17.4. Marionetten Zukins box 22/11
nennen, und vielleicht hätte ihre schmierige Gestalt voll tiefer seelischer Einsamkeit gab. schlüpfen. Grausamer und freier hat sich wohl
Klugheit recht. Jetzt steht er in der Stube Aber mit aller Milde, Sanftmut und Gerechtig= noch nie ein Dichter selbst verspottet, sich ni¬
ferner von jener schäbigen Ehrfurcht gezeigt,
keit sei & gesagt: Herr Kramer sollte nicht
mit der die Kleinen vor ihrem Schaffen katz¬
seines Jugendfreundes, dem er einmal ein
versuchen, unheimlich zu sein, sollte sich von
buckeln. Hier ist alles heitere Verwirrung;
junges Mädchen als Geliebte zuführen wollte.
dem Ausdruck geistiger Nöte fernhalten und
Spiel wird Ernst, Ernst wird Spiel, die Drähte
Um die Schüchternheit des gedrückten Jungen
sich auf seine Unwiderstehlichkeit zurückziehen,
von Menschen und Puppen werden zerschnitten
zu überwinden? Kaum; er wollte sich einen
die er in Wien ersessen hat.
und knüpfen sich wieder. Es ist, wie es sich für
Herrgottspaß gestatten, mit Schicksalen spielen.
Marionetten aus allerlei Schachteln ziemt,
Herr Kramer hat ferner in der abschließen¬
Aber das Schicksal war stärker. Jenes Mädchen
ein vielfach verschachtelter Spaß. Aber auch
den Burleske „Zum großen Wurstel“ den Un¬
hat später den Freund geheiratet, ein Junge
hier lähmte die plumpe Gegenständlichkeit der
bekannten im blauen Mantel gespielt, und auch
wächst den beiden heran, sie halten frohgemut
Regie, der mehr an einem genauen Praterbild
da verdarb er so viel, als sich verderben ließ;
ihr kleines Glück fest. Und es war des Puppen¬
als an der Bedeutung des Scherzes gelegen
es war ein Gespenst aus der Textilbranche.
spielers eigenes, selbstverspieltes Glück. Denn
war. Sie machte damit wohl aus der Schwäche
Und er verschuldete als Regisseur die aus¬
nun erfährt er es: jenes Mädchen liebte ihn
eine Tugend. Realismus ist ja besonders dann
gedehnte Bühne im „Puppenspieler“, die der
und hatte auf ihn gewartet. Er aber kam nicht.
empfehlenswert, wenn einem nichts einfällt.
kleinen Bleistiftstudie den goldenen Stuck¬
Dieses Kind hätte sein Kind seir. solen Er
Von den Schauspielern fielen Fräulein
rahmen eines Kolossalgemäldes gab. Und er
wollte in seinem Hochmut das Leben meistern,
v. Wagner durch eine sehr routinierte
ließ im mittleren Akt, im „Tapferen Cassian“,
und es meisterte ihn. Hätte ein Geringerer als
Innigkeit des Tones. Frau Glöckner durch
das Puppenmäßige der Darsteller so ausarten,
Schnitzler die noble Nachdenklichkeit solchen
einige nett parodistische Bewegungen, Frau
daß jede Betonung der abenteuerlich heiteren
Einfalles, er hätte dann noch irgendwie die
Galafrés durch eine muntere Karikutur der
Vorgänge unterblieb und die Zierlichkeit durch
tiefe Beunruhigung des besiegten Puppen¬
großen Canaille auf. Auch sonst wären noch
aufsagende Hampelmänner zu Tode geklappert
spielers gezeigt, die verborgene Wehmut hätte
manche mit Lob zu nennen. Aber das hätte nur
ward. Hier hat ja schon der Dichter das
sich zur Sentimentalität verdickt. Sein Georg
wenig geholfen, denn das Wesentliche der
Marionettenhafte so verdeutlicht, daß es über¬
Merklin aber bleibt stark, in den Mantel seines
Spiele, der Duft ihrer Anmut, war wie ver¬
flüssig war, die Schauspieler wie an unsicht¬
Größenwahns gehüllt, geht er wie ein Sieger
strömt. Hier half nur eines: die sanfte Gewalt
baren Drähten zappeln zu lassen. Es is
zurück in sein verpfuschtes Leben. Denn ihm
des Dichters, die doch hie und da durch alle
übrigens ersteunlich, wie die Witzigkeit dieses
scheint es gar nicht verpfuscht, mag sein, er
Plumpheit sichtbar ward. Schnitzler kam sehr
Einfalles auf dem Wege vom Buch zur Bühne
ist wirklich ein großer Künstler, der sich nur
oft. Trotz allem: es war ein Erfolg. Aber er
sich verflüchtigt. All dies ist so nett zu lesen,
durch Werke und Ruhm nicht gemein machen
hätte größer sein können, und folglich hätte
vom Glücksritter Martin mit seiner heimlichen
will. Für die wahrhaft Stolzen wird ja jedes
Liebe zur großen, unbekannten Tänzerin, die
er auch größer sein müssen.
Werk besudelt — durch die Leute, die es in
er aufsuchen will, von seinem zarten Bräut¬
sich aufnehmen. Also verbirgt er sie lieber alle
chen, vom Bramarbas Cassian, der ihm in
bei sich oder setzt sie ins Leben um. ergötzt sich,
einigen Minuten alles nimmt, das Würfelglück,
die Menschenpuppen an seinen Drähten tanzen
das Gut, das Mäochen, das Leben sogar, und
zu lassen. Um diese merkwürdige, erschütternde
dann ist es sehr scharmant witzig, wie Martin
Gestalt, die ihr Recht in sich trägt, muß der
es endlich vorzieht zu sterben, statt die Flöte
Schauder einer großen seelischen Gewalt fließen
zu spielen. Dennoch, hier stimmt etwas nicht:
soll sie nicht zum unverständlichen Prahlhans
in der unbarmherzigen Deutlichkeit des
werden. Um Herrn Kramer aber fließen keine
Theaters fühlen wir das genau; die Grenzen
Schauder, und er spielte den Puppenspieler
zwischen Ulk und Leben verwischen sich, und
wie einer, der auf der anderen Seite steht:
hie und da bekommen die Puppen ärgerlich
bei den Kopfschüttelnden über den Begabten,
überraschend ihr eigenes Leben, so wie in dem
der das sichere Amt aufgab. Gewiß, es wäke
tiefsinnigen Spaß vom „Großen Wurstel“, da
ungerecht, dabei an Bassermann zu denken, der
hier den Wienern einmal eine beklemmendel sie auf ihrer Praterbude ibrem Dichter ent¬
nennen, und vielleicht hätte ihre schmierige Gestalt voll tiefer seelischer Einsamkeit gab. schlüpfen. Grausamer und freier hat sich wohl
Klugheit recht. Jetzt steht er in der Stube Aber mit aller Milde, Sanftmut und Gerechtig= noch nie ein Dichter selbst verspottet, sich ni¬
ferner von jener schäbigen Ehrfurcht gezeigt,
keit sei & gesagt: Herr Kramer sollte nicht
mit der die Kleinen vor ihrem Schaffen katz¬
seines Jugendfreundes, dem er einmal ein
versuchen, unheimlich zu sein, sollte sich von
buckeln. Hier ist alles heitere Verwirrung;
junges Mädchen als Geliebte zuführen wollte.
dem Ausdruck geistiger Nöte fernhalten und
Spiel wird Ernst, Ernst wird Spiel, die Drähte
Um die Schüchternheit des gedrückten Jungen
sich auf seine Unwiderstehlichkeit zurückziehen,
von Menschen und Puppen werden zerschnitten
zu überwinden? Kaum; er wollte sich einen
die er in Wien ersessen hat.
und knüpfen sich wieder. Es ist, wie es sich für
Herrgottspaß gestatten, mit Schicksalen spielen.
Marionetten aus allerlei Schachteln ziemt,
Herr Kramer hat ferner in der abschließen¬
Aber das Schicksal war stärker. Jenes Mädchen
ein vielfach verschachtelter Spaß. Aber auch
den Burleske „Zum großen Wurstel“ den Un¬
hat später den Freund geheiratet, ein Junge
hier lähmte die plumpe Gegenständlichkeit der
bekannten im blauen Mantel gespielt, und auch
wächst den beiden heran, sie halten frohgemut
Regie, der mehr an einem genauen Praterbild
da verdarb er so viel, als sich verderben ließ;
ihr kleines Glück fest. Und es war des Puppen¬
als an der Bedeutung des Scherzes gelegen
es war ein Gespenst aus der Textilbranche.
spielers eigenes, selbstverspieltes Glück. Denn
war. Sie machte damit wohl aus der Schwäche
Und er verschuldete als Regisseur die aus¬
nun erfährt er es: jenes Mädchen liebte ihn
eine Tugend. Realismus ist ja besonders dann
gedehnte Bühne im „Puppenspieler“, die der
und hatte auf ihn gewartet. Er aber kam nicht.
empfehlenswert, wenn einem nichts einfällt.
kleinen Bleistiftstudie den goldenen Stuck¬
Dieses Kind hätte sein Kind seir. solen Er
Von den Schauspielern fielen Fräulein
rahmen eines Kolossalgemäldes gab. Und er
wollte in seinem Hochmut das Leben meistern,
v. Wagner durch eine sehr routinierte
ließ im mittleren Akt, im „Tapferen Cassian“,
und es meisterte ihn. Hätte ein Geringerer als
Innigkeit des Tones. Frau Glöckner durch
das Puppenmäßige der Darsteller so ausarten,
Schnitzler die noble Nachdenklichkeit solchen
einige nett parodistische Bewegungen, Frau
daß jede Betonung der abenteuerlich heiteren
Einfalles, er hätte dann noch irgendwie die
Galafrés durch eine muntere Karikutur der
Vorgänge unterblieb und die Zierlichkeit durch
tiefe Beunruhigung des besiegten Puppen¬
großen Canaille auf. Auch sonst wären noch
aufsagende Hampelmänner zu Tode geklappert
spielers gezeigt, die verborgene Wehmut hätte
manche mit Lob zu nennen. Aber das hätte nur
ward. Hier hat ja schon der Dichter das
sich zur Sentimentalität verdickt. Sein Georg
wenig geholfen, denn das Wesentliche der
Marionettenhafte so verdeutlicht, daß es über¬
Merklin aber bleibt stark, in den Mantel seines
Spiele, der Duft ihrer Anmut, war wie ver¬
flüssig war, die Schauspieler wie an unsicht¬
Größenwahns gehüllt, geht er wie ein Sieger
strömt. Hier half nur eines: die sanfte Gewalt
baren Drähten zappeln zu lassen. Es is
zurück in sein verpfuschtes Leben. Denn ihm
des Dichters, die doch hie und da durch alle
übrigens ersteunlich, wie die Witzigkeit dieses
scheint es gar nicht verpfuscht, mag sein, er
Plumpheit sichtbar ward. Schnitzler kam sehr
Einfalles auf dem Wege vom Buch zur Bühne
ist wirklich ein großer Künstler, der sich nur
oft. Trotz allem: es war ein Erfolg. Aber er
sich verflüchtigt. All dies ist so nett zu lesen,
durch Werke und Ruhm nicht gemein machen
hätte größer sein können, und folglich hätte
vom Glücksritter Martin mit seiner heimlichen
will. Für die wahrhaft Stolzen wird ja jedes
Liebe zur großen, unbekannten Tänzerin, die
er auch größer sein müssen.
Werk besudelt — durch die Leute, die es in
er aufsuchen will, von seinem zarten Bräut¬
sich aufnehmen. Also verbirgt er sie lieber alle
chen, vom Bramarbas Cassian, der ihm in
bei sich oder setzt sie ins Leben um. ergötzt sich,
einigen Minuten alles nimmt, das Würfelglück,
die Menschenpuppen an seinen Drähten tanzen
das Gut, das Mäochen, das Leben sogar, und
zu lassen. Um diese merkwürdige, erschütternde
dann ist es sehr scharmant witzig, wie Martin
Gestalt, die ihr Recht in sich trägt, muß der
es endlich vorzieht zu sterben, statt die Flöte
Schauder einer großen seelischen Gewalt fließen
zu spielen. Dennoch, hier stimmt etwas nicht:
soll sie nicht zum unverständlichen Prahlhans
in der unbarmherzigen Deutlichkeit des
werden. Um Herrn Kramer aber fließen keine
Theaters fühlen wir das genau; die Grenzen
Schauder, und er spielte den Puppenspieler
zwischen Ulk und Leben verwischen sich, und
wie einer, der auf der anderen Seite steht:
hie und da bekommen die Puppen ärgerlich
bei den Kopfschüttelnden über den Begabten,
überraschend ihr eigenes Leben, so wie in dem
der das sichere Amt aufgab. Gewiß, es wäke
tiefsinnigen Spaß vom „Großen Wurstel“, da
ungerecht, dabei an Bassermann zu denken, der
hier den Wienern einmal eine beklemmendel sie auf ihrer Praterbude ibrem Dichter ent¬