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18. Der einsane Nen
Sen
nichts ahnenden Gatten, der nicht der Vater ihres sie wissen mit dem Herrn von Sala des „Ein= besetzter Ibsen sich trotz der Mitwirtung des gro¬
Sohnes ist, einer frühen Auflösung entgegensiecht;
Felix, der Sohn zwischen zwei Vätern; die Toch¬
samen Wegs“, daß „Stunden wie diese verleiteni ßen Gastes nicht regielos spielen, so ist eine gut
ter Johanna, die an der abgeschmackten Wirklich¬
zu Worten, die am nächsten Tage nicht mehr wahr besetzte Aufführung dieses Schnitzlerspiels vom
sind“; aber sie leben von diesen Stunden für diese
keit des Lehens zerbricht und in den Tod geht,
großen Vertreter der wichtigsten Rolle immerhin
Stunden, und immer wieder geben sie sich dem
ar
weil der Dichter, den sie liebt, sterben muß; der
bis zu einem gewissen Grad der Vollkommenheit
Rausch der Stunden hin mit Helene von Valois,
i. Dichter Stephan von Sala, dem Veranlagung,
zu leiten; auch liegt die Berliner Neueinstudie¬
Erfahrung und ein krankes Herz die Fähigkeit,
die den „Jungen Medardus“ liebte: „Heilige rung noch nicht so weit zurück, daß nicht der Geist
Stunde, losgelöste, einsame in der Zeit — du
Des
am Leben teilzunehmen, zerstört haben, und der
eines Spielleiters auch in der Münchner Auffüh¬
bist mein!“ Wenn der Rausch verweht, der Traum
das schon geöffnete Tor ins Nichtmehrsein frei¬
rung noch lebendig sein könnte. Der Eindruck 3
verblüht ist, bleibt Erinnerung, das einzig Wirk¬
er
willig durchschreitet; der Maler Julian Fichtner,
Ganzen war um so tiefer, als Albert Bassee¬
liche. Man kann an der Erinnerung sterben,
der die Geliebte einst verließ, sein Leben ver¬
mann mit dem Herrn von Sala zweifellos die
man kann auch mit ihr weiterleben, alles an ihr
zettelte und vom Sohn, da er sich ihm zu erken¬
bisher stärkste seiner Gastspielrollen vorführte. Im
vergleichen, alles schal finden, um freiwillig ein
nen gibt, verlassen wird;
die Schauspielerin
letzten Akt (es wurde die auf vier Akte verkürzte
Ende zu machen; denn sie wissen, die Einsamen,
Irene Herms, die dem Künstler gleichfalls Ge= mit dem Geliebten Beatricens, daß nur „das
Bearbeitung gespielt) erreichte der Künstler eine
liebte war und die nicht Mutter werden durfte
Werk“, das große Werk, zu dem sie nicht und nicht
Höhe, die in dieser Rolle nicht mehr zu überbietes
um ihres Berufes willen; der Arzt, der die Toch¬
mehr fähig sind, vom Fluch der ewigen Ver¬
ist; hier war sein Sala vollendete Verkörperung.
ter liebt und aller Schicksal sich vollenden sieht,
gänglichkeit zu erlösen vermag. Der einsame Weg
Er hatte hier die große Geste, die diesen selt¬
ohne helfen zu können; — sie alle gehen ihren
führt in den Tod, so oder so: „Gibt es einen an¬
samen Herrn erklärt und rechtfertigt; er hatte
einsamen Weg. Sie wissen um ihre und der an¬
ständigen Menschen, der in irgendeiner guten
hier den großen Ton des über den Höhen Wan¬
deren Einsamkeit, und dieses Wissen gibt ihnen
Stunde in tiefster Seele an etwas anderes denkt?“
delnden, der es sich leisten kann, sterbend noch
Abstand zu den Dingen, zu den Menschen und
Denen, „die über den Höhen des Lebens sind“,
nicht nur von Haltung, sondern auch noch von
zu sich selbst und schenkt die große, alles ver¬
ist der Weg vorgezeichnet: dazumal, als Schnitzler
Geist zu sein. Auch vordem wurde diese Geste
stehende Duldsamkeit und die große, alles durch¬
für die Einsamen das Wort ergriff, wie heute,
sichtbar, wurde dieser Ton hörbar, so in der
schauende Resignation. Sie sind dem Leben nur
wie stets. Wer das Schimmern seiner eigenen
grandiosen und von Bassermann grandios geform¬
durch ihre Vergangenheit, ihre Jugend verbun¬
Seele in den Vorgängen des Schnitzler=Theaters
ten Ansprache an Fichtner, so in der Liebesszene.
den, und die Jungen, die keine Vergangenheit
erkennt, läßt sich noch immer gern von seiner
haben, träumen von dem Leben, das sie vor Zei¬
In der Konversation jedoch fiel die Gestalt, ob¬
sanften Hand den stillen Weg durch das weite
ten in fernem Land und in anderer Gestalt ge¬
wohl Bassermanns Kunst der Dialogbehandlung
Land führen. Die Zeit=Stimmung freilich, aus
lebt haben. Sie hungern nach Leben, die Ein¬
wiederum in aller Köstlichkeit deutlich wurde, bis¬
der die weiland jungen Wiener das Schlaflied
samen, nach Gegenwart, und diese Gegenwart
weilen ins Bürgerliche ab, ins Un=Wienerische:
für Mirjam sangen, ist längst historisch geworden.
kann ihnen nichts sein, weil die an den Augenblick
eine dem Herrn von Sala völlig fremde Bon¬
Eine andere Generation führt das Wort, von der
gebundene Gegenwart in der nächsten Minute
homie und ein ihm womöglich noch fremderer
Schnitzler am Ende dieses Schauspiels erhoffe,
schon Gegenwart gewesen, Vergangenheit ist.
preußischer Ton verwischten in einigen nicht un¬
daß sie durch mehr Haltung und weniger Geist“ wichtigen Szenen die einzigartige Physiognomie
So bleiben ihnen in einem Lebensspiel, in dem
ausgezeichnet sein würde. Solche Hoffnung hat
Vergangenheit und Gegenwart ineinanderfließen,
dieses großartigen Vertreters einer Zeit und
allerdings getrogen; die neue Generation geht
alles undeutlich wird und die Hoffnung auf eine
eines Geschlechts. Für Bassermanns Neigung
ihren gewißlich nicht einsamen Weg ohne Haltung
Zukunft lächerlich und ekelhaft erscheint, so blei¬
zum Ueber=Pointieren (die an diesem Abend er¬
und ohne Geist.
ben ihnen, den allzu fein Empfindenden, nur jene
freulicherweise sich nur selten geltend machte) war
Von der Erstaufführung, die dem ein¬
seltenen und kurzen Stunden, die, vom Eros
eine Kleinigkeit charakteristisch: die zwischen Ernst
undzwanzig Jahre alten Schauspiel am Sams¬
übergoldet und gefüllt, allein ein Dasein erträg¬
und Ironie eine unnachahmlich Schnitzlersche
tag im Schauspielhause zuteil wurde, läßt sich als
lich werden lassen. Von diesen einsamen Stun¬
Mitte haltende Bemerkung „Es war gar nicht
von einer angenehmen Ueberraschung sprechen.
den leben die Schnitzler=Menschen (und
die
schlimm. Von den vierund zwanzig
Abermals wurde verzichtet auf die Bekanntgabe
Europäern sind immerhin acht zurückgekehrt“
Schnitzler=Werke); die Einsamen wissen mit dem einer Regie, die in jedem Fall durch den gro= wurde von Bassermann ins nur noch Komische
Fritz der „Liebeleik, daß „diese Stunden lügen“; ßen Gast bestimmt sein würde; nun, läßt ein fehl¬ verzerrt durch die Uebertreibung Von den vier
Peten
und vierzig Europäern“ usw.: das Publikum Johanna
lachte bereitwilligst. Doch konnten solche, wie ge= über die
sagt seltenen, Entgleisungen dem Gesamteindruck,
Mädchen
den diese Leistung tat, nichts nehmen. Um ihret¬
mann des
willen vergißt der kritische Beschauer gern frühere
gingt ihr
Enttäuschungen, die im übrigen keineswegs dem
dunkle St#
Gast allem zur Last zu buchen sind.
sich der M
Ist es für diesen kritischen Beschauer Freude, innern:
in München an die Leistung eines Schauspielers, mein Frä##
und sei es auch nur die eines Gastes, den ab= Stellen, a
soluten Maßstab anlegen zu können, so ist es für privaten
ihn Trost, eine Schauspielerin Elsa Tiede=vereitelte.
mann in München zu wissen. Ehedem schon Fräuleins
wurde an dieser Stelle gesagt, daß die Technik Wert, abe
der Schauspielerin Tiedemann einer Ausbildung lich für die
mann.
und Vollendung durch einen fähigen Regisseur
Auch d
noch entgegenharrt. Es ist auch sicherlich nicht von
zur Haupt
Vorteil für die Entwicklung dieser Tarstellerin,
raschte als
daß eine in ihrem Spiel bisweilen mit Natur¬
ner. Diese
notwendigkeit sich ei stellende technische Hilflosig¬
und Ton ü
keit menschlich rührenden, ja ergreisenden Eindruck
ber seiner
tut: der Klang ihrer Stimme ist von berückender
1 m
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18. Der einsane Nen
Sen
nichts ahnenden Gatten, der nicht der Vater ihres sie wissen mit dem Herrn von Sala des „Ein= besetzter Ibsen sich trotz der Mitwirtung des gro¬
Sohnes ist, einer frühen Auflösung entgegensiecht;
Felix, der Sohn zwischen zwei Vätern; die Toch¬
samen Wegs“, daß „Stunden wie diese verleiteni ßen Gastes nicht regielos spielen, so ist eine gut
ter Johanna, die an der abgeschmackten Wirklich¬
zu Worten, die am nächsten Tage nicht mehr wahr besetzte Aufführung dieses Schnitzlerspiels vom
sind“; aber sie leben von diesen Stunden für diese
keit des Lehens zerbricht und in den Tod geht,
großen Vertreter der wichtigsten Rolle immerhin
Stunden, und immer wieder geben sie sich dem
ar
weil der Dichter, den sie liebt, sterben muß; der
bis zu einem gewissen Grad der Vollkommenheit
Rausch der Stunden hin mit Helene von Valois,
i. Dichter Stephan von Sala, dem Veranlagung,
zu leiten; auch liegt die Berliner Neueinstudie¬
Erfahrung und ein krankes Herz die Fähigkeit,
die den „Jungen Medardus“ liebte: „Heilige rung noch nicht so weit zurück, daß nicht der Geist
Stunde, losgelöste, einsame in der Zeit — du
Des
am Leben teilzunehmen, zerstört haben, und der
eines Spielleiters auch in der Münchner Auffüh¬
bist mein!“ Wenn der Rausch verweht, der Traum
das schon geöffnete Tor ins Nichtmehrsein frei¬
rung noch lebendig sein könnte. Der Eindruck 3
verblüht ist, bleibt Erinnerung, das einzig Wirk¬
er
willig durchschreitet; der Maler Julian Fichtner,
Ganzen war um so tiefer, als Albert Bassee¬
liche. Man kann an der Erinnerung sterben,
der die Geliebte einst verließ, sein Leben ver¬
mann mit dem Herrn von Sala zweifellos die
man kann auch mit ihr weiterleben, alles an ihr
zettelte und vom Sohn, da er sich ihm zu erken¬
bisher stärkste seiner Gastspielrollen vorführte. Im
vergleichen, alles schal finden, um freiwillig ein
nen gibt, verlassen wird;
die Schauspielerin
letzten Akt (es wurde die auf vier Akte verkürzte
Ende zu machen; denn sie wissen, die Einsamen,
Irene Herms, die dem Künstler gleichfalls Ge= mit dem Geliebten Beatricens, daß nur „das
Bearbeitung gespielt) erreichte der Künstler eine
liebte war und die nicht Mutter werden durfte
Werk“, das große Werk, zu dem sie nicht und nicht
Höhe, die in dieser Rolle nicht mehr zu überbietes
um ihres Berufes willen; der Arzt, der die Toch¬
mehr fähig sind, vom Fluch der ewigen Ver¬
ist; hier war sein Sala vollendete Verkörperung.
ter liebt und aller Schicksal sich vollenden sieht,
gänglichkeit zu erlösen vermag. Der einsame Weg
Er hatte hier die große Geste, die diesen selt¬
ohne helfen zu können; — sie alle gehen ihren
führt in den Tod, so oder so: „Gibt es einen an¬
samen Herrn erklärt und rechtfertigt; er hatte
einsamen Weg. Sie wissen um ihre und der an¬
ständigen Menschen, der in irgendeiner guten
hier den großen Ton des über den Höhen Wan¬
deren Einsamkeit, und dieses Wissen gibt ihnen
Stunde in tiefster Seele an etwas anderes denkt?“
delnden, der es sich leisten kann, sterbend noch
Abstand zu den Dingen, zu den Menschen und
Denen, „die über den Höhen des Lebens sind“,
nicht nur von Haltung, sondern auch noch von
zu sich selbst und schenkt die große, alles ver¬
ist der Weg vorgezeichnet: dazumal, als Schnitzler
Geist zu sein. Auch vordem wurde diese Geste
stehende Duldsamkeit und die große, alles durch¬
für die Einsamen das Wort ergriff, wie heute,
sichtbar, wurde dieser Ton hörbar, so in der
schauende Resignation. Sie sind dem Leben nur
wie stets. Wer das Schimmern seiner eigenen
grandiosen und von Bassermann grandios geform¬
durch ihre Vergangenheit, ihre Jugend verbun¬
Seele in den Vorgängen des Schnitzler=Theaters
ten Ansprache an Fichtner, so in der Liebesszene.
den, und die Jungen, die keine Vergangenheit
erkennt, läßt sich noch immer gern von seiner
haben, träumen von dem Leben, das sie vor Zei¬
In der Konversation jedoch fiel die Gestalt, ob¬
sanften Hand den stillen Weg durch das weite
ten in fernem Land und in anderer Gestalt ge¬
wohl Bassermanns Kunst der Dialogbehandlung
Land führen. Die Zeit=Stimmung freilich, aus
lebt haben. Sie hungern nach Leben, die Ein¬
wiederum in aller Köstlichkeit deutlich wurde, bis¬
der die weiland jungen Wiener das Schlaflied
samen, nach Gegenwart, und diese Gegenwart
weilen ins Bürgerliche ab, ins Un=Wienerische:
für Mirjam sangen, ist längst historisch geworden.
kann ihnen nichts sein, weil die an den Augenblick
eine dem Herrn von Sala völlig fremde Bon¬
Eine andere Generation führt das Wort, von der
gebundene Gegenwart in der nächsten Minute
homie und ein ihm womöglich noch fremderer
Schnitzler am Ende dieses Schauspiels erhoffe,
schon Gegenwart gewesen, Vergangenheit ist.
preußischer Ton verwischten in einigen nicht un¬
daß sie durch mehr Haltung und weniger Geist“ wichtigen Szenen die einzigartige Physiognomie
So bleiben ihnen in einem Lebensspiel, in dem
ausgezeichnet sein würde. Solche Hoffnung hat
Vergangenheit und Gegenwart ineinanderfließen,
dieses großartigen Vertreters einer Zeit und
allerdings getrogen; die neue Generation geht
alles undeutlich wird und die Hoffnung auf eine
eines Geschlechts. Für Bassermanns Neigung
ihren gewißlich nicht einsamen Weg ohne Haltung
Zukunft lächerlich und ekelhaft erscheint, so blei¬
zum Ueber=Pointieren (die an diesem Abend er¬
und ohne Geist.
ben ihnen, den allzu fein Empfindenden, nur jene
freulicherweise sich nur selten geltend machte) war
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seltenen und kurzen Stunden, die, vom Eros
eine Kleinigkeit charakteristisch: die zwischen Ernst
undzwanzig Jahre alten Schauspiel am Sams¬
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und Ironie eine unnachahmlich Schnitzlersche
tag im Schauspielhause zuteil wurde, läßt sich als
lich werden lassen. Von diesen einsamen Stun¬
Mitte haltende Bemerkung „Es war gar nicht
von einer angenehmen Ueberraschung sprechen.
den leben die Schnitzler=Menschen (und
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schlimm. Von den vierund zwanzig
Abermals wurde verzichtet auf die Bekanntgabe
Europäern sind immerhin acht zurückgekehrt“
Schnitzler=Werke); die Einsamen wissen mit dem einer Regie, die in jedem Fall durch den gro= wurde von Bassermann ins nur noch Komische
Fritz der „Liebeleik, daß „diese Stunden lügen“; ßen Gast bestimmt sein würde; nun, läßt ein fehl¬ verzerrt durch die Uebertreibung Von den vier
Peten
und vierzig Europäern“ usw.: das Publikum Johanna
lachte bereitwilligst. Doch konnten solche, wie ge= über die
sagt seltenen, Entgleisungen dem Gesamteindruck,
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den diese Leistung tat, nichts nehmen. Um ihret¬
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willen vergißt der kritische Beschauer gern frühere
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in München an die Leistung eines Schauspielers, mein Frä##
und sei es auch nur die eines Gastes, den ab= Stellen, a
soluten Maßstab anlegen zu können, so ist es für privaten
ihn Trost, eine Schauspielerin Elsa Tiede=vereitelte.
mann in München zu wissen. Ehedem schon Fräuleins
wurde an dieser Stelle gesagt, daß die Technik Wert, abe
der Schauspielerin Tiedemann einer Ausbildung lich für die
mann.
und Vollendung durch einen fähigen Regisseur
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noch entgegenharrt. Es ist auch sicherlich nicht von
zur Haupt
Vorteil für die Entwicklung dieser Tarstellerin,
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daß eine in ihrem Spiel bisweilen mit Natur¬
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keit menschlich rührenden, ja ergreisenden Eindruck
ber seiner
tut: der Klang ihrer Stimme ist von berückender