
Geliebten, die er doch geliebt, entronnen und von ihr nicht mehr ein¬
chen Schauspieler für trockene Sachen.
zuholen war. Da Vater und Sohn beide der „Welt“ angehören, sei
pielt, die diesen Beigeschmack nicht ver¬
ja gegen solche Aufrichtigkeit des Geständnisses nichts einzuwenden ...
Gesandten am Hofe Ludwig's XIV., der
Nun, darin hat sich der Dichter verrechnet. Es gibt denn doch Pro¬
ich salomonischen Politik gelten dürfte.
bleme, die sich nicht so rein mathematisch ausrechnen lassen. So ein junger
Künstler würden in einem Wiener
Offizier, dem Jemand über seine angebetete Mutter solche empörende
z anders, das heißt nach ihrer Eigenart
Enthüllungen machen wird, dürfte dem sauberen (allzu menschlichen)
echt gut thun.
Herrn, der sich für seinen natürlichen Vater ausgibt, energisch den
sah man zum ersten Male Arthur
Mund stopfen: „Sie gemeiner Kerl, ich will nichts hören! Ich mag
Schauspiel: „Der einsame Weg“.
ihre Konfidenzen nicht! Meine Mutter ist mir heilig und Sie lügen,
der Beifall reichlich. Wesentlicher ist
daß Sie mein Vater sind.“ (Ich empfehle dieses ausgezeichnete Motiv
gein aufmerksamen Publikums in das
einem Nachfolger Schnitzler's.) Eventuell wird er ihm sogar ein paar
in der That anstrengende Stück, das
jugendliche Ohrfeigen versetzen. Wenn sich jener Herr seiner Vater¬
d an die Aufnahmsfähigkeit Ansprüche
schaft blos erinnert, um an einer Frau, die ihn einst beglückte, solche
bequeme Menge diese Zumuthung, sich
haarsträubende Indiskretionen zu begehen, und zwar angesichts ihres
oder weniger ausartende Absichten zu
Sohnes, so ist das schon unqualifizirbar, er ächtet sich selbst. Jeder
wiesen. Sie ist jetzt besser erzogen und
gewöhnliche Gentleman ist in solchem Falle zur absoluten Diskretion
venn sie ein Dichter ins Vertrauen zieht.
verpflichtet; in französischen Stücken gibt er sogar sein Ehrenwort
dem gesprochen wird, ist der Weg, den
auf die Lüge und büßt es dann, oder auch nicht. Und hier erzählt der
es in ihren Alter gehen. Zwei solche
Herr Papa dem Sohne, um ihn zu gewinnen (!), was ihn unver¬
llt, der brillante Maler Julian und der
meidlich abstoßen muß und auch wirklich abstößt.
mmt nach Jahren genialer Zigeunerei
Das ist die Klippe, an der das Stück doch nicht vorbeikam.
Felix, der als Sohn eines braven
Nicht in Berlin und nicht in Wien. Bei aller geistreichen Sorgfalt,
der Paternität anerkennen zu lassen.
selt, nun möchte er ein warmes Plätzchen] mit der bei Schnitzler solche Dinge geführt und gefügt sind. die
Seelen förmlich zu Charpie zerzupft, die Verhältnisse und Sachlagen
gedreht und gewendet und beleuchtet und präparirt, bis diese Mög¬
lichkeit scheinbar unvermeidlich herauskommt — bei all der Analyse
und Synthese bleibt die Situation unmöglich. So weit können
„Die beiden Klingsberg“ nicht Kriegskameraden der Galanterie
spielen. Im Leben kommt man nicht so dahinter, als angesichts der
beiden Männer von Fleisch und Bein, die ja auch Blut und Nerven
haben müssen. Und nun spielte auch noch Herr Reicher den
Vater und trug diese aufregende, aufwühlende Sache mit einer ver¬
ständigen Geschäftsmäßigkeit vor, die sie vollends unannehmbar
machte. Ohne die Spur eines fortreißenden Temperaments, eines
liebenswürdigen Teufelskerlthums, dem solche Siege und Geständnisse
allenfalls zuzutrauen wären, ohne einen Schatten jener unwider¬
stehlich sympathischen Mitterwurzerei, an die wir uns nur
allzu lebhaft noch erinnern. Und ebenso verstandesgemäß
spielte Frau Triesch die Johanna, dieses verfahrene
„fort“ ausdrückt,
Mädchen, dessen ganzes Wesen sich in dem Worte
bis sie schließlich aus dieser ganzen dummen Welt „fort“ geht. Auch
Johanna ist ein minutiös zubereitetes und dosirtes Wesen, dessen Ele¬
mente wie bei einem Rechenexempel stimmen. Auf dem Papiere
nämlich; auf der Bühne schon bedeutend weniger. Daß der Geliebte,
dem sie sich gibt, schwer herzleidend ist, gehört nothwendig dazu und
bedingt mit ihren nachträglichen Selbstmord. Sie kann es bei
Menschen nicht aushalten, die Mitleid bedürfen; schon ihrer Mutter
gegenüber, die im ersten Akt dem Tode entgegensieht, geht es ihr so.
Sie schlägt sogar Sala's Hand aus, die ihr angeboten wird, und stirbt
lieber. Es ist viel kunstvoll Gewolltes in diesen seelischen Arrange¬
ments, man hat den Eindruck von labyrinthischen Gefügen, in die man
von ungefähr einen Blick thun kann. Fast wäre weniger Logik er¬
wünschter, denn gerade daß Alles so vollkommen klappt und jede
seltsame Regung ihre ausdrücklichen Begründungsmomente hat, macht
den Eindruck von mechanischen Vorgängen, von einer Maschinerie,
hinter der ein dichterischer Zweckmensch steht. Ein Genuß war es, Herrn
Bassermann als Herrn v. Sala zu sehen. Dieser ausgezeichnete
Charakterdarsteller, heute einer der ersten in Deutschland, hat zwar
einen etwas engen Umkreis, in diesem aber ist er ein Meister. Das
sind säuerliche, bitterliche, skeptische, dekadente, mit allen Salben ge¬
schmierte und dem Verkommen verfallene Charaktere. Die Tragik
Derer, für die kein Kraut mehr gewachsen ist, bringt er mit absicht¬
lich knapp gefaßten Mitteln, in lapidarischen Andeutungen, und mit
einer lokal berlinischen Manier von sympathischer Pikanterie zur
Anschauung. Etwas von „Jarde“ und etwas Sentiment dazu, das
man aber zu verstecken trachtet, und Alles nur so mit dem Rande
der Lippen, aber innerlich ein Abgrund von Ausgehöhltheit, über die
nichts hinwegtröstet. Verzweiflung und Haltung, als Elemente einer
eigenen Art von Ironie.
Noch in einem anderen Schnitzler'schen Stücke, dem Einakter.
„Der Puppenspieler“, ist Herr Bassermann dieser feine Meister. Er
gibt darin einen heruntergekommenen Schriftsteller, der sich einredet,
er habe die Menschen wie Puppen an seinen Schnüren. Und der
Kragen seines Ueberziehers ist immer aufgeschlagen; offenbar hat er
keinen Hemdkragen darunter. Aber eigentlich ist er der Gewaltige,
nur ist's ihm nicht der Mühe werth. Solche Rollen sind Herrn
Bassermann auf den Leib geschrieben.
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18. Der einsane Neg box 23/3
an einem Herzen, in dem sein eigenes Blut pocht. Aber er findet es
ihn beachten sollen. Und ebenso die
nicht. Alles, was er Felix über seinen verpönten Ursprung erzählt,
wisse, ewig unveränderliche Quadrille
rückt ihn dem Jüngling nur noch ferner, dieser klammert sich an den
in der früh eingelernten Reihenfolge
bisherigen Vater, der ihm der einzig Väterliche gewesen. Und Juliau,
der ganzen Welt die nämlichen sind.
der Ex=Glänzende, muß von dannen schleichen, den einsamen Weg.
st durch eine persönlich hochinteressante
Der andere Egoist, Herr v. Sala, hat eben noch die in Seltsam¬
n. Eine solche haben die Berliner
keiten hysterisirende Johanna, Felixens Schwester, erobert. Sie
Irene Triesch, die in Berlin
geht beglückt ... ins Wasser und ihr Eroberer, dem ohnehin ein
sie im modernen Spielplan alle die
Duell mit Felix (Offizier!) gebührt, der aber schwer herzleidend ist,
goßen und kleinen Problematischen mit
begeht stillen Selbstmord, was auch ein einsamer Weg ist. So ist
mmer regem Bühnenverstand darstellt.
die Tendenz des Schauspiels eine aufs ewig Menschliche gerichtete.
aber sie hat gerade das nicht, was
„Lieben heißt für jemand Anderen auf der Welt sein.“ Es ist ergreifend,
llen und so oft im Auslande gefunden
wie die beiden gealterten Selbstkünstler sich schließlich darüber be¬
Baumeister, Mitterwurzer und tutti
sprechen und dahinter kommen, was für gemeine Kerle sie eigentlich
che Reiz, der sich an den Zuschauer
zeitlebens gewesen. Natürlich in aller Korrektheit der von allen Kultur¬
physisch umspinnt, ihn von den
menschen anerkannten Formen. Und als überlegene Weltmänner,
Die Erscheinung gewinnt das Auge
1 die die Weltweisheit mit goldenen Löffeln gespeist haben. Die längst
e das Ohr. Man muß sich im
jenseits von Reue, Vorwurf und dergleichen Krämergefühlchen sind.
kthen, es sich einzureden versuchen. Das
Unverantwortliche Männer, deren Moral lautet, daß Jeder die Pflicht
idum von Vornehmheit, Verfeinerung,
habe, alles Gute und alles Schurkische zu begeben, das innerhalb
an sich hier unter weiblicher Anmuth
seiner Fähigkeiten liegt. Das Alles ist Menschlichkeit, unser Aller
nders heraus. Und das Ganze ist in ein
Erbtheil, das wir anzutreten haben, wir müssen uns „erbserklären“,
fnent getaucht, das gerade bei diesen
wenn wir nicht unter die Enterbten geworfen sein wollen ... Darum
nach überaus „arischen“ Seelen und
wird in diesem Stücke von dergleichen Dingen mit einer philosophischen
s stimmungswidrig und charakter¬
Ungenirtheit gesprochen, wie über irgendwelche zoologische oder ethno¬
ja hart, das auszusprechen, und der
graphische Thatsachen. Die Hauptszene des Stückes ist, wie der natür¬
ändnissen aus, aber wahr bleibt wahr:
liche Vater dem natürlichen Sohne in aller, schon förmlich physiolo¬
n'sche Weiblichkeit darf nicht mit jeder
gischen Ausführlichkeit das Liebesabenteuer mit seiner Mutter
Deutschland stört das weniger, weil
erzählt. Wie er sie heimlich gewonnen und dann schmählich verlassen,
as es ist. Bei uns domizilirt man es
so ganz von selbst, ein natürlicher Vorgang, ... und wie er sich
woes hingehört, und kann den ganzen
nie glücklicher und freier gefühlt, als nach seiner Flucht, da er dieser
Ebenso geht es hier Herrn Emanuel
Geliebten, die er doch geliebt, entronnen und von ihr nicht mehr ein¬
chen Schauspieler für trockene Sachen.
zuholen war. Da Vater und Sohn beide der „Welt“ angehören, sei
pielt, die diesen Beigeschmack nicht ver¬
ja gegen solche Aufrichtigkeit des Geständnisses nichts einzuwenden ...
Gesandten am Hofe Ludwig's XIV., der
Nun, darin hat sich der Dichter verrechnet. Es gibt denn doch Pro¬
ich salomonischen Politik gelten dürfte.
bleme, die sich nicht so rein mathematisch ausrechnen lassen. So ein junger
Künstler würden in einem Wiener
Offizier, dem Jemand über seine angebetete Mutter solche empörende
z anders, das heißt nach ihrer Eigenart
Enthüllungen machen wird, dürfte dem sauberen (allzu menschlichen)
echt gut thun.
Herrn, der sich für seinen natürlichen Vater ausgibt, energisch den
sah man zum ersten Male Arthur
Mund stopfen: „Sie gemeiner Kerl, ich will nichts hören! Ich mag
Schauspiel: „Der einsame Weg“.
ihre Konfidenzen nicht! Meine Mutter ist mir heilig und Sie lügen,
der Beifall reichlich. Wesentlicher ist
daß Sie mein Vater sind.“ (Ich empfehle dieses ausgezeichnete Motiv
gein aufmerksamen Publikums in das
einem Nachfolger Schnitzler's.) Eventuell wird er ihm sogar ein paar
in der That anstrengende Stück, das
jugendliche Ohrfeigen versetzen. Wenn sich jener Herr seiner Vater¬
d an die Aufnahmsfähigkeit Ansprüche
schaft blos erinnert, um an einer Frau, die ihn einst beglückte, solche
bequeme Menge diese Zumuthung, sich
haarsträubende Indiskretionen zu begehen, und zwar angesichts ihres
oder weniger ausartende Absichten zu
Sohnes, so ist das schon unqualifizirbar, er ächtet sich selbst. Jeder
wiesen. Sie ist jetzt besser erzogen und
gewöhnliche Gentleman ist in solchem Falle zur absoluten Diskretion
venn sie ein Dichter ins Vertrauen zieht.
verpflichtet; in französischen Stücken gibt er sogar sein Ehrenwort
dem gesprochen wird, ist der Weg, den
auf die Lüge und büßt es dann, oder auch nicht. Und hier erzählt der
es in ihren Alter gehen. Zwei solche
Herr Papa dem Sohne, um ihn zu gewinnen (!), was ihn unver¬
llt, der brillante Maler Julian und der
meidlich abstoßen muß und auch wirklich abstößt.
mmt nach Jahren genialer Zigeunerei
Das ist die Klippe, an der das Stück doch nicht vorbeikam.
Felix, der als Sohn eines braven
Nicht in Berlin und nicht in Wien. Bei aller geistreichen Sorgfalt,
der Paternität anerkennen zu lassen.
selt, nun möchte er ein warmes Plätzchen] mit der bei Schnitzler solche Dinge geführt und gefügt sind. die
Seelen förmlich zu Charpie zerzupft, die Verhältnisse und Sachlagen
gedreht und gewendet und beleuchtet und präparirt, bis diese Mög¬
lichkeit scheinbar unvermeidlich herauskommt — bei all der Analyse
und Synthese bleibt die Situation unmöglich. So weit können
„Die beiden Klingsberg“ nicht Kriegskameraden der Galanterie
spielen. Im Leben kommt man nicht so dahinter, als angesichts der
beiden Männer von Fleisch und Bein, die ja auch Blut und Nerven
haben müssen. Und nun spielte auch noch Herr Reicher den
Vater und trug diese aufregende, aufwühlende Sache mit einer ver¬
ständigen Geschäftsmäßigkeit vor, die sie vollends unannehmbar
machte. Ohne die Spur eines fortreißenden Temperaments, eines
liebenswürdigen Teufelskerlthums, dem solche Siege und Geständnisse
allenfalls zuzutrauen wären, ohne einen Schatten jener unwider¬
stehlich sympathischen Mitterwurzerei, an die wir uns nur
allzu lebhaft noch erinnern. Und ebenso verstandesgemäß
spielte Frau Triesch die Johanna, dieses verfahrene
„fort“ ausdrückt,
Mädchen, dessen ganzes Wesen sich in dem Worte
bis sie schließlich aus dieser ganzen dummen Welt „fort“ geht. Auch
Johanna ist ein minutiös zubereitetes und dosirtes Wesen, dessen Ele¬
mente wie bei einem Rechenexempel stimmen. Auf dem Papiere
nämlich; auf der Bühne schon bedeutend weniger. Daß der Geliebte,
dem sie sich gibt, schwer herzleidend ist, gehört nothwendig dazu und
bedingt mit ihren nachträglichen Selbstmord. Sie kann es bei
Menschen nicht aushalten, die Mitleid bedürfen; schon ihrer Mutter
gegenüber, die im ersten Akt dem Tode entgegensieht, geht es ihr so.
Sie schlägt sogar Sala's Hand aus, die ihr angeboten wird, und stirbt
lieber. Es ist viel kunstvoll Gewolltes in diesen seelischen Arrange¬
ments, man hat den Eindruck von labyrinthischen Gefügen, in die man
von ungefähr einen Blick thun kann. Fast wäre weniger Logik er¬
wünschter, denn gerade daß Alles so vollkommen klappt und jede
seltsame Regung ihre ausdrücklichen Begründungsmomente hat, macht
den Eindruck von mechanischen Vorgängen, von einer Maschinerie,
hinter der ein dichterischer Zweckmensch steht. Ein Genuß war es, Herrn
Bassermann als Herrn v. Sala zu sehen. Dieser ausgezeichnete
Charakterdarsteller, heute einer der ersten in Deutschland, hat zwar
einen etwas engen Umkreis, in diesem aber ist er ein Meister. Das
sind säuerliche, bitterliche, skeptische, dekadente, mit allen Salben ge¬
schmierte und dem Verkommen verfallene Charaktere. Die Tragik
Derer, für die kein Kraut mehr gewachsen ist, bringt er mit absicht¬
lich knapp gefaßten Mitteln, in lapidarischen Andeutungen, und mit
einer lokal berlinischen Manier von sympathischer Pikanterie zur
Anschauung. Etwas von „Jarde“ und etwas Sentiment dazu, das
man aber zu verstecken trachtet, und Alles nur so mit dem Rande
der Lippen, aber innerlich ein Abgrund von Ausgehöhltheit, über die
nichts hinwegtröstet. Verzweiflung und Haltung, als Elemente einer
eigenen Art von Ironie.
Noch in einem anderen Schnitzler'schen Stücke, dem Einakter.
„Der Puppenspieler“, ist Herr Bassermann dieser feine Meister. Er
gibt darin einen heruntergekommenen Schriftsteller, der sich einredet,
er habe die Menschen wie Puppen an seinen Schnüren. Und der
Kragen seines Ueberziehers ist immer aufgeschlagen; offenbar hat er
keinen Hemdkragen darunter. Aber eigentlich ist er der Gewaltige,
nur ist's ihm nicht der Mühe werth. Solche Rollen sind Herrn
Bassermann auf den Leib geschrieben.