II, Theaterstücke 17, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 0), Marionetten. Drei Einakter, Seite 3


Ueber=Abend. den der fünfzigsten Vorstellung; es war
bei diesem Anlaß natürlich überfüllt und Herr von
Wolzogen konnte sich den Ueberlorbeer auf die
Ueber=Locken drücken. Zur Feier des Tages wurde
uns ein Ueber=Programm geboten, das beinahe lns —
übermorgen währte!.
Als ich den Saal betrat, hörte ich gerade die letzten
Sätze einer kleinen Ansprache, weiche der Urber¬
Director an das Publikum richtete. Er dankte für die
außerordentliche Theilnahme, welche man seinem Unter¬
nehmen entgegengebracht habe und gab seiner Frende
darüber Ausdruck, daß es ihm gelengen sei. „in die inelusif
5 norddeutsche Schwerfälligkeit ein wenig Bresche zu
Für
Porto
s0legen“. Aber Herr v. Wolzogen, gar so schwerfällig Zahlba
20 sind wir wirklich niche, und das „Ueberbrett'!“ — im Vora
50 bumbum — ist schließlich keine künstlerische That —
,100 bumbum — sonsern eine gefällige Nachahmung des itte ists
I „Chat noir“ un der „Roulotte“. „So is et!“ — wie steht es
Abonne schwerfällign Berliner sagen.
lern.
Außer dem was allabendlich im „Ueberbrett'!“
Abonner zum Vortrag gelangt, hörten wir gestern mancherlei
athaltend
Neuess. Olpa Wohlbrück, unsere kleine „diseuse“,
Morg
Isprach, das bedicht „Das Reudrzvons“ von Paul mer Zeitü
Inhalt Heyse und Die Mädchen“ von Pank A#nost mit gstliche E
blüttfeinfühligster und liebenswürdigster Vortragskunst. Mittheilg
wodurd Ein Wie.ner Recitator, dessen Name uns leider bei
des ln der Ankünd ##ng entgangen ist. recitirte eine Böckliniade
werden von Arno Holz in einem unverfälschten Leopoldstadt¬
Dialect, welcher der Dichtung nicht gerade zu
Statten kam. Weit besser paßte diese Tonfärhung
zu dem
„Rabbi von Krotoschin“, mit welcher
Nummer der Gast Beifall und Heiterkeit erweckte.
Fräulein
Bozena
Bradsky;
Star
der
des „Ueberbrettl's“
zeigte wieder,
eine
wie
charmante, warmblütige, temperamentvolle Künstlerin
sie ist. Das von Bogumil Zepler sehr charat¬
teristisch in Musik gesetzte Lied „Der Königssohn“ von
Hugo Salus brachte sie mit einer köstlichen Satire
famos zur Geltung. Eine parodistische Glanzleistung
war auch ihr Vortrag der Nummer „Das Couplet“
von Maximilian Fuhrmann mit der
Musik von Otto Ehlers. Einen unend¬
lichen Charme wußte die reizvolle Künstlerin
in das mit Herrn Koppel gesungene Duett „Die
Haselnuß“ von Walther Paulus mit der Musik
von Oscar Strauß zu legen, das übrigens sehr
an eine gleichartige Darbietung der „Roulotte“ er¬
innerte. Zahlreiche Stimmen aus dem Publikum ver¬
langten nun den „Lustigen Ehemann“ und das Bier¬
baum=Strauß'sche Duett, daß in Berlin jetzt so sehr in
der Mode ist, mußte gleich zweimal gesungen werden. JIn¬
teressant war das persönliche erste Erscheinen des jungen
Dichters Hans Heinz Evers aus Düsseldorf,
der zwei seiner satirischen Fabeln mit großem Erfolg
selbst vortrug. In dem Gedicht „Der Minkäfer“ er¬
regte dabei ein Wörtchen Semation, das wohl noch
niemals auf einer Berliner Bühne so rund heraus
gesagt worden ist, aber mit Vorliebe von enfants
terribles in großer Gesellschaft gebraucht wird. Ein
drittes Gedicht von Evers,
„Die Fliege und
der Ohrwurm“
brachte Wolzogen selbst zum
Vortrag und zwar meisterhaft. Jumitten der
Vorstellung gab
es
eine Art Huldigung
für den „Ueberbrettl“=Schöpfer und Breschenleger
Herrn v. Wolzogen. Ihm wurden mehrere Riesenkränze
auf die Bühne gereicht und außerdem erhielt er von
den Mitgliedern seines Theaters einen silbernen
Lorbeer. „Die Tippel=Schickse“, eine im höchsten
Grade naturalistische
und trotz ihres Ab¬
stoßenden menschlich packende Scene aus dem
Vagabunden=Leben von Hans Oswald wurde
mit Beifall und Zischen ausgenommen. Gespielt
wurde sie von Margarethe Pechy so¬
wie den Herren Rothenburg und Fritzsche mit
unheimlicher Echtheit. Nach der charmanten Pauto¬
mime von Leo Feld, „Pierrot's Fastnacht“, in der
[Olga Wohlbrück als Jung=Pierrot von entzücken¬
der Gaminerie ist, kamen im dritten Theil endlich die
„Marionetten“ von Arthur Schnitzler, die
leider eine große Enttäuschung waren. Diese von
Menschen dargestellten Marionetten des „Neuen
Figuren=Theaters im Wiener Wurstlprater“ sollten
eine lustige Parodie auf die bekannten Typen und
Figuren Pariser Sittendramen und anderer Stücke
sein, bei denen man die Drähte sieht. Die Idee war
nicht übel, aber die Ausführung versagte. „Ein
Spaß“
nannte es
der Dichter, der selbst
im „Volk“ auf der Bühne saß und in etwas melan¬
cholischer Pose sein Haupt stützte — aber leider war
es durchaus nicht spaßhaft.
Es fehlte der zündende
Witz, das befreiende Lachen des Humors und das
Publikum ermüdete immer mehr und mehr. In der
Darstellung zeichnete sich nur die Bradsky aus —
ihre Marionetten=Komik als neue Sensationen
suchende „Herzogin von Lawin“ war köstlich. Diese
Künstlerin kann, wie es scheint, alles!
B. J.
Sehinnssberichte u. Verscn
I. aster
Türkenstrasse 17.
#iale in Budapest: „Figyel5“ —
Chicago, Genf, London, Newyork, Paris, Rom, Stockholm.
1an
Ausschnitt aus: Post, Berlia
vom
an
Kunst und Wissenschaft.
R. P. „Das Ueberbrett'l“ des Freiherrn von
Wolzogen durfte gestern einen großen Abend be¬
gehen. Natürlich beging es ihn mit Ueber=raschungen
für das Publikum und das Publikum revanchirte
sich durch herzlichsten Beifall und viel, viel Lorbeer.
Auch hübsche Blumen für die Damen wurden emsig
auf die Bühne gereicht. Mit gutem Recht! Grazie,
Witz, Laune, Schönheit — es ist viel im bescheidenen
inclusive
Für 50 2 Rahmen dieser kleinen Bühne. Und nur an
Porto.
100
wenige stolze Namen ist
hier die Lieder=
Zahlbar
kunst gebannt. Ernst von Wolzogen aber erhielt
200
im Voraus.:
eineu silbernen Lorbeerkranz. Er hat ihn sich ver¬
500

dient als wackerer Kämpe der Fröhlichkeit und Ver¬
1000
edler einer Kleinkunst, die in Schmutz, Langeweile, hnitte ist dag
Im
Deeadenz zu versinten drohte. Denn die wahren 1 steht es den
Abonnement „Ueber = Breti'l“, die Brett'l, die das ganz ndern.
Abonnenten Unkünstlerische bringen und derbe Zoten von stimm¬
losen Weiblein im Flitterstaat singen lassen, sind in
enthaltend die
Wahrheit ganz andere Etablissements. Wolzogens er Morgen¬
Der
Inhaltsang „buntes Theater“ aber ist kein Ueber=Brett'i; es ist sjener Zeitung“)
„das“ Breitl; das „Bretk'l“, wie's sein oder werden haftliche Leben
blätter
wodurch eine Mittheilungen
graciöse Frauen — mit eins: dem herunter¬
des In- un
gekommenen Begriff der Brett'l=Kunst
ist
werden in
ein neuer, liebenswürdiger Inhalt geliehen.
In einer kurzen Dankrede an das Publikum,
die gestern den Jubiläums=Abend der fünfzigsten
Vorstellung eröffnete, durfte der Direktor mit stolzer.
Bescheidenheit dem — wie immer aüzberlauften
Hause gestehen, daß er nicht ohne bange Sorge be¬
gonnen habe, sich heute aber bewußt sei, mit seinen
braven Truppen ein wenig Bresche geschossen zu
haben in die norddeutsche Schwerfälligkeit. Dann
begann das Programm drei amüsante Stunden lang
sich zu entrollen. Zu dem Bekannten, immer wiedergern“
Gesehenen und Gehörten — das reizende Straußsche
Tanzdnett vom „Lustigen Ehemann“ obenau zu
neunen! — kam Neues. Zwei lebendige Dichter
trugen eigene Sachen und Sächelchen vor. Pser¬
hofer aus Wien mit trockenem Humor ein paar
gut pointirte Apercus; Hans Heinz Evers ein paar
listig mit den Angen zwinkernde boshafte Fabeln.
Eine letzte Fabel des Dichters brachte Ernst von
Wolzogens brillanker Vortrag zu besonders vorzüg¬
licher Geltung. Der Recitator Salzer aus Wien
amüsirte durch eine hübsche Humoreske in Versen
vom „Rabbi von Krotoschin“ Eine Seene aus
dem Vagabundenleben: „Die Tippel=Schickse“
von Oswaid fesselte, obschon brutal in der #
knappen Handlung, durch die realistische Dar¬
stellung der Titelrolle durch Margarethe Pechy.k
Leo Feld hatte eine graziös erfundene Pantomime
beigestenert: „Vierrots Fastnacht“, in der die
Gattin des Tichters, Olga Wohlbrück, die auch
den Prolog wirkungsvoll sprach, den jungen Pierrot
mit prächtiger Lebendigkeit wiedergab. Von den
Festgaben der Hauskomponisten, denen immer was
Neues einzufasten scheint, seien besonders erwähnt
das reizvolle Duett von Oskar Strauß: „Die
Haselnuß“, gesungen von Bozena Bradsky#nd
Herrn Koppel, Bogumil Jeplers anmuthiges Lied
vom Königssohn (Tert von Hugo Salus) und das
pikante Otto Ehlerssche „Couplet“. Den Be¬
schluß des überreichen Programms bildeten die
4
„Marionetten“, ein „Spaß“ von Arthur
Schnitzler. Der Dichter saß auf der Bühne unter
den Zuschauern des „Marionetten=Theaters“ und
drehte dem Publikum den Rücken. Das Publikum
drehte aber dem „Spaß“ auch den Rücken. Man¬
belächelte wohl die zu Grunde liegende — übrigens
nicht, neue — Idee, die „Puppen“ des französischen
Unsiktendramgs durch wirkliche Marionetten, die
steif an Drähten tanzen, zu verspotten. Aber bald
wurde die Sache eintöng und langweilig. Und:
dann wollte sie nicht enden. Der „Spaß“ wird sich
kaum halten im Programm des Ueberbrett's. Aber
diese kleine Bühne verfügt über soviel echten Hu¬
mor, daß sie einen einzelnen „Spaß“ schon ent¬
behren kann. Spaß muß sein. Aber nicht gerade
der.