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18. Der einsane Nen
Telephon 12801.
älex. Weigls Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitto
„OBSERVER“
I. österr. bebördl. konz. Bureau für Zeitungsberichte u. Personaibachrichten
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Genf, London, New-Vork,
Paris, Rom, Mailand, Stockholm, Christiania, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewahr.)
Ausschnitt aus:
a Hevue de Paris
vom. ce Gn
Le dernier drame de SCHNITZLER,
La woie solitaire, joué & Peiers“
bourg par une troupe allemande,
est évidemment la meilleure cuvre
du jeune auteur viennois. 11 y
donne une peinture frappante, vi¬
vante, d’une société mourante et
dissolue, d’une Société qui a re¬
noncé aux espoirs d’autrefois et
qui n’en a pas trouvé de nouveaux.
L'action se passe entre un pein¬
tre, un auteur dramatique, un mé¬
decin et un professeur, tous céle¬
bres, raffinés et de haute culture.
Pourtant on est frappé de l'absence
d’intérêt, de but, qui rend leur vie
indifférente, et qui fait que ces
hommes, capables de grandes cho¬
ses, ne les peuvent accomplir.
Theater und Musik.
Deutsches Theater.
Der einsame Weg. Schauspiel in 5 Akten von
791
Mit all der Sorgfalt und
Sich
on ihr gewöhnt ist, hat die
rührige Direktion dieses unerquickliche Stück des
geistreichelnden Wiener Pocten in Szene gesert.
Ein unerquickliches Stück. Ein Schulbeispiel dafür,
wie ein mühsam zusammengetragener Stoff, sobald
man ihn in der Richtung eines alles erschopfenden
Beweises bewegen will, unter den Händen seines
Bildners zerflattern muß. Der Grundgedanke des
Ganzen, daß jeder von uns im letzten Sinne seinen
Lebensweg einsam zurücklegt, daß keiner über die
Grenzen der Konvention hinaus zu dauernder Ver¬
bindung einen Weggenossen in Freud und Leid sein
eigen nennt, ist sicherlich hochdramatisch. Er wurde
auch in seinen Wirkungen ergreifend sein, wenn
Schnitzler sich weise durauf beschränkt hätte, an
eimem Schicksal die allgemeine Gültigkeit
dieser tragischen Tatjache nachzuweisen. Daß er alle
seine Geschopfe zu Faktoren seines Rechenexempels
konstruiert hat, führt zu einer ermüdenden Mono¬
tonie.
Aber auch gegen andere Grundgesetze der Dra¬
matik noch wird arg gesündigt. Johanna, die un¬
möglich Ibsensche Tochter des wackern Professors
Wegrath ahnt den Tod der Mutter, wie sie als Kind
schon der Freundin Tod geahnt hat. Felix, ihr Bru¬
der, ahnt, daß er die Frucht eines unerlaubten Ver¬
hältnisses seiner Mutter mit Julian Fichtner, dem
berühmten Künstler, ist. Stephan von Sala, der
herzkranke Lebenskünstler, ahnt, daß Johanna im
Teich ihren Tod gesucht hat. Frene, Fichtners ein¬
stige Geliebte endlich, abnt, daß er dem jungen Fe¬
lix das Leben geschenkt hat. Und alle diese Ahnun¬
gen sind, obwahl mit einer nairsten Nonchalance be¬
gründet, die Triebfedern, ohne deren Drängen di
Handlung gar nicht vom Fleck kommen würde. Uel
dies —
alles, was zu packender Anschaulich
eit ge
tet werden mußte, wird zu einem Geschehnis hin¬
uerereengrunen
ter der Szene herabgedrückt. So kann es geschehen,
daß drei Menschen im Laufe der Begebenheiten mit
dem Tode abgehen, ohne daß wir im mindesten da¬
von erschüttert werden. Dabei haben sich die Dar¬
steller mit anerkennenswertem Eifer und schönem
Können bemüht, die gesprächigen — ach! zu gesprä¬
chigen Puppen Schnirlers zu Menschen umzufor¬
men. Die Herren freilich erwiesen sich auch dies¬
mal als das stärkere Geschlecht. Allen voran er¬
freute Paul Paschen durch eine schlichte Natür¬
lichkeit in Ton und Geste und Julius Str
emann hob wenigstens bisweilen den rücksichts
Egoisten sans phrase, Julian Fichtner, durch
Gefühlsnote aus dem widerlichen Dunst
Selbstgerechtigkeit. Auch Franz Schönem
wurde seinem Felix im allgemeinen gerecht, ob
eine leichte Neigung zur Deklamation häufig die
Wirkung seines frischen Spiels beeinträchtigte. Daß
Richard Schlaghamer dem Herrn von Sala
in Maske und Gehaben Züge des Intriganten und
Bösewichts gab, soll ihm nicht weiter verargt werden.
da es wirtlich kaum möglich ist, die verschwommenen
Umrisse dieses Romanhelden getreu nachzuziehen.
Der unglücklich liebende Arzt allerdings war bei
FritzSchilffer nicht in sehr glücklichen Händen.
Bei eventuellen Wiederholungen wird er es vermei¬
den müssen, mit einem verbindlichen Lächeln sich
von den Leuten zu verabschieden, die in Todesangst
um Johanna sind.
Angelina Gurlitt steigerte die Unnatur
dieser Rolle ins Unerträgliche. Das ist umso schmerz¬
licher, als sie einige schöne Momente hatte,
denen sich ihre Begabung vorteilhaft verriet.
scheint viel mehr in dieser Künstlerin zu stecken, als
sie bisher zu zeigen vermag. Der scharf geschnittene
Kopf besitzt eine bedeutende Ausdrucksfähigkeit, von
der aber ein viel zu reichlicher Gebrauch gemacht
wird. Insbesondere wären die sprunghaften und
unschönen Verzerrungen des Mundes zu vermeiden.
Gertrud de Lalsky war als Irene Herms ein
wenig zu laut, befriedigte ####er ganz in der gewalt¬
sam konstruierten Klageszeue über ihr versäumtes
Kühling, die den Vorzug
Mutterglück. E
hatte, als Gabriele schon nach dem ersten Akt vom
einsamen Wieg abbiegen zu dürfen, erwies sich wie¬
derum als eine verstandige und maßvolle Schau¬
I. III
spielerin.
18. Der einsane Nen
Telephon 12801.
älex. Weigls Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitto
„OBSERVER“
I. österr. bebördl. konz. Bureau für Zeitungsberichte u. Personaibachrichten
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Genf, London, New-Vork,
Paris, Rom, Mailand, Stockholm, Christiania, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewahr.)
Ausschnitt aus:
a Hevue de Paris
vom. ce Gn
Le dernier drame de SCHNITZLER,
La woie solitaire, joué & Peiers“
bourg par une troupe allemande,
est évidemment la meilleure cuvre
du jeune auteur viennois. 11 y
donne une peinture frappante, vi¬
vante, d’une société mourante et
dissolue, d’une Société qui a re¬
noncé aux espoirs d’autrefois et
qui n’en a pas trouvé de nouveaux.
L'action se passe entre un pein¬
tre, un auteur dramatique, un mé¬
decin et un professeur, tous céle¬
bres, raffinés et de haute culture.
Pourtant on est frappé de l'absence
d’intérêt, de but, qui rend leur vie
indifférente, et qui fait que ces
hommes, capables de grandes cho¬
ses, ne les peuvent accomplir.
Theater und Musik.
Deutsches Theater.
Der einsame Weg. Schauspiel in 5 Akten von
791
Mit all der Sorgfalt und
Sich
on ihr gewöhnt ist, hat die
rührige Direktion dieses unerquickliche Stück des
geistreichelnden Wiener Pocten in Szene gesert.
Ein unerquickliches Stück. Ein Schulbeispiel dafür,
wie ein mühsam zusammengetragener Stoff, sobald
man ihn in der Richtung eines alles erschopfenden
Beweises bewegen will, unter den Händen seines
Bildners zerflattern muß. Der Grundgedanke des
Ganzen, daß jeder von uns im letzten Sinne seinen
Lebensweg einsam zurücklegt, daß keiner über die
Grenzen der Konvention hinaus zu dauernder Ver¬
bindung einen Weggenossen in Freud und Leid sein
eigen nennt, ist sicherlich hochdramatisch. Er wurde
auch in seinen Wirkungen ergreifend sein, wenn
Schnitzler sich weise durauf beschränkt hätte, an
eimem Schicksal die allgemeine Gültigkeit
dieser tragischen Tatjache nachzuweisen. Daß er alle
seine Geschopfe zu Faktoren seines Rechenexempels
konstruiert hat, führt zu einer ermüdenden Mono¬
tonie.
Aber auch gegen andere Grundgesetze der Dra¬
matik noch wird arg gesündigt. Johanna, die un¬
möglich Ibsensche Tochter des wackern Professors
Wegrath ahnt den Tod der Mutter, wie sie als Kind
schon der Freundin Tod geahnt hat. Felix, ihr Bru¬
der, ahnt, daß er die Frucht eines unerlaubten Ver¬
hältnisses seiner Mutter mit Julian Fichtner, dem
berühmten Künstler, ist. Stephan von Sala, der
herzkranke Lebenskünstler, ahnt, daß Johanna im
Teich ihren Tod gesucht hat. Frene, Fichtners ein¬
stige Geliebte endlich, abnt, daß er dem jungen Fe¬
lix das Leben geschenkt hat. Und alle diese Ahnun¬
gen sind, obwahl mit einer nairsten Nonchalance be¬
gründet, die Triebfedern, ohne deren Drängen di
Handlung gar nicht vom Fleck kommen würde. Uel
dies —
alles, was zu packender Anschaulich
eit ge
tet werden mußte, wird zu einem Geschehnis hin¬
uerereengrunen
ter der Szene herabgedrückt. So kann es geschehen,
daß drei Menschen im Laufe der Begebenheiten mit
dem Tode abgehen, ohne daß wir im mindesten da¬
von erschüttert werden. Dabei haben sich die Dar¬
steller mit anerkennenswertem Eifer und schönem
Können bemüht, die gesprächigen — ach! zu gesprä¬
chigen Puppen Schnirlers zu Menschen umzufor¬
men. Die Herren freilich erwiesen sich auch dies¬
mal als das stärkere Geschlecht. Allen voran er¬
freute Paul Paschen durch eine schlichte Natür¬
lichkeit in Ton und Geste und Julius Str
emann hob wenigstens bisweilen den rücksichts
Egoisten sans phrase, Julian Fichtner, durch
Gefühlsnote aus dem widerlichen Dunst
Selbstgerechtigkeit. Auch Franz Schönem
wurde seinem Felix im allgemeinen gerecht, ob
eine leichte Neigung zur Deklamation häufig die
Wirkung seines frischen Spiels beeinträchtigte. Daß
Richard Schlaghamer dem Herrn von Sala
in Maske und Gehaben Züge des Intriganten und
Bösewichts gab, soll ihm nicht weiter verargt werden.
da es wirtlich kaum möglich ist, die verschwommenen
Umrisse dieses Romanhelden getreu nachzuziehen.
Der unglücklich liebende Arzt allerdings war bei
FritzSchilffer nicht in sehr glücklichen Händen.
Bei eventuellen Wiederholungen wird er es vermei¬
den müssen, mit einem verbindlichen Lächeln sich
von den Leuten zu verabschieden, die in Todesangst
um Johanna sind.
Angelina Gurlitt steigerte die Unnatur
dieser Rolle ins Unerträgliche. Das ist umso schmerz¬
licher, als sie einige schöne Momente hatte,
denen sich ihre Begabung vorteilhaft verriet.
scheint viel mehr in dieser Künstlerin zu stecken, als
sie bisher zu zeigen vermag. Der scharf geschnittene
Kopf besitzt eine bedeutende Ausdrucksfähigkeit, von
der aber ein viel zu reichlicher Gebrauch gemacht
wird. Insbesondere wären die sprunghaften und
unschönen Verzerrungen des Mundes zu vermeiden.
Gertrud de Lalsky war als Irene Herms ein
wenig zu laut, befriedigte ####er ganz in der gewalt¬
sam konstruierten Klageszeue über ihr versäumtes
Kühling, die den Vorzug
Mutterglück. E
hatte, als Gabriele schon nach dem ersten Akt vom
einsamen Wieg abbiegen zu dürfen, erwies sich wie¬
derum als eine verstandige und maßvolle Schau¬
I. III
spielerin.