II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 601

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18 Der einsane Neg
Stägtineater
G. namale
„Der einsame Weg“ von Arthur Schnitzler.
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Uraufführung.
„Volksblatt“, Halle, 19. A. 25.
Ein echter Schnitzler: Zwei Generationen schfleiden sich,
Katastrophenstimmung bei lächelnden Mienen, gedämpfter Zusam¬
menbruch, Erlösungsformel. Die Menschen lieben sich, glauben,
hoffen; sie wiegen sich in ein eingebildetes Glück; aber im Grunde
ist doch sehr tiefeinsam. Bej allem, was die Menschen dieses
reizvollen Seelendramas miteinander verband, ziehen sie doch ihre
einsamen Wege. Zwei Dramen laufen parallel: Johanna und Stephan
von Sala, Felix und Julian Fichtner. Die einen kehren in den Tod,
die anderen in ihr eigenes Leben zurück. Es hätte aber auch eben¬
sogut umgekehrt sein können; das Leben ist eine Bridge-Partie.
Die feine, nadelspitze Spöttelei, die Ironie Schnitzlers hebt eigent¬
lich den Wert des gesprochenen Wortes schon wieder auf, das nur
noch den Sinn zu besitzen scheint, die heillos verfahrene Sache
und alles ist verfahren, verwirrt — dialektisch zu irgendeinem
annehmbaren Ende zu bringen. Ein praktischer Mensch mit Wirk¬
lichkeitssinn könnte gut und gern toll werden; er steht vor einem
Rätsel; denn hier wird an das grausame Wunder der tragischen
Einzelseele gerührt, die eine Schwestersecle auf dem Gewissen
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hat. Man steht auf der Erde, mitten im Getümmel, aber die Stille
um einen ist so groß, daß man den Gang des Uranus hört.
In solcher umnerklärbaren Atmosphäre seltsamster Gestalten und
Beziehungen sieht der perplexe Auditor die spielerisch durch¬
einandergewirbelten Wesen hic. in und dorthin mit Interesse, aber
ohne Bedauern zichen.
Kaum je in einem Stück decken sich so vollkommen Wesen
und Wort wie inn diesem. Ein Streichkonzert, in dem ein paar
Saiten springen. Die österreichische Gesellschaft zu Beginn des
Jahrhunderts, die extensive Schnitzlersche Kompositionsart, die süße
Herbstschwere zwischen Hecken und Bächen in zierlichen Parks,
fordert einen tönend-impressionistischen Inszenterungsstil. Alfred
Durra traf ihn, ohne herkömmlich zu wirken, wenn auch ange¬
sichts der reichlichen Dreistundendauer der Premiere die Freude
nicht mehr ungetrübt war. Die hinsterbende Frau Gabriele, die
in einem Vierteljahrhundert Ehe ein Kind großzog, dessen Erzeuger
der Studienkamerad des Ehemannes war, spielte Halka Heller
distanziert, verhalten und innerlich. Die somnambultsche Johan¬
na war, selbstverständlich, an Luise Sessing gekommen, die
sie pastellen durch vier Akte führte. Sehr in ihrem Element, einer
beweglichen, dramatisch akzentuierten Sentimentalität schien Vilma
Dülfer, die mit der abgetakelten lIrene Herms m. W. ihre beste
Leistung gab. Von etwas zu statuarischer Distanziertheit, doch
vollendet in seiner Art war Stephan von Sala, der für Freundschaften
und Lieben unbegabte ästhetische Nomade, in dem Alfred Haller
eiskühl und gelassen ruhte, Fast den einzigen unkünstlerischen
Typ. einen Kunstakademiedirektor, hatte Walter Raupach darzu¬
stellen; er fand einen wohlgefällig-bürgerlichen Ton. Den sym¬
pathischsten Mann des Abends, Felix Wegrath, der weiß, worauf
es ankommt, steigerte Fritz Hensel bis zu dem Glaubensbekenntnis
im Arm des Vaters. Franz Klebusch als Dr. Neumann, Beicht¬
vater, Verbindungsoffizier, kraft seines Temperaments zur Sittsam¬
keit verurteilt, oblag eine gemessene Dialogkunst. Eine Dissonanz
im Gesamtwerk war Fritz Günzels Fichtner; eine Rolle ohne
Gesicht; durch äußerliche Aufregung drapierte völlige inere Un¬
sicherheit. Immerhin hatte er einige glückliche Augenblicke, so,
als er sich anschickte, seinem ahnungslosen Sohne das Jugend¬
bildnis der Geliebten, dessen Mutter zu zeigen, wie er die Mappe
hob, wie er sie öffnete.
Das unrealistische Spiel forderte keine lauten Aeußerungen.
Wie aus Beklemmung schüchtern, langsam aber lebendiger werdend,
W. Sch.
scholl der Beifall herauf.
Walhallatheater
Halle
„Der fröhliche Weinberg“ von Zuckmager.
Erstaufführung.
uallo a. K. 3. 5. 26.