II, Theaterstücke 17, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 0), Marionetten. Drei Einakter, Seite 53

der de anseten Eharater, ou e rre
sind immer lehrreich zu wirken. Sie sind stimmungs¬
tiel und selbst bei einer keck humoristischen Pointe,
mit fener leichten Sentimentalität durchsetzt, die dem
Wiener Typus eigen ist, die aber dennoch nichts von
falscher Stimmungs'nacherei in sich hat, sondern so
dazu gehört, wie elwa das süße Mädel zum Prater
„Die Marionetten“ eine der letzten Schöpfungen
von Schnitzler, enthält so ziemlich alles, was als
Substrat seiner Muse gelten kann. Die gedankenreich
angelegte Studie „Der Puppenspieler“ ist in seiner
abgeklärten Ruhe und harmonischen Einheit der Situa¬
tion ein Kabinettstückchen Wiener Poesie, des Wiener
Waldes, der Wiener Dichter. Der Einakter enthält die
Geschichte eines glücklichen Ehepaares, das sich sand,
weil sich ihr Freund, der Dichter, als Puppenspieler
gesiel und seinem Freunde, dem Oboespieler eine glück¬
liche Stunde schaffen wollte, um alles Gute, das da
in ihm war, zu wecken. Und siehe, der Puppenspieler,
der die Drähte unsichtbar bewegte, wurde selbst zur
Puppe. Die Aufgabe, die er sich gestellt, wuchs über
ihn hinaus und wurde zu einem großen Werke, wäh¬
rend ihm selbst dabei am schlechtesten mitgespielt
wurde. — Die drei Figuren, der Oboespieler, seine
Frau und vor allem jene des Dichters, der den
Glauben an seine göttliche Sendung nie verliert, sind
Schnitzler vortrefflich gelungen Dr. Manning gab
den Dichter mit suggestiv wirkender Psyche, eine glück¬
liche Auffassung, weche die Figur glaubs aft erscheinen
läßt und ins reale Leben versetzt. Max Schütz als
Oboespieler war wie immer einfach, mit natürlichem
Spiel, er weiß, daß er mit solchen Mitteln immer
viel erreicht. Sehr gut sand sich auch Fritzi Niedt mit
ihrer kleinen Rolle ab. — Ueber das Puppenstiel „Der
tapfere Cassian“ ließe sich polemisieren. Ich sand vor
allem den Titel etwas gewagt, denn tapser ist doch
dieser bramarbasierende Cassian nicht. Er ist mehr
boder weniger ein Allerweltspousseur, der sich nich
scheut, seinem besten Freunde und Cousin das Mädel
wegzuschnappen, mit der Tapferkeit hat dies nichts
gemein und den Sprung aus dem Fenster, den er
der schönen Sophie zuliebe tut, ist auch nicht ernst
zu nehmen. Viel tapferer benimmt sich da der Mar¬
tin, der eine Liebe opfert, um eine ungestillte Sehn¬
sucht zu befriedigen, von der er weiß, daß sie sein
Unglück wird. — Gespielt wurde dieser Akt mit allem
Raffinement, das eine sehr geistreiche Regie (Dr. Eger)
zur Verfügung hatte. Die Szene war intim und hatte
für das Puppenspiel den richtigen Rahmen. Licht
und Schatten waren mit großer Sorgfalt verteilt und
schufen so Situationen, die an alte holländische Meister
sehr erinnerte, die scharsen Silhueten der Spieler
hoben sich sehr vorteilhaft vom Hintergrunde ab. Es
war ein sehr delikates Bild. Tiller als Cassian war
vorzüglich in Maske und Sprache Hermine Medelsky
(Sophie) war lieblich anzuschauen. In ihrem Spiel
war verhaltene südliche Glut und Sehnsucht nach
großer Liebe, die alle Schranken der guten Sitte
durchbricht. Das stumme Spiel zwischen ihr und
Cassian war jedenfalls sehenswert. — Der Abschluß
„zum großen Wurstel“ bildet den heiteren Ausklang
dieses Abends. Die Burleske spielt im Prater und
bringt alle bekannten Typen der Praterwniese auf die
Szene. Die Idee, ein Marionettentheater mit leben¬
den Puppen zu spielen, kann zwar nicht neu genannt
s ge¬
werden, aber jedenfalls ist die Art, in der
bracht wird, neu und die einzelnen Szenen, die auf
diesem Theater gespielt werden, hochmodern und pri¬
ginell. Zum Schlusse wird ein regelrechter Thegter¬
skandal inszeniert, der wohl das Amüsanteste des
Hofer war ein famoser Schmieren¬
Ganzen ist.
direktor und Ausrufer in einer Person, Rittig eine
originelle Puppe, der sogar die hektisch rotgefärbten
Wangen nicht fehlten. Die übrigen mögen sich mit
einem Gesamtlob begnügen. Es ging alles wie am
Schnürchen und damit wurde man wohl am shesten
dem Werke und Dichter gerecht.
Radenisus.
Telephon 12.801.
„OBSERVER
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Ausschnitte und Bibliographie.
Wien, I., Conoordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Brüssel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christiania,
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis,
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
(Ouellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus: Rheinische Musik- u. Theater¬
Zeitung Köln a/fh.
vom: 172
Prag.
Hier gelangten „Marionetten“, drei Einakter von
Arthur Schnitzler, im Neuen deutschen Theater zur Erst¬
aufführungBre Muse geht auf leichten Sohlen, sie
ist zurt und duttig und einer ihrer speziellsten Vertreter ist
Arthur Schnitzler. Die Gedanken seiner Werke haben alle
den besonderen Charakter, ob sie nun ernst oder heiter sind,
immer lehrreich zu wirken. Die „Marionetten“ eine der letzten
stimmungstiefen Schöpfungen des Dichters, enthalten so ziem¬
lich alles, was als Substrat seiner Muse gelten kann. Die ge¬
dankenreich angelegte Studie „Der Puppenspieler“ ist in ihrer
abgeklärten Ruhe und harmonischen Einheit der Situation ein
Kabinettstückchen Wiener Poesie, des Wiener Waldes, der
Wiener Dichter.

Ueber das Puppenspiel „Der tapfere
Cassian“ ließe sich polemisieren. Ich fand vor allem den Titel
etwas gewagt, denn tapfer ist doch dieser bramarbasierende
Cassian nicht. Er ist mehr oder weniger ein Allerweltspousseur,
der sich nicht scheut, seinem besten Freunde und Cousin das
Mädel wegzuschnappen, mit der Tapferkeit hat das nichts
emein und der Sprung aus dem Fenster, den er der schönen
Sophie zuliebe tut, ist auch nicht ernst zu nehmen. Der Ab¬
schluß: „Zum großen Wurstel“ bildet den heiteren Ausklang
dieses Abends und spielt im Prater. Die Idee, ein Marionetten¬
theater mit lebenden Puppen zu spielen, kann zwar nicht neu
genannt werden, aber jedenfalls ist die Art, in der es gebracht
wirc neu und die einzelnen Szenen hochaktuell. Der Theater¬
skandal zum Schlusse ist wohl das Amüsanteste des Ganzen.