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mich über die beiden ersten Stücke das Buches kurz
lfassen. „Der Puppenspieler“ ist das Drama eines
verkommenen Poeten der das Versiegen seines Genies
vor sich selber bemäntelt, indem er von dem Kunst¬
werk in der eignen reichen Seele redet, von der inneren
Freiheit, die nicht vergendet werden darf um des
leeren Ruhmbegriffes willen. Georg Merklin betritt
das Haus eines Paares, das er einst selber als
Schachfiguren seiner Lanne zusammengekoppelt hat,
und ahnt nicht, daß jene nun wahrhaft leben und sein
Scheinwesen bemitleiden.
Das zopfig groteske Puppenspiel „Der tapfere
Cassian“ varüert die erste Studie. Um eine Gleichung
aus Schnitzlers Werken aufzustellen, so verhält sich
der „tapfere Cassian“ zum „Puppenspieler“ wie der
„Reigen“ zum „Anatol“. Das Grundthema ist ge¬
blieben: der Held meint Marionettenlenker zu sein
und ist Marionette. Doch ist hier alles derbkomisch
herausgearbeitet. Aus ernst genommenen Charakteren
sind ironisch gemeinte Typen geworden. Der schwäch¬
liche Flötist Martin als betrogener Betrüger, die
wankelmütige Sophie, die eben noch ein Spielzeug
des treulosen Geliebten ist, und gleich darauf dem
Imuskulösen und großmäuligen tapferen Cassian an
den Hals springt, nachdem er ihren Martin erstochen.
Das eigentliche Sündenbekenntnis, von dem ich
sprach, tut Schnitzler in der Burleske, die den Be¬
schluß macht, in dem Einakter „Zum großen Wurstel“.
Der Dichter hält fürchterliche Musterung unter seinen
eigenen Gestalten, freilich auch unter seinen lieben
Mitmenschen. Marionettenvolk alles, was sich da im
Wurstelprater zusammendrängt. Dichter, Schauspiel¬
direktor und Publikum nicht minder, als die Puppen
auf der kleinen Bühne. Der „Bissige", der „Wohl¬
wollende“ der „Naive“, der „Bürgersmann“ und die
sie sind alle auf ihr Sprüchlein geaicht
„Madeln“
der Direktor sucht auf seine Kosten zu kommen, und
der arme Dichtersmann muß seine Puppen vor solchen
„Bestien“ agieren lassen.
Diese Puppen sind dem
Publikum Schnitzlers durchaus nicht unbekannt. Da
ist die Liesl:
I bin halt no ledig,
Und in Wien spielt die G'schicht,
So heißen s' mich süßes Mädel,
Ob is süast bin oder nicht.
Und die Herzogin:
Mir is einer zu wenig,
Ganz besonders mein Mann,
So sagen s', is bin dämonisch,
Hab' noch keinem was 'tan.
Und wie nun der „Held“, der „Raisonneur“ der
„Heitere“ der „Ernste“, der „Bräutigam“, der „düstere
Kanzelist“ hinzukommen und sich selbst charakterisieren;
und wie sich die Handlung entwickelt — „so mach'
doch endlich aus mir, was ich will!“ sagt die Herzogin
zum zögernden Helden, und der Herzog erklärt: „Aus
jeder Karte schieß ich das Aß!“ und dem Liesl
„wird schlecht", als es den Herzog sieht, und der
Bräutigam ist „von Brackenburg ein Vetter“ da Held
und Herzog mit dem Liesl fertig sind, nur der Rai¬
sonneur ist weiser als ein sophokleischer Chor, und -
und —— aus der „Liebelei“ aus der „Beatrice“
dem „Ruf des Lebens“, aus allem Guten und Bösen,
was Schnitzler geschrieben, scheinen da plötzlich die
Gestalten vor uns zu stehen, doch ihrer menschlichen
Freiheit beraubt, an Drähten hängend, zu Marionetten
geworden. Es ist ein grauenvolles und geniales
Strafgericht, das der Dichter über sich selber abhält.
Doch will ich nur offen gestehen, daß ich mir über den
Schluß des prächtigen Wirrwars vergeblich den Kopf
zerbrochen habe. Es ist ein großer Lärm entstanden:
das Publikum johlt und pfeift, die Marionetten ge¬
horchen ihrem verzweifelten Dichter nicht mehr, Gestal¬
ten aus anderen Stücken, „Der Graf von Charolais“
und der „Meister“, haben sich unter sie gewagt, der
würdige Tod hat die Maske fallen lassen und ist zum
da, im chaotischsten Augen¬
„Wurstel“ geworden
blick, erscheint ein wunderbarer Mann mit blauem
Mantel und bloßem Schwert. Er zerhaut die Drähte,
und die Marionetten fallen zu Boden, „er fährt mit
Adem Schwert über die ganze Bühne, und alle Men¬
Ischen sinken zusammen“, er läßt auch den Dichter
sinken und droht schließlich den Leuten im Parkett, die
F 4
in „höchst fragevoller Wirklichkeit sich brüsten.“
dort
Vier und dor.
Wer ist der Unbekannte“, dem solche Macht gegeben,
Die „Marionetten“ kehren heute wieder bei
Schein und Wesen zu unterscheiden? Er sagt, er wisse
uns ein, mit ihnen SchMarionetten. Im
es selber nicht:
Bin ich ein Gott? .. ein Narr?: bin enresgleichen?
Verzeichnis des Fischerschen=Beklages sind Schnitzlers
Bin ich ich selber — oder nur ein Zeichen?
Werke so angeordnet, daß die „Marionetten“ nach
Also überläßt es Schnitzler seinen Lesern oder
dem „Ruf des Lebens“ kommen. Ich wünschte
Hörern das Schlußrätsel zu lösen. Was aber kann
daraus mit Gewißheit folgern zu können, die kleine
allein Mensch und Puppe unterscheiden, was jede
Trilogie sei nach dieser höchst beweinenswerten
gleichsam als bußfertiges Mask zertrümmern, wenn nicht eine starke Leiden¬
Tragödie entstanden,
Sündenbekenntnis. Nun, ich weiß nicht, welches schaft, eine einheitlich fanatische Leidenschaft? Ich
mich über die beiden ersten Stücke das Buches kurz
lfassen. „Der Puppenspieler“ ist das Drama eines
verkommenen Poeten der das Versiegen seines Genies
vor sich selber bemäntelt, indem er von dem Kunst¬
werk in der eignen reichen Seele redet, von der inneren
Freiheit, die nicht vergendet werden darf um des
leeren Ruhmbegriffes willen. Georg Merklin betritt
das Haus eines Paares, das er einst selber als
Schachfiguren seiner Lanne zusammengekoppelt hat,
und ahnt nicht, daß jene nun wahrhaft leben und sein
Scheinwesen bemitleiden.
Das zopfig groteske Puppenspiel „Der tapfere
Cassian“ varüert die erste Studie. Um eine Gleichung
aus Schnitzlers Werken aufzustellen, so verhält sich
der „tapfere Cassian“ zum „Puppenspieler“ wie der
„Reigen“ zum „Anatol“. Das Grundthema ist ge¬
blieben: der Held meint Marionettenlenker zu sein
und ist Marionette. Doch ist hier alles derbkomisch
herausgearbeitet. Aus ernst genommenen Charakteren
sind ironisch gemeinte Typen geworden. Der schwäch¬
liche Flötist Martin als betrogener Betrüger, die
wankelmütige Sophie, die eben noch ein Spielzeug
des treulosen Geliebten ist, und gleich darauf dem
Imuskulösen und großmäuligen tapferen Cassian an
den Hals springt, nachdem er ihren Martin erstochen.
Das eigentliche Sündenbekenntnis, von dem ich
sprach, tut Schnitzler in der Burleske, die den Be¬
schluß macht, in dem Einakter „Zum großen Wurstel“.
Der Dichter hält fürchterliche Musterung unter seinen
eigenen Gestalten, freilich auch unter seinen lieben
Mitmenschen. Marionettenvolk alles, was sich da im
Wurstelprater zusammendrängt. Dichter, Schauspiel¬
direktor und Publikum nicht minder, als die Puppen
auf der kleinen Bühne. Der „Bissige", der „Wohl¬
wollende“ der „Naive“, der „Bürgersmann“ und die
sie sind alle auf ihr Sprüchlein geaicht
„Madeln“
der Direktor sucht auf seine Kosten zu kommen, und
der arme Dichtersmann muß seine Puppen vor solchen
„Bestien“ agieren lassen.
Diese Puppen sind dem
Publikum Schnitzlers durchaus nicht unbekannt. Da
ist die Liesl:
I bin halt no ledig,
Und in Wien spielt die G'schicht,
So heißen s' mich süßes Mädel,
Ob is süast bin oder nicht.
Und die Herzogin:
Mir is einer zu wenig,
Ganz besonders mein Mann,
So sagen s', is bin dämonisch,
Hab' noch keinem was 'tan.
Und wie nun der „Held“, der „Raisonneur“ der
„Heitere“ der „Ernste“, der „Bräutigam“, der „düstere
Kanzelist“ hinzukommen und sich selbst charakterisieren;
und wie sich die Handlung entwickelt — „so mach'
doch endlich aus mir, was ich will!“ sagt die Herzogin
zum zögernden Helden, und der Herzog erklärt: „Aus
jeder Karte schieß ich das Aß!“ und dem Liesl
„wird schlecht", als es den Herzog sieht, und der
Bräutigam ist „von Brackenburg ein Vetter“ da Held
und Herzog mit dem Liesl fertig sind, nur der Rai¬
sonneur ist weiser als ein sophokleischer Chor, und -
und —— aus der „Liebelei“ aus der „Beatrice“
dem „Ruf des Lebens“, aus allem Guten und Bösen,
was Schnitzler geschrieben, scheinen da plötzlich die
Gestalten vor uns zu stehen, doch ihrer menschlichen
Freiheit beraubt, an Drähten hängend, zu Marionetten
geworden. Es ist ein grauenvolles und geniales
Strafgericht, das der Dichter über sich selber abhält.
Doch will ich nur offen gestehen, daß ich mir über den
Schluß des prächtigen Wirrwars vergeblich den Kopf
zerbrochen habe. Es ist ein großer Lärm entstanden:
das Publikum johlt und pfeift, die Marionetten ge¬
horchen ihrem verzweifelten Dichter nicht mehr, Gestal¬
ten aus anderen Stücken, „Der Graf von Charolais“
und der „Meister“, haben sich unter sie gewagt, der
würdige Tod hat die Maske fallen lassen und ist zum
da, im chaotischsten Augen¬
„Wurstel“ geworden
blick, erscheint ein wunderbarer Mann mit blauem
Mantel und bloßem Schwert. Er zerhaut die Drähte,
und die Marionetten fallen zu Boden, „er fährt mit
Adem Schwert über die ganze Bühne, und alle Men¬
Ischen sinken zusammen“, er läßt auch den Dichter
sinken und droht schließlich den Leuten im Parkett, die
F 4
in „höchst fragevoller Wirklichkeit sich brüsten.“
dort
Vier und dor.
Wer ist der Unbekannte“, dem solche Macht gegeben,
Die „Marionetten“ kehren heute wieder bei
Schein und Wesen zu unterscheiden? Er sagt, er wisse
uns ein, mit ihnen SchMarionetten. Im
es selber nicht:
Bin ich ein Gott? .. ein Narr?: bin enresgleichen?
Verzeichnis des Fischerschen=Beklages sind Schnitzlers
Bin ich ich selber — oder nur ein Zeichen?
Werke so angeordnet, daß die „Marionetten“ nach
Also überläßt es Schnitzler seinen Lesern oder
dem „Ruf des Lebens“ kommen. Ich wünschte
Hörern das Schlußrätsel zu lösen. Was aber kann
daraus mit Gewißheit folgern zu können, die kleine
allein Mensch und Puppe unterscheiden, was jede
Trilogie sei nach dieser höchst beweinenswerten
gleichsam als bußfertiges Mask zertrümmern, wenn nicht eine starke Leiden¬
Tragödie entstanden,
Sündenbekenntnis. Nun, ich weiß nicht, welches schaft, eine einheitlich fanatische Leidenschaft? Ich