II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 503

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18. Der n
Ausschnitt aus:
Theater-Couher, Bermn.
vom: 23.12.1915
München.
Das Theaterleben bietet hier im großen .Ganzen das gleiche
gewohnte Bild wie in Friedenszeiten. Besonders die Hofbühnen er¬
freuen sich eines guten Geschäftsganges, weshalb auch bei den Mit¬
gliedern Wünsche betreff Aufhebung der Gagenreduktion laut geworden
sind. Baron Franckenstein wird denselben, wenn die zu Anfang des
Krieges erlittene Einbuße hereingebracht und sich die Verhältnisse
weiterhin günstig gestalten, sicherlich nachkommen. Als Neuheit, die
viel Beifall fand, brachte das Kgl. Residenztheater das Zaktige Lust¬
spiel „Die seelige Erzellenz“ von Presber und Stein. Das Schauspielhaus
machte uns mit Walter Harlan's vieraktigem Schauspiel „Das Nürn¬
bergisch Ei“ bekannt, welches ebenfalls sehr gefiel. Im Gärtnertheater
sahen wir zum erstenmale Lehärs „Ideale Gattin“, die als Wohl¬
tätigkeitsvorstellung gegeben, ein dichtbesetztes Haus und einen glän¬
zenden Erfolg erzielte. Von den Kammerspielen ist eine Einstudie¬
rung des Schauspiels „Der einsame Weg“ von Schnitzler — die natür¬
lich eine verlorene Liebesmüh' bedeutete, zu melden und ein
interessanter Beweis für August Strindbergs stetig zunehmende Popu¬
larität — die 50. Aufführung von des Dichters „Kameraden“
Auch das Deutsche Theater ist seit langen wieder zur Schaubühne
—aus dem Variété geworden und beherbergt, nachdem die „Schlierseer“
und die Dengg=Truppe dort gastiert, gegenwärtig Konrad Dreher mit
eigenem Ensemble. Uraufführungen haben in den letzten Wochen
zwei hier stattgefunden, beide im Volkstheater. Josef Berger, ein
bewährtes Mitglied der Bühne, hat für dieselbe ein Kindermärchen¬
spiel „Wahrheitsmund und Lügenfrech“ geschrieben, das sich wie das
vorigjährige recht orginell humorvoll und unterhaltend erwies und
mit seiner gelungenen, abwechslungsreichen Handlung auch von Er¬
wachsenen ertragen werden kann. Ferner hob man dort einen musi¬
kalischen Schwank in einem Vorspiel und 2 Akten von Karl Frey
und Toni Thoms aus der Taufe, der sich „Der Dorf=Caruso betitelt
und einen Heiterkeitserfolg ersten Ranges erzielte. Das übermütige
Produkt läßt zuerst den beliebten Blick hinter die Kulissen tun, wo
der Herr Intendant vor dem Probesingen des adeligen Referendars
aufs Land entflieht und spielt dann vor dem Dorfwirtshaus zwischen
den Bergen, woselbst auch der stimmbegabte Sänger gelandet, auf
welchen nun eine überausulkige Hetzjagd beginnt, die in der schwülen
Sommernacht zu den tollsten Verwechslungen führt und hier vor
in der zwerchfellerschütternder Komik Weichands in der Rolle des für
den Stimmhelden gehaltenen Stallknechts ihren Höhepunkt hatte.
Thoms, der selbst den alles zu einem guten Ende deichselnden Thea¬
terdiener Leporello mimte, hat zu dem Schwank eine liebenswürdige
an wirksamen Liedern und Gstanzerln reiche Musik komponiert, die
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ihm allein schon überall eine gute Aufnahme sichert.
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Gerisches Hordmährerblatt, Olmütz
Deutsche Schaubühne.
„T. — „Der einsame Weg.“ So lautet der Titel
eistes fünfaltigen Schauspiels von Arthur Schnitz¬
ler, das Donnerstag als Neuheit im Stadttheater
gespielt wurde. Der Titel ist aus dem Inhalt be¬
greiflich und gut motiviert, denn alle Personen
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des Stückes gehen einsam durchs Leben; niemand
kennt recht das Seelenleben des anderen, da keiner|;
das Bedürfnis hiezu fühlt und jeder für sich un¬
erfüllbare Wünsche hegt. Da ist zunächst die Familie
Wegrath. Das Oberhaupt, Direktor einer Kunst=3
akademie, ein „Kunstbeamter“, der das Vergehen! S
seiner künstlerischen Hoffnungen betrauert, ist von
seiner Frau, die acht Tage vor der Hochzeit von g
einem anderen einen Sohn empfangen hat, über diese
„Tatsache in Unkenntnis gelassen worden. Die Frau
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vertraut dies in ihrer letzten Krankheit dem Arzte
an, der neben seinem Berufe auch als Beichtvater
wirken muß. Dann die Tochter, die sich in Traum¬
gesichtern in einer längst vergangenen Zeit sieht,
in
über deren Seelenleben ein mystischer Schleier ge¬
breitet ist, die den Wunsch hat, seelische Erregungen in
auszukosten. Der Sohn, der erst nach dem Todesm
seiner Mutter erfährt, daß Julian Fichtner seinsve
Vater ist, ist sympathisch gezeichnet; denn er stellt
sich nicht zu dem, der zufällig sein Vater ist, sondern “
zu Wegrath, dem er sein ganzes Sein, seinen Lebens/I
beruf und seine innere Tüchtigkeit verdankt. Juliat
Fichtner hat damals vor 23 Jahren die Frau schnö¬
de verlassen, um seine Freiheit nicht zu verlieren,
hat erst 10 Jahre später erfahren, daß Felix sein
Sohn ist. Erst jetzt empfindet er späte Liebe zu sei¬
nem Kinde, will es von der Familie losreißen,
sieht sich aber in seinen Hoffnungen getäuscht; auch
sein Sehnen ist unstillbar. In der ansprechenden Ge¬
stalt des Herrn von Sala kann Schnitzler seinen
ärztlichen Beruf nicht verleugnen, denn er stattet ihn
mit einem Herzleiden und der Ahnung des baldigen
Todes aus. Das Stück das vielleicht eine Warnung
vor unerfüllbaren Wünschen bedeuten soll, ist ein
geschickt gemachtes Theaterstück, kein Drama im hö¬
heren Sinne des Wortes. Der Dichter verdreht die
besten Lebensgrundsätze. Er stellt das Familien¬
verhältnis so hin, daß der Mann bloß der Erhalter
ist, ohne Einblick in das Seelenleben, ohne Anteil
an dem körperlichen Dasein seiner Kinder zu haben.
Dabei mangelt dem Stücke Zartheit der Empfin¬
dung. Der echte Muttertrieb der Schauspielerin wird
direkt lächerlich gemacht durch die Art, wie diese For¬
derung aufgestellt wird. Das Stück könnte ganz gut
den Nebentitel „Komödie der Worte“ tragen, denn
alle Empfindungen und Gedanken werden so bis
ins Detail besprochen, mit so viel Worten gewendet
und gedreht, bis endlich die freien Lebensanschau¬
ungen herausgedrechselt werden können. Die So¬
phistereien jagen einander, geistreich im guten Sinne
des Wortes kann man das Stück nicht nennen. Durch
solche Schauspiele, die an die aus Frankreich her¬
übergekommenen Sitten= oder vielmehr Unsitten¬
stüche erinnern, kann die Schaubühne nicht als mo¬
ralische Anstalt wirken. Dadurch wird der Jugend,
die solche Stücke ebenso wenig zu sehen braucht wie
manche modernen Operetten mit ihren Anspielungen
und Pikanterien, der Geist einer nicht gut zu heißen¬
den Lebensanschauung aufgeprägt, sie wird gerade¬
zu für ein Herabsinken der allgemeinen Moral prä¬
pariert. Der Schluß des Stückes will ja eine ver¬
söhnende Haltung einnehmen durch die Worte Weg¬