II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 363

box 23/3
18. Der einsane Neg
513
ganz einzigartig die innersten Geheimnisse Mozartscher Melodik enthüllt werden,
wie zum Beispiel in der Gartenarie der Susanne.
Die Ensemblesätze verdienen das höchste Lob, namentlich das erste Finale
des „Figaro“, diese Perle der Gattung.
In „Don Juan“ vermißt man wohl zeitweilig den großen Zug im musi¬
kalischen Teil, doch ist dies durch die Unzulänglichkeit unserer jetzigen Künstler für
derlei Partien bedingt, an denen die Erinnerung an die ganze ruhmreiche Ver¬
gangenheit unserer Hofoper haftet.
Köstliche Blüten Mozartscher Kunst bot uns Mahler dagegen in „Cosi fan
tutte“ und in der „Entführung". Ungetrübt durch häßliche Flecken der Szene,
konnte sich der musikalische Teil um so freier entfalten.
Mit den Elementen „Jugend und Liebe“ ist diese Musik gesättigt; die
Liebe im Mummenschanz, als loses Spiel graziöser Schelmerei, und die tiefe,
echte Neigung des liebenden Jünglings zu seiner Konstanze bilden den Abglanz
dieser Partituren. Hier war die höchste Vollendung! Szene, Musik, Orchester und
Künstler zu einer Leistung von wunderbarer Einheitlichkeit vereint.
Rthl.
Es wären Ehrenabende für unsere Hofoper.
L#r
Dom Theater.
Gesamtgastspiel des Berliner „Lessing=Theaters“ am Theater a. d. Wien: „Der
einsame Weg.“ Schauspiel in fünf Akten von Arthur Schnitzler.—
Arthur Schnitzler ist der geborene Novellist. Der feinste und stillste, allem
artistischen Getriebe abgeneigte Dichter, den Wien besitzt, hat gerade in seinen
wenigen Novellen den Beweis seiner Künstlerschaft am überzeugendsten erbracht. Die
wundersam verklärte Todesstimmung, die über „Sterben“ lagert, die bald tief¬
schmerzlichen, bald leidenschaftlichen erregten Stimmungen seiner Menschen in dem
Novellenbande: „Die Frau des Waisen“, und die tiefschürfende Seelenstudie der
„Frau Berta Garlan“ zeigen am reinsten die eigenartigen Züge Schnitzlerscher
Kunst. Abstammung, Milieu, Herkunft dieser Menschen sind bei Schnitzler sekun¬
däre Elemente, ihre Beziehungen zu wenigen anderen Menschen und ihr Stand¬
punkt dem unerbittlichen Leben gegenüber das Wichtige, Hauptsächliche. Man
müßte nun meinen, daß eine solche Kunst, die sich aus lauter Innerlichkeiten, aus
Seelenbeichten gegenüber sich selbst und gegenüber anderen zusammensetzt, ungeeignet
für die groben und starken Wirkungen der Bühne wäre. Und doch hat gerade mit
seinen dramatischen Arbeiten Schnitzler Ruf und Namen errungen!
Der Grund für diese Merkwürdigkeit liegt hauptsächlich in dem prächtigen
Dialog Schnitzlers, der in seiner Weichheit und Feinheit so recht das Wienerische
seines Wesens zur Geltung bringt, Menschen mit ein paar Strichen zeichnet
und hinter dem gesprochenen grobsinnlichen Wort die feinen, seelischen Vibrationen
ahnen läßt. Diesen Dialog hat Schnitzler in seinen letzten Stücken zu einer
Meisterschaft entwickelt, die die beziehungsreichen Innerlichkeiten der Menschen
— Ersatz für die Dürftigkeit
bloßlegt und einen — wenn auch nicht vollwertigen
des Geschehens bietet. Der stark novellistische Zug läßt sich eben in keinem
seiner Stücke vermissen.
Von solcher Art ist der „Einsame Weg“. Kein Bühnenstück, noch weniger
ein Theaterstück im gewöhnlichen Sinne. Feine, dramatisierte Szenen und Dialoge
zwischen Menschen, die sämtlich eine Schuld an das Leben haben, wenn sie auch
jahrelang zurückliegt. Denn das Leben ist grausam und unerbittlich. Für die
berauschend schönen Stunden und Tage, die man unbedenklich in der Jugend ge¬
nossen, rächt es sich im Alter und zwingt einen, den „einsamen Weg“ zu
ein Beifallssturm durch den Saal, lebhafte Zustimmung hatte bisher die herzens¬
warme, kräftige Melodie von Prades Worten akkompagniert, nun löste sie sich
auf in das furiso fortissimo der Menge, in dem das sehnsuchtsvolle Minister¬
motiv verhallte.