II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 600

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18. Der einsane Neg
Hallische Nachrichten

19 Uhr tase.

Trecht weiß, ob sie aufrichtig oder ironisch gemeint sind: tale a. D. mit wienerisch munterem Zungenschlag —
„Es scheint mir überhaupt, daß jetzt wieder ein besseres
das war ein wirkliches Ensemble. Nur Fritz Günzel
Stadttheater.
Geschlecht heranwächst — mehr Haltung und weniger
ging dabei in der Auffassung und Gestaltung des
Arthur Schnitzler: „Der einsame Weg.“
Geist.“ —
Julian Fichtner, der ausgebrannten Künstlerseele,
Ist es nicht sonderbar? Seit Jahrzehnten weiß
Doch bleiben wir bei dem Stück. Es könnte ebenso
seinen einsamen Weg, auf dem ich ihm, dem oft Be¬
man nachgerade, daß Arthur Schnitzler kein Dramatiker
gut „Einsame Menschen“ heißen, wenn Hauptmann
währten, diesmal — wohl zum ersten Male —
ist.
Daß er, ein kluger Sinnierer und Freund der
diesen Titel nicht vorweggenommen hätte. Eine Mutter
keiner Weise zu folgen vermochte Es muß ein Nach¬
seinen Nüancen, der stillen Regungen und leisen
stirbt — einsam, trotz langer, scheinbar glücklicher Ehe,
glanz der einstigen Bedeutung und Dämonie dieses
Uebergänge, meist anders will als die Bühne. Und
denn sie konnte den Jugendgeliebten nicht vergessen. Menschen, dessen Leben lange „wie in einem Rausch
doch kehren seine Stücke auf dieser nach wie vor wieder!
Der geht seinen Weg — einsam, denn als er sich nach
von Zärtlichkeit und Leidenschaft, ja von Macht“ dahin¬
(Nicht nur die „Liebelei“ oder gar der „Reigen“.) Jahzen seines Sohnes erinnert und ihm die Arme
floß, auch nach seiner Wiederkehr in den alten Be¬
Woran liegt das? Daran, daß wir fühlen (oder auch entgegenbreiten will, wendet sich dieser ab: zu spät.
kanntenkreis noch um ihn sein. Wo war der zu
manchmal nur ahnen) er hat uns auf seine Art doch Und so fast alle andern. Ein Mädchen geht ins Wasser,
merken? Statt dessen wehte es wie aus dem Philistert
noch einiges mehr zu sagen, als manch andere, die weil sie dem Geliebten — wie er ihr — nicht folgen
her. Es muß ein Rest der hemmungslosen
das ganze Rüstzeug der geborenen Theatermänner mit= kann. Dieser aber, gesegnet mit allen Gütern des
mit der er einst das Leben genoß, in seine
bringen? Wir spüren seine Schwächen, seine Hand¬
Lebens und reich an Geist, ist der einsamste von allen:
Treiben sichtbar bleiben, um ihm Glaub
lungsarmut, die ihn zum Raisonnement verführt, seine
weil er sich selbst von jeder Gemeinschaft schied. „Wer
Sympathie zu sichern. Günzel gestalte
dekadente Kkaselosigkeit möchten wohl seinem Pegasus
kümmert sich denn überhaupt um die anderen?“ Und
zu schwer und zu bewußt. Auch im S
gelegentlich selbst die Sporen in die Weichen rennen,
es ist „wahrscheinlich gut so, sonst würden wir alle toll
selbst da, wo nur ein schlicht=natürlich
und vergessen dies alles dann doch wieder vor der über¬
vor Mitleid oder Ekel oder Angst.“ Nur am Ende
ton in Frage kommen kann, das häuf
legenen Kunst, mit der er ihn reitet, vor dem Zauber,
Sätze?
wirkt es wie ein leiser Trost: als sich zwei der Uebrig¬
„Ob sich — nicht all das -
mit dem er uns bannt: als einer jener, die aus dem
würde?“
gebliebenen die Hände reichen und in ihren Worten
„Wenn ich ihn schon — für imn
stillen Zwischenland kommen, über dem Traum und
ein Ahnen von der Verbundenheit mitschwingt, die
lieren muß.“ — Gern sei demgegenüber die gel
Dämmerung geistern, wo die Grenzen zwischen Wirk¬
trotz allem und allem zwischen Menschen sein kann.
Aussprache mit dem wiedergefundenen Sohn
lichem und dichterisch Geschautem ineinander über¬
Von der Verbundenheit, die ihnen freilich auch nur als
dem verschwiegenen Geständnis seiner Vaterscha
fließen, wo die Wissenden leise reden, nicht nur, weil
Preis unausgesetzten (und so oft versäumten) Ringens
den einzigen Ausruf „Felix!“ (am Ende des
darum zufällt
ihnen — „früh gereift und zart und traurig“ — vor
Aktes) anerkannt. Im einzelnen sei noch hinzu
dem Lärm graut, sondern auch, weil sie instinktiv
Wie ein Kammermusikwerk klingt das auf. Und
daß Frau Dülfer gut tun würde, von der Grenz
fühlen: Und das Wissen ist der Tod.
ähnlich zog es am Sonnabend abend auch vorüber,
Komischen noch um einige Zentimeter abzurücken
Freilich: ganz so wie vor der durch den Krieg
leise, verhalten, con sordino. Ein Vorzug der Regie
— eine Aeußerlichkeit — daß Herr Haller am Schl
horaufbeschworenen Zeitenwende erliegen wir ihm
Alfred Durras. Man spürte seinen unsichtbaren
besser in Schwarz mit Zylinder käme, wie dies Albert
heute nicht mehr. Wir gehen seinen oder seiner Ge¬
Taktstock. Alfred Haller als sehr soignierter, in jeder Bassermann in richtiger Einschätzung auch solcher
stalten „einsamen Weg“ noch einmal mit, quittieren
Sttuation weltmännisch überlegener, tiesinnerlich skep¬
Nebenmomente tut.
bankbar die gewonnenen Erkenntnisse, dann aber biegen
tisch Herr von Sala, Walter Raupach als typischer
Die Bühnenbilder von Heinz Behrens beson¬
wir db: Kinder eiter anderen Zeit als dieser Dichter Akademiedirektor, mehr Beamter als Künstler, tnimer
ders das Zimmer im dritten Akt. verrieten wieder Stil
einer müden Epoche und Schicht, die sich allzu gern in aber von sympathischer Wärme, Fritz Hensel als der
und Geschmack, bis auf den unmöglichen Teich, in dem
feelische Schattenreiche verlor und ihrer Melancholte in allem Empfindungswirrwarr beherrschte unglückliche
sich die Todgeweihte auch nicht nur bespiegeln dars.
und Skepsis nachgab. Wir braüchen den Tag und die
Sohn zweier Väter, Franz Klebusch als Arzt und
Das Publikum folgte den Dialogen aufmerksam trotz
Tat. Wußte Schnitzler von dieser Wende? Gegen das mitfühlender Menschenfreund, Luise Sessing als
dreistündiger Dauer, und hielt zum Schluß auch mit
Ende seines Stückes hin legt er seinem „Helden“ die zarte, vom Reif der Enttäuschung zermürbte Mädchen= dankbarem Befall nicht zurück.
Worte in den Mund, von denen man freilich auch nicht blüte, schließlich auch Vilma Dülfer als Sentimen¬
Walter Britting.