II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 348

18. Der einsane Meg box 23/3
unnittelbarste Gegenwart gleich als
(Besonders wenn die Erinnerung, der Hauch der Ver¬
zu schmecken. Herr v. Sala ist ei
gangenheit über ihre Seelen streist.) Eine maßlose Traurig¬
samkeit. Man kann sich denken, wie
Met Feuikleton.
keit lastet. Einigemale scheint es, als ob irgendwelche
den einsamen Weg betritt, den schli
Leidenschaft — die Liebe, der Zorn, eine überhitzte Reue
müssen.
Gastspiel des Herliner Lessing-Theaters.
dieses melancholische Psalmodieren mit kräftigecen
Das ist natürlich nur ein kärgl
Tönen unterbrechen wollten. Aber nein. Die Leiden¬
[„Der einsame Weg“ von Arthur Schnitzler.)
goldenen, wenn auch ein bißchen st
schaften bleiben komprimiert, ihre Mechanik ist eingerostet
Die Schnitzler'schen Helden sind gerne Schriftsteller,
kenntnisschatz dieses „einsamen Weg
oder die Federn zerbrochen, ehe sie noch zum Auf¬
Literaten. Der Verdacht lag nahe, daß der Dichter dem
mehr darin, und anderes, und viel
schnellen kamen.
Dunstkreis seines Metiers nicht entschlüpfen könne. Aber
teil. Es gibt mancherlei Blicke in
Es ist nicht zu leugnen, daß dies alles sehr traurig
vielleicht ist der Grund, warum die Schnitzler'sche
Zwischen den Menschen fließt ein
stimmt. Nun freilich, das Leben ist bös und das Sterben
Literatur so gern um Literatenschicksale sich bemüht, ein
die Hände darüber, aber kaum ihre
bitter. Wer kein Trottel ist, ist ein Schuft; und wer
anderer: die Menschen dieser Literatur sind fast durch¬
einander; und eventuell fällt dab
kein Schuft ist, ist ein Trottel. Der Altruismus führt in
aus Erkenntnis=Theoretiker, Ich=Psychologen, Schick¬
andere ins Wasser. Das Schicksal
die Lächerlichkeit, der Egoismus in die Einsamkeit. So
sals=Versteher; sie haben eine Gewandtheit der
Eisläufer die seltsamsten Achterkur
lange man genügend Innenwärme hat, heizt man sich
Selbst=Analyse und eine Begabung des Ausdrucks,
ineinanderschlingen. Beziehungen
wäre sie nicht ganz
aus Eigenem ein. Wenn man ausgekühlt ist, möchte man
die ganz künstlich wäre
los, gehen unterirdisch weiter und
gern an fremden Temperaturen naschen; und eines
natürlich. Natürlich, weil es eben Literaten sind;
raschend wieder ans Tageslicht.
dieser bequementransportablen Gefühls=Oefchen aufstellen, in
also Menschen, die es gewohnt, in ihren eigenen Tiefen
poetisch. Parallelen gehen neben
deren Nähe einealternde Seele aufs Frieren vergißt: Kindes¬
(oder was sie hiefür halten) herumzustochern; deren
schmerzlich erkennen, daß sie sich ers
liebe par exemple. Oder: Treue, Freundschaft. Ein Kind
Sprache durch das bißchen Affektiertheit und die Neigung,
schneiden. Das Leben dampft wie ein
aber gehört damit noch lange nicht dir, daß du seine
zu Apergus zu gerinnen, eine Art dialektische Echthei.
von Liebe, Entsagung, Pflicht, Kunst
physiologische Voraussetzung besorgtest. „Vater“ das ist
bekommt; denen der einfache Ausdruck sich unwillkürlic
betäubt die einen und kitzelt angen
ein Rang, zu dem man erst nach vieljähriger, opfervoller,
zwischen den Lippen, zum schönen Ausdruck dreht. Bei
anderen. Sieger werden besiegt,
liebereicher Sorge um des Kindes Gedeihen avanciert
anderen Menschen, die so sicher in die eigenen Kom¬
reißen, zarte erweisen sich stark wie
Aber leider: Wenn man das Kind hat, braucht man's nicht.
pliziertheiten untertauchten und so gute Worte herauf¬
und Sühne erscheinen, ein kultiviert
Und wenu man's dann braucht, hat man es nicht mehr.
brächten, müßte man allerlei Zweifel hegen. Man würde
Eswird viel gezweifelt; aber
So ist das Leben ja überhaupt; ein immerwährendes:
sagen: ihre Rede ist mit dem Brenneisen gekräuselt.
delikat. Auch das Schrille hat bei
„zu spät“ oder „zu früh“. Nichts kommt rechtzeitig;
Sind's aber Literaten, so glaubt man in Gottesnamen
Melodie.
aber einiges kommt gewiß. Zum Beispiel: der Tod.
gerne an natürliche Locken. In kurzem: Die Schnitzler'schen
Die Liebe der Johanna zu H
Und für den Egoisten noch eines: die große Einsamkeit.
Menschen sind als Dichter am wahrscheinlichsten, am
die zartesten und innigsten Augenbl
„Egoist“, das st keine moralische Qualifizierung sondern
möglichsten.
bringt des Gegenstück zu diesen u
eine ästhetische. Der potenzierte Egoist, der alles gierig
Welch erstaunliche Klarheit haben die Leute in
Platzen überfütterten Egoismen,
Einsaugende, sich immer Bereichernde, fortwährend an,
diesem „Einsamen Weg“. Ich meine natürlich eine sub¬
Betreuen der eigenen Not, zu diese
um, in, mit sich Beschäftigte, das ist vor allem: der
jektive Klarheit: Klarheit über die eigene Unklarheit.
Gourmandisen. Die Einsamen der K#
Künstler. Ihn ganz besonders schluckt die große Einsam¬
Keiner macht sich ein Bliml=Blaml vor“. Jeder kennt
Kümmernisse mit einer wahrhaft ar#
keit. Und wenn er so viel Geist, so viel höhere Mathe¬
sich in seinen psychischen Inwendigkeiten so gut aus, wie
man hat das Gefühl, daß sie
matik, so viel Geruchssinn für das Unabwendbare besitzt,
in seinen sonstigen Taschen. Jeder hat eine Generalstabs¬
Traurigkeiten hergeben würden.
wie Herr v. Sala, so wird er eines tun: sich trainieren.
karte der eigenen Seele mit. Jeder hat einen bewunderns¬
unliterarischer sind die Frauen in
Sich auf die Einsamkeit vorbereiten. Ist nicht überhaupt
werten Flair für das Unabwendbare, riecht sein kommendes
allem Johanna. Hier versteckt siche
das des Lebens höchste Wissenschaft: Plötzlichkeiten in
Schicksal, wie man kommenden Regen riecht. Jeder spürt
Geistigkeiten, und die Sehnsucht n
Allmählichkeiten zu verwandeln? Herr v. Sala übt die
seine Beschränkung, seinen Muß, seine Logik. Die Kämpfe
nicht sterlisiert durch die allzu
Kunst des Sich=Distanzierens. Er hängt sein Herz mehr
liegen hinter diesen Menschen. Jetzt ist ihre Tätig¬
Pflicht gegen sich selbst. „Willst Di
als an Menschen an Dinge (von denen erwartet man
keit nur mehr: müde Abwehr=Bewegungen, ein resig¬
Baktrien?“ fragt er, „als meine I
keinen Gegendienst, und kann nie durch dessen Ausbleiben
niertes Alles=Verstehen, ein wehmütiges Lächeln
weiß, daß die Reise anderswo
enttäuscht werden); die traurige Not des Alters, dieses:
über dereinstige Kämpfe, ein gelassenes Sich=Fügen.
Baktrien, lächelt selig und geht w
in Erinnerungen leben müssen, schreckt ihn nicht, weil er,
Es sind abgeblühte oder im Keime zertretene Menschen.
als Künstler, nicht nur das Talent hat, Erinnerung mit schenkt ihm für die letzte Sp
Die letzteren sagen: Ach!, und dann liegen sie da;
ersteren machen eine Art Musik: sie rascheln herbstlich. Gegenwarts=Stärke auszukosten, sondern auch jenes, diel eine außerordentliche Erinnerung