W
18. Dereinsan8
box 23/5
„Tatsache in Antennints gelasen worden. —
vertraut dies in ihrer letzten Krantheit dem Arztes ?
an, der neben seinem Berufe auch als Beichtvater
wirken muß. Dann die Tochter, die sich in Traum¬
gesichtern in einer längst vergangenen Zeit sieht,
über deren Seelenleben ein mystischer Schleier ge¬ in
breitet ist, die den Wunsch hat, seelische Erregungen in
auszukosten. Der Sohn, der erst nach dem Todesm
seiner Mutter erfährt, daß Julian Fichtner seins#
Vater ist, ist sympathisch gezeichnet; denn er stellt
sich nicht zu dem, der zufällig sein Vater ist, sondern #
zu Wegrath, dem er sein ganzes Sein, seinen Lebens/!
beruf und seine innere Tüchtigkeit verdankt. Julian
Fichtner hat damals vor 23 Jahren die Frau schnö¬
de verlassen, um seine Freiheit nicht zu verlieren,
hat erst 10 Jahre später erfahren, daß Felir sein
Sohn ist. Erst jetzt empfindet er späte Liebe zu sei¬
nem Kinde, will es von der Familie losreißer
sieht sich aber in seinen Hoffnungen getäuscht; auch
sein Sehnen ist unstilllar. In der ansprechenden Ge¬
stalt des Herrn von Sala kann Schnitzler seinen
ärztlichen Beruf nicht verleugnen, denn er stattet ihn
mit einem Herzleiden und der Ahnung des baldigen
Todes aus. Das Stück das vielleicht eine Warnung
vor unerfüllbaren Wünschen bedeuten soll, ist ein
geschickt gemachtes Theaterstück, kein Drama im hö¬
heren Sinne des Wortes. Der Dichter verdreht die
besten Lebensgrundsätze. Er stellt das Familie¬
verhältnis so hin, daß der Mann bloß der Erhalter
ist, ohne Einblick in das Seelenleben, ohne Anteil
an dem körperlichen Dasein seiner Kinder zu haben.
Dabei mangelt dem Stücke Zartheit der Empfin¬
dung. Der echte Muttertrieb der Schauspielerin wird
direkt lächerlich gemacht durch die Art, wie diese For¬
derung aufgestellt wird. Das Stück könnte ganz gut
den Nebentitel „Komödie der Worte“ tragen, denn
alle Empfindungen und Gedanken werden so bis
ins Detail besprochen, mit so viel Worten gewendet
und gedreht, bis endlich die freien Lebensanschau¬
ungen herausgedrechselt werden können. Die So¬
phistereien jagen einander, geistreich im guten Sinne
des Wortes kann man das Stück nicht nennen. Durch
solche Scha#spiele, die an die aus Frankreich her¬
übergekommenen Sitten= oder vielmehr Unsitten¬
stüche erinnern, kann die Schaubühne nicht als mo¬
ralische Anstalt wirken. Dadurch wird der Jugend,
die solche Stücke ebenso wenig zu sehen braucht wie
manche modernen Operetten mit ihren Anspielungen
und Pikanterien, der Geist einer nicht gut zu heißen¬
den Lebensanschauung aufgeprägt, sie wird gerade¬
zu für ein Herabsinken der allgemeinen Moral prä¬
pariert. Der Schluß des Stückes will ja eine ver¬
söhnende Haltung einnehmen durch die Worte Weg¬
rath's, daß er den Namen „Vater“ noch nie so innig
und überzeugend gehört, doch macht das nur mehr
wenig aus. Sudermanns Werke, die viel als frivol
verschrien wurden, sind noch lange nicht so arg wie
dieses Stück. Schönherrs „Weibsteufel“ wurde ver¬
boten trotz der Echtheit der behandelten Naturtriebe,
diese Mache aber geht unbeanständet über die Büh=
nen. — Die Darstellung trug übrigens nicht dazu¬
bei, das Werk zu heben. Das Tempo war schlep=4.
pend, erzeugte eine langweilige Stimmung, die we¬
nig zum Beifall herausforderte, der wohl auch mehr?
dem Dichter früherer guter, oder sagen wir, wenig¬
stens besserer Werke (denn an unsere ganz Großen
reicht er ja doch nicht heran) galt. Neben der guten
Charakterzeichnung der Herren Raul und Ro¬
den verfiel Herr Felda in den alten Fehler eines
gerührten Pathos, den er sich heuer schon ziesnlich
abgewöhnt hatte. Herr Lichtenberg zeichnete die
Gestalt des Felix sympathisch, doch war er wieder
zeitweise unverständlich, ein Fehler, den auch Fräu¬
lein Lassing nicht meiden kann. Flüstern darf
man nicht bei der Unruhe, die in unserem Theater
bei Aktbeginn herrscht. Als Spielleiter machte sich
Herr Felda durch ansprechende Szenenbilder und
gute Gruppenstellung verdient.
Tbaat-uf
18. Dereinsan8
box 23/5
„Tatsache in Antennints gelasen worden. —
vertraut dies in ihrer letzten Krantheit dem Arztes ?
an, der neben seinem Berufe auch als Beichtvater
wirken muß. Dann die Tochter, die sich in Traum¬
gesichtern in einer längst vergangenen Zeit sieht,
über deren Seelenleben ein mystischer Schleier ge¬ in
breitet ist, die den Wunsch hat, seelische Erregungen in
auszukosten. Der Sohn, der erst nach dem Todesm
seiner Mutter erfährt, daß Julian Fichtner seins#
Vater ist, ist sympathisch gezeichnet; denn er stellt
sich nicht zu dem, der zufällig sein Vater ist, sondern #
zu Wegrath, dem er sein ganzes Sein, seinen Lebens/!
beruf und seine innere Tüchtigkeit verdankt. Julian
Fichtner hat damals vor 23 Jahren die Frau schnö¬
de verlassen, um seine Freiheit nicht zu verlieren,
hat erst 10 Jahre später erfahren, daß Felir sein
Sohn ist. Erst jetzt empfindet er späte Liebe zu sei¬
nem Kinde, will es von der Familie losreißer
sieht sich aber in seinen Hoffnungen getäuscht; auch
sein Sehnen ist unstilllar. In der ansprechenden Ge¬
stalt des Herrn von Sala kann Schnitzler seinen
ärztlichen Beruf nicht verleugnen, denn er stattet ihn
mit einem Herzleiden und der Ahnung des baldigen
Todes aus. Das Stück das vielleicht eine Warnung
vor unerfüllbaren Wünschen bedeuten soll, ist ein
geschickt gemachtes Theaterstück, kein Drama im hö¬
heren Sinne des Wortes. Der Dichter verdreht die
besten Lebensgrundsätze. Er stellt das Familie¬
verhältnis so hin, daß der Mann bloß der Erhalter
ist, ohne Einblick in das Seelenleben, ohne Anteil
an dem körperlichen Dasein seiner Kinder zu haben.
Dabei mangelt dem Stücke Zartheit der Empfin¬
dung. Der echte Muttertrieb der Schauspielerin wird
direkt lächerlich gemacht durch die Art, wie diese For¬
derung aufgestellt wird. Das Stück könnte ganz gut
den Nebentitel „Komödie der Worte“ tragen, denn
alle Empfindungen und Gedanken werden so bis
ins Detail besprochen, mit so viel Worten gewendet
und gedreht, bis endlich die freien Lebensanschau¬
ungen herausgedrechselt werden können. Die So¬
phistereien jagen einander, geistreich im guten Sinne
des Wortes kann man das Stück nicht nennen. Durch
solche Scha#spiele, die an die aus Frankreich her¬
übergekommenen Sitten= oder vielmehr Unsitten¬
stüche erinnern, kann die Schaubühne nicht als mo¬
ralische Anstalt wirken. Dadurch wird der Jugend,
die solche Stücke ebenso wenig zu sehen braucht wie
manche modernen Operetten mit ihren Anspielungen
und Pikanterien, der Geist einer nicht gut zu heißen¬
den Lebensanschauung aufgeprägt, sie wird gerade¬
zu für ein Herabsinken der allgemeinen Moral prä¬
pariert. Der Schluß des Stückes will ja eine ver¬
söhnende Haltung einnehmen durch die Worte Weg¬
rath's, daß er den Namen „Vater“ noch nie so innig
und überzeugend gehört, doch macht das nur mehr
wenig aus. Sudermanns Werke, die viel als frivol
verschrien wurden, sind noch lange nicht so arg wie
dieses Stück. Schönherrs „Weibsteufel“ wurde ver¬
boten trotz der Echtheit der behandelten Naturtriebe,
diese Mache aber geht unbeanständet über die Büh=
nen. — Die Darstellung trug übrigens nicht dazu¬
bei, das Werk zu heben. Das Tempo war schlep=4.
pend, erzeugte eine langweilige Stimmung, die we¬
nig zum Beifall herausforderte, der wohl auch mehr?
dem Dichter früherer guter, oder sagen wir, wenig¬
stens besserer Werke (denn an unsere ganz Großen
reicht er ja doch nicht heran) galt. Neben der guten
Charakterzeichnung der Herren Raul und Ro¬
den verfiel Herr Felda in den alten Fehler eines
gerührten Pathos, den er sich heuer schon ziesnlich
abgewöhnt hatte. Herr Lichtenberg zeichnete die
Gestalt des Felix sympathisch, doch war er wieder
zeitweise unverständlich, ein Fehler, den auch Fräu¬
lein Lassing nicht meiden kann. Flüstern darf
man nicht bei der Unruhe, die in unserem Theater
bei Aktbeginn herrscht. Als Spielleiter machte sich
Herr Felda durch ansprechende Szenenbilder und
gute Gruppenstellung verdient.
Tbaat-uf