II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 443

W
18. Der einsaneg
usschnitt aus:
Interessantes Blatt, Wien
om:
Bis
Vom Theatet.
„Burgtheater. Schnitzlers Schauspiel „Der
einsame Weg“ ist vor zehn Jähren entstanden und
murde den Wienorn van Brahm aus Borlin sorpiert
Es verschwand mit den Berliner Gästen, so daß seine ¬
jetzige Aufnahme in das Repertoire des Burgtheaters
den Eindruck einer Premiere machte. Die Bühnenwir¬
kung blieb auch diesmal aus. Der Beifall galt dem
Dichter und den Darstellern, nicht dem Stücke, dessen
seingetönte Szenenbilder im grellen Bühnenlichte ver¬
blaßten. Die Menschen auf dem einsamen Weg ver¬
tragen nicht das große geräuschvolle Theaterpublikum,
mit ihnen muß man sich allein auseinandersetzen, ihren
Stimmungen und Lebensregungen liebevoll nachgehen,
um sie verstehen zu können. Auf der Bühne
erscheinen sie zu unwirklich. Das Schauspiel
ist eben eine in Dialogform gehaltene
Novelle voll zarten Empfindens und weicher
Sinnigkeit, welche die beste Darstellung
vergröbern muß. Der Tod von drei Per¬
sonen des Stückes bringt bei der geringen
Zahl der Mitspielenden eine Tragik herein,
welche die Bezeichnung Schauspiel illusorisch
macht. Die beiden Hauptmomente in Schnitz¬
lers Schaffen, die Liebe und der Tod in
ihrer lebenweckenden und vernichtenden
Wechselwirkung, sind auch im einsamen Weg
die dynamischen Kräfte. In der liebevollen
Inszenierung, den prachtvollen Einzelleistun¬
gen der Darsteller war die Liebe zu er¬
kennen, welche das Burgtheater dem Dichter
und dem Werke entgegenbrachte. Hervor¬
zuheben ist Elsa Wohlgemuth als
Johanna und Harry Walden als Herr
von Sela, ferner Frau Bleibtren in
einer wirksamen Nebenrolle. Der Dichter
konnte mehrmals für den ehrlichen Beifall
danken.
I
box 23/4
Husschnitt ausßayerische Staatszeitung
München
vom: Sgert
B
Wiener Theaterwoche
Eine bedeutsame Theaterwoche hat die Kunstwelt Wiens in
Atem gehalten. Nicht weniger als vier Bühnensensationen hat
diese letzte Faschingswoche gebracht.
Da gab es zunächst am Burgtheater Schnitzlers Komödie
„Dereinsame Weg“. Es mutet sonderlich an, daß diese durch¬
aus wienerische Komödie hier in der Heimatstadt des Dichters
zehn Jahre nach ihrem Entstehen noch als Neuheit gelten kann.
Sie ist so alt, daß sie von jedem der drei letzten Burgtheater¬
direktoxen Burckhardt, Schlenther und Baron Berger hätte auf¬
geführt werden können. Allein jeder dieser drei hat es geflissent¬
lich vermieden, den „Einsamen Weg“ in den Spielplan aufzu¬
nehmen, denn keiner von ihnen hat die Schwächen dieses Stückes
verkannt. Wenn die Komödie trotzdem auch in Wien nicht mehr
unbekannt war, so ist dies dem Umstande zuzuschreiben, daß sie vor
ein paar Jahren von Brahms und seinem Lessingtheater gelegent¬
lich eines Gastspieles hier aufgeführt worden ist. Nun aber hat die
gegenwärtige Burgtheaterleitung, offenkundig in dem Bestreben,
in jedem neuen Jahre einen neuen Schnitzler zu bringen, auch den
„Einsamen Weg aufgeführt und damit dem Spielplan des Burg¬
theaters das zehnte Werk von Schnitzler einverleibt. Die ersten
neun haben bis zur Premiere des zehnten zusammen 193 Auf¬
führungen erlebt und Schnitzler zu dem weitaus meistgespielten
modernen Burgtheaterautor gemacht.
„Der einsame Weg“ ist das Drama der Trostlosigkeit. Es soll
dartun, wie einsam wir eigentlich alle sind. Alternde, die ein
reiches Leben voll Freude hinter sich haben, werden schließlich von
aller Welt verlassen, bleiben allein. Eltern verlieren ihre Kinder
durch schwere Schicksalsschläge. Kinder verlieren ihre Eltern, weil
diese sie nicht genug verstehen oder weil sich herausstellt, daß der,
zu dem sie bisher Vater“ sagten, gar nicht ihr Vater ist.
Kurzum: Vom Leben ist,
wenn man Schnitzler glau¬
ben win, nichts zu hoffen. Es steckt voller Trostlosigkeit. — Trüb¬
sinn trieft hier von allen Zimmerwänden und kein befreiendes
Lachen ertönt. Dieses Stück ist bei seiner Berliner Premiere rück¬
sichtslos verlacht worden. Bei uns freilich hat es einen ansehn¬
lichen Erfolg errungen. Da aber das Premierenpublikum nur zur
ersten Aufführung geht, wird die gesündere Meinung des ührigen
Theaterpublikums schon dafür Sorge tragen, daß der „Einsame
Weg“ nicht allzuoft im Repertoire erscheint.
Leen