II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 364

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18. Derein
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wandeln, allein mit den bohrenden und nagenden Gedanken an ein verlorenes
Heimat= und Familienglück, erschauernd vor der unendlichen Einsamkeit!
Julian Fichtner, der Maler, hat vor dreiundzwanzig Jahren die Frau
Professor Wegrath als Mädchen verführt. Es war ein kurzer Liebesrausch. Statt,
wie beschlossen, gemeinsam zu fliehen, verläßt Fichtner im egoistischen Drange
nach Freiheit und Liebesgenuß die Geliebte.
Professor Wegrath, ein Studiengenosse Fichtners, heiratet sie. „Felix, das
Kind der Liebe, und Johanna, die Tochter Wegraths, wachsen heran. Nach drei¬
undzwanzig Jahren kehrt Fichtner, der Weltenbummler, heim. Müde, übersättigt
vom Lebensgenuß, ein Halbzermürbter. Als letzte Hoffnung der Liebe, als Ge¬
fährten für das hereinbrechende Alter, reklamiert er Felix, den Sohn. In einer
meisterhaft geführten Szene beichtet er dem Sohne, was ihn seinerzeit dazu trieb,
die Geliebte zu verlassen. Ln Felix will er sühnen, für ihn den Rest des Lebens
leben. Der Junge versteht ihn nicht, kann ihn nicht verstehen. Ihm ist er ein
Fremder — einer, den er kaum kennt, den er sich in dem Verhältnis Vater gar
nicht denken kann. Er stößt ihn zurück. Der Alte begreift entsetzt, erschauert —
und wird den einsamen Weg wandeln.
Der zweite „Einsam“ im Stücke ist der Dichter Stephan von Sala. Er
ist ein Lebenslang=Einsamer, der in allem und jedem nur sich selber wiederfindet,
zu Welt und Menschen kein Verhältnis faßt, der die herrlichsten Träume, die
Emanationen seines Selbst scheu vor der Außenwelt unter vollendeter Maske verbirgt.
Sala ist herzkrank, ein Todgeweihter, der sein Schicksal kennt. Er liebt Johanna.
Mit der tiefinnerlichsten Liebe solcher Naturen. Sie erwidert diese Liebe, obwohl
sie weiß, daß er dem Tode verfallen ist. In einer zweiten herrlichen Szene er¬
folgt das Geständnis dieser Liebe, um die schon schwarze Todesflügel flattern.
Jeder will den anderen schonen, keiner dem anderen zeigen, daß er die traurige
Wahrheit kenmt. Und um den Geliebten nicht sterben sehen zu müssen, geht
Johanna in den tiefen Teich der Salaschen Villa. Auch Sala — bisher schon ein
Einsamer — wird noch den kurzen Weg bis zum Tode weiter einsam wandeln.
Um diese dünne Handlung hat der Dichter ein dichtes Netz feiner, bedeutender
und tiefer Worte geworfen, hohe Probleme ganz zart angedeutet, Charaktere in ein
eigentümliches Helldunkel gestellt. Wie ein Fluidum geht der Dialog hin und
her, ganze Strecken der Dichtung in Dämmer tauchend, um urplötzlich mit ein
paar Worten die ganze Bedeutung der Szene blitzartig zu erhellen. Die tiefe
Resignation und die Poesie des Abschiedes leuchten mit auserlesener Schönheit
aus dem Werke. Darin ist Schnitzler ein Meister, und Szenen wie die angedeuteten
sind ein Kriterion für den echten Dichter.
Die Aufführung des „Einsamen Weg“ entspricht nicht in allen Teilen der
hohen Vollendung der bisherigen Aufführungen. Gerade den großen Vorzug, den
daß sie nämlich ein vollendetes
man stets an den Berlinern gepriesen hat
Im Gegenteil: die einzelnen
Ensemble seien —, spürt man hier weniger.
großen und bedeutenden Individualitäten wirken so mächtig und hervorragend, daß
daneben die unzulänglichen Besetzungen anderer Rollen um so mehr auffallen.
Es wird mehr nebeneinander als ineinander gespielt. Nur in der feinen
Abtönung einzelner Szenen und dem besonderen Herausarbeiten der Hauptmomente
der Dichtung bekundet sich der künstlerische Geist Brahms.
Wieder überragt Bassermann als Sala alle anderen durch die ganz einzige
Art, wie er die subtilsten Seelenregungen in seinem beredten Gesichte spiegeln
läßt. Ein Blick, eine flüchtige Geste sagt oft mehr als Hunderte Worte. Und
für das Melancholische, Todgeweihte der Figur findet er erschütternde Züge. Die
gewichtige Rolle des Julian vergriff Herr Reicher völlig. Nicht der geringste
Gefühlston war zu hören. Auf diese Weise, wird die spät erwachte Sehnsucht
des Vaters nach seinem Kinde wenig glaubhaft. Eine Prachtleistung bot Frau
Else Lehmann als alternde Schauspielerin, gute Charakterzeichnungen Herr Sauer
als Professor Wegrath und Herr Marr als Arzt. Mit der undankbaren Rolle
der Johanna wußte Frau Triesch nicht viel anzufangen. Die wichtige Rolle des
jungen Wegrath war unzulänglich besetzt.
Man bekam eine Vorstellung, welch eine Prachtaufführung des Burgtheaters
der „Einsame Weg“ hätte werden können. Und es ist traurig, daß unser bedeu¬
tendster Dichter nach Berlin gehen muß, um seine bodenständigen Stücke auf¬
F. R.
geführt zu sehen.
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