II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 559

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18. Der einsane Ven
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Münchener Neueste Nachrichten
Der einsame Weg
Schauspiel von Arthur Schnitzler
Erste Aufführung im Schäuspterballe
Jeder geht ihn auf seine Weise, ##en letzten
Schicksalsweg ins Dunkle. Der Schriftsteller
und gewesene Offizier Stephan von Sala will
ihn bewußt gehen, unbetrogen um die letzten
Gefühle; und er geht ihn schließlich freiwillig,
indem er mannhaft zugleich die Schuld zahlt, die
in reisem Mannesalter über ihn kam; die un¬
gewollte Schuld am Tode der jungen, schwär¬
merischen Johanna, die als Elfe auf Mond¬
inwiesen tanzt und sich in ein früheres Leben
ückträumt, da sie noch eine Prinzessin war.
eliebt die abenteuerlichen, durchs Leben irren¬
den Menschen, und sie wählt allzu früh den ein¬
samen Weg aus dem enttäuschten Leben, getrie¬
ben und schwebend getragen von der ersten
Leidenschaft zu einem todgeweihten Manne. Sie
geht davon mit Willen, ohne Abschied, geheim¬
nisvoll und fast unwirklich wie sie lebte.
Auch Gabriele Wegrath, die Mutter, stirbt
einsam, mit dem Geheimnis ihrer Jugendliebe
und der Herkunft ihres Sohnes. Zuruck bleibt,
fast noch einsamer als alle anderen, einsam durch
seine Ablehnung aller Familienpflicht, der fah¬
rige Künstler, der der Liebe entfloh und in der!
Stunde des späten Erkennens den jungen
Freund, der sein heimlicher Sohn ist, plötzlich
als entiremdeten Ankläger vor sich sieht.
Als Schnitzlers Stärke erweist sich auch in
diesem Stück der schmiegsam flüssige, gutge¬
prägte Dialog. Er leuchtet ohne Schwere in
manche feelische Tiefe und ist durchklungen von
stimmunggebenden, lyrischen Tönen, die nicht
Die
selten ins Sentimentale ausschlagen.
schwächste Szene, die #u eine überlegene Dar¬
stellung retten könnte, ist die Aussprache
zwischen Vater und Sohn um das Bildnis der
Mutter. Und da zeigte sich, daß der fesche, salon¬
fähige Egon von Jordan dieser Leutnants¬
rolle die letzte, überzeugende Erschütterung
schuldig blieb. Auch der bühnenerfahrene, oft
ausgezeichmiete Otto Stöckel ist für den einsam
alternden Künstlertypus, der irgend etwas Fas¬
zinierendes haben muß, unseres Erachtens nicht
recht geschaffen.
Ernst Bassermann machte die eigenartige
Gestalt des früheren Offiziers, der in den Sen¬
sationen großer Reisen einen unersättlichen
Lebenshunger über das Lebensvermögen seines
kranken Herzens hinaus befriedigen will, bis in
die klinischen Symptome naturwahr und
menschlich packend zum glühenden Mittelpunkt.
An seine Schulter lehnte Else Tiedemann zart¬
innig die romantische Hingebung einer welt¬
fremden und weltgierigen Mädchenseele. Else
Bassern.ann charakterisierte lebendig die leicht¬
verkitschte Schauspielerin, deren weiblicher In¬
stinkt den Verzicht auf die Mutterschaft zu spät:
betrauert. Seiner kleineren Rolle wußte Her¬
mann Nesselträger die ihr zukommende Sym¬
pathie zu gewinnen. Der Beifall war stark, be¬
sonders nach Bassermanns packender Abschieds¬
szene.
per.