17.4. Marionetten Zuklus box 22/11
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Ausschnitt aus
ssches Volksblatt. Wie¬
11. Fe29
von.:
Sch—k.
Deutsches Volkstheater. Die Freunde Artur
[Schnitzlers sind wirklich von einer bewunderungs¬
digenOuferirendigkeit. Sie haben sich gestern nicht nar
vollzählig zur Aufführung seiner unter dem Gesamtlitel
„Marionetten“ zur Aufführung gebrachten drei Einalter
„Der Puppenspieler“ „Der tapfere Cassian“ und „Zum
großen Wurstel“ eingesunden, sondern sie taten noch ein
übriges, indem sie sich belustigt und begeistert zeigten und
ihre Solidarität mit dem Autor durch förmliche Beifalls¬
paroxismen bekundeten. Es wäre interessant, das Ergebnis
festzustellen, das eine unter vier Angen an alle die scheinbar so
hochentzückten gestellte Rundfrage über ihr wirkliches Urteil ge¬
habt hätte. Die wenigen Aufrichtigen haben am Schlusse der
Vorstellung kein Heul daraus gemacht, daß sie noch selln
mit einem so ungemischten C hie der Langweile das Theater
Wallenangabe ehne Geucht# 10Wil
verlassen wie gestern. Die drei Einakter bedeuten übrigens
Ausschnitt aus eartelder Werdling, Jeusrr
keine neue Entwicklungsstufe in dem Schaffen Schnitzlers,
sie sind vielmehr längst bekannt. Zu einem Theaterabend
11 2 1912
vereinigt, haben sie ein so intensives Unbehagen ausgelöst,
remi
daß man das Experiment, das vor einem dem Autor so
günstig gesinnten Publikum freilich nicht mißglücken konnte,
Deutsches Volkstheater. „Marionetten.“ Drei
wohl nicht allzu oft — nota bene vor nicht voreingenommenen
Theaterbesuchern — wird wiederholen können. Die „Studie“.
Einakter von Arthur Schnitzler. Schnitzlers Eigenart, die
„Der Puppenspieler“ führt uns einen Bohemien vor, eines
Quellen seiner dichterischen Kraft sind in diesen traumtiefen
jener verkannten Genies, die zu Weltverächtern werden, weil
Schöpfungen klar zu finden. Marionettenhaft ist ihm die Welt.
man sie nicht nach Gebühr einschätzt. Das uns von Schnitzler
Die Menschen sind Puppenspieler und Puppen zugleich. Aller
vorgeführte Exemplar leidet außerdem noch an der fixen
Ernst ist ihm Spiel, alle Ertenntnis ist Erkenntnis des Spieleri¬
Idee, daß die anderen Menschen Puppen seien, die er durch
schen, das in uns wirkt. Ergreisend klingt diese Melodie aus
die Kraft seines suggestiven Willens nach Belieben lenkt.
dem Puppenspieler. Da ist Georg Merklin, der
Als er nach Jahren einen einstigen Freund wiederfindet,
mit den Menschen zu spielen glaubt. Aber er kommt darauf,
an dem er auch einst seine dämonische Gewalt zu erproben
daß die Menschen auch mit ihm spielen. Eine groteske Variation
glaubte, muß er gewahr werden, daß alles anders kam, als
desselben Themas bedeutet der tapfere Kassian; er will
er glaubte, daß man mit ihm, dem vermeintlichen Puppen¬
die ganze Welt gewinnen und verliert sie. Ins Grandiose
spieler, gespielt hat. Fräulein v. Wagner sowie die Herren
(gleich jener Symphonie von Mahler) steigert sich das Motiv in
[Kramer und Onno bemühten sich, der Episode, der
der Burleske „Zum großen Wurstel“. Der Prater, seht
jeder dramatische Einschla,, fehlt, etwas Leben und Farbe
zu geben. Es war vergeblich. Die beiden anderen Einakter
hin, der Prater ist der Spiegel des Lebens, das ihr führt. Wenn
sind szenisch als Puppenspiele durchgeführt. „Der tapsere
einer mit dem Schwert durch die Marionettendrähte fährt, muß
Cassian“ ist ja vor zwei Jahren wirklich auf einer Mario¬
alles hinsinken, denn alles ist Marionette. Schnitzler läßt diese
Gestalt wirklich auftreten. Und der Schwertschwinger erschaudert
aß—
vor sich selbst: Bin ich ich selber — oder nur ein
nettenbühne dargestellt worden. Da war es unn gestern in
Zeichen? — Nur ein Zeichen. Ein Zeichen, wie weit gewisse
seiner Art ganz ergötlich. Fr## Sivaner sowie die Herren
Schichten unserer Gesellschaft und mit ihnen ihre Dichter
Homma und Gunther ihre Menschlichkeit verleugnen
und das möglichste tun zu sehen, um durch ihre Bewegungen
(und hier ein großer Dichter) dem lebendigen Zeitwillen
den Eindruck von Puppen hervorzurufen. Muß man aber,
entrückt sind. Hat es jemals Tage so voll welt¬
damit einem derartiges einfällt, wirklich ein Dichter sein oder
formender Massenkräfte gegeben wie die unseren? Und doch
heißen? Es gibt freilich Leute, die sich so anstellen, als ob
Dichter, die alles für ein Puppenspiel halten!...
sie ganz genau wußten, welch tiefer Sinn in dem einfachen
die Darstellung der Einakter brachte viele Feinheiten. Leopold
Spiel steckt, aber sie wären sicherlich in der größten Verlegen¬
Kramer als Puppenspieler Merklin bot eine überragende
heit, wenn man sie auffordern würde, uns von ihrer Wissen¬
Leistung. Erika v. Wagner dagegen blieb diesmal alle Gestaltungs¬
schaft etwas mitzuteilen. Im letzten Einakter, bei dem wir
kunst schuldig. Prächtig ist Josefine Glöckner als Sophie, die
zusammen mit dem typischen Publikum des „Volkspraters“
den tapferen Kassian liebt. Ihr stummes Spiel während der
vor der Bühne „Zum großen Wurstel“ sitzen, deren. Direktor
Bramarbasrede des Angebeteten entzückte. Hans Homma
(Herr Homma) im echtesten Ausrufertone die neue zur
sprach als Kassian zu undentlich. Die Burleske „Zum großen
Aufführung kommende Komödie anpreist, tut Schnitzler so,
Wurstel“ fand in Homma als Direktor und in Paul
als ob er sich über sich selbst lustig machen wollte. Die
Askonas ihre besten Interpreten. Falsch erscheint mir die
Puppen, die da auftreten — diesmal wird die Illusion des
Marionettenhaften noch durch die von oben herabhängen¬
Auffassung, die aus Louis Böhms Dichtergestalt spricht. Der
den Schnüre verstärkt — zeigen zum großen Teile Aehnlich¬
Dichter müßte mehr ins Pathetische parodiert werden. — Das
keit mit bekannten Gestalten der Schnitzlerischen Bühnen¬
Publikum nahm die feinen Dichtungen „mit großem und herz¬
werke. Da ist der mit Anatol sehr nahe verwandte Held und
lichem Beifall auf.
J. L. S.
Liebhaber, ferner der speziell für den Anatol=Zyklus
charakteristische „Raisonneur“ es fehlt auch nicht die lebens¬
und liebeslustige mondaine Frau sowie deren als Rächer
seiner Ehre auftretende eisersüchtige Gatte und selbstver¬
ständlich ist unter den Figuren auch das „süße Mädel“.
Mitten aus dem Publikum springt dann ein „Unbekannter
im blauen Mantel“ auf die Bühne, der mit seinem Schwerte
die Schnüre der Maronette zerschneidet und dem Publikum
Sottisen ins Gesicht schreit. Diese Grobheiten quittierten die
Besucher der gestrigen Premiere mit dem stärksten Beifalle.
Die Frage nach dem Grunde dieses Verhaltens wird wohl
ebenso unbeantwortet bleiben, wie die, ob man uns den
gestrigen Abend nicht hätte ersparen können ..
Wir
erfüllen noch eine Pflicht, indem wir von den in dem letzten
Einakter Mitwirkenden noch die Damen Galafrés und
Waldow, sowie die Herren Kramer, Günther,
Fürth, Amon, Russek, Askonas und Huber
lobend erwähnen.
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Ausschnitt aus
ssches Volksblatt. Wie¬
11. Fe29
von.:
Sch—k.
Deutsches Volkstheater. Die Freunde Artur
[Schnitzlers sind wirklich von einer bewunderungs¬
digenOuferirendigkeit. Sie haben sich gestern nicht nar
vollzählig zur Aufführung seiner unter dem Gesamtlitel
„Marionetten“ zur Aufführung gebrachten drei Einalter
„Der Puppenspieler“ „Der tapfere Cassian“ und „Zum
großen Wurstel“ eingesunden, sondern sie taten noch ein
übriges, indem sie sich belustigt und begeistert zeigten und
ihre Solidarität mit dem Autor durch förmliche Beifalls¬
paroxismen bekundeten. Es wäre interessant, das Ergebnis
festzustellen, das eine unter vier Angen an alle die scheinbar so
hochentzückten gestellte Rundfrage über ihr wirkliches Urteil ge¬
habt hätte. Die wenigen Aufrichtigen haben am Schlusse der
Vorstellung kein Heul daraus gemacht, daß sie noch selln
mit einem so ungemischten C hie der Langweile das Theater
Wallenangabe ehne Geucht# 10Wil
verlassen wie gestern. Die drei Einakter bedeuten übrigens
Ausschnitt aus eartelder Werdling, Jeusrr
keine neue Entwicklungsstufe in dem Schaffen Schnitzlers,
sie sind vielmehr längst bekannt. Zu einem Theaterabend
11 2 1912
vereinigt, haben sie ein so intensives Unbehagen ausgelöst,
remi
daß man das Experiment, das vor einem dem Autor so
günstig gesinnten Publikum freilich nicht mißglücken konnte,
Deutsches Volkstheater. „Marionetten.“ Drei
wohl nicht allzu oft — nota bene vor nicht voreingenommenen
Theaterbesuchern — wird wiederholen können. Die „Studie“.
Einakter von Arthur Schnitzler. Schnitzlers Eigenart, die
„Der Puppenspieler“ führt uns einen Bohemien vor, eines
Quellen seiner dichterischen Kraft sind in diesen traumtiefen
jener verkannten Genies, die zu Weltverächtern werden, weil
Schöpfungen klar zu finden. Marionettenhaft ist ihm die Welt.
man sie nicht nach Gebühr einschätzt. Das uns von Schnitzler
Die Menschen sind Puppenspieler und Puppen zugleich. Aller
vorgeführte Exemplar leidet außerdem noch an der fixen
Ernst ist ihm Spiel, alle Ertenntnis ist Erkenntnis des Spieleri¬
Idee, daß die anderen Menschen Puppen seien, die er durch
schen, das in uns wirkt. Ergreisend klingt diese Melodie aus
die Kraft seines suggestiven Willens nach Belieben lenkt.
dem Puppenspieler. Da ist Georg Merklin, der
Als er nach Jahren einen einstigen Freund wiederfindet,
mit den Menschen zu spielen glaubt. Aber er kommt darauf,
an dem er auch einst seine dämonische Gewalt zu erproben
daß die Menschen auch mit ihm spielen. Eine groteske Variation
glaubte, muß er gewahr werden, daß alles anders kam, als
desselben Themas bedeutet der tapfere Kassian; er will
er glaubte, daß man mit ihm, dem vermeintlichen Puppen¬
die ganze Welt gewinnen und verliert sie. Ins Grandiose
spieler, gespielt hat. Fräulein v. Wagner sowie die Herren
(gleich jener Symphonie von Mahler) steigert sich das Motiv in
[Kramer und Onno bemühten sich, der Episode, der
der Burleske „Zum großen Wurstel“. Der Prater, seht
jeder dramatische Einschla,, fehlt, etwas Leben und Farbe
zu geben. Es war vergeblich. Die beiden anderen Einakter
hin, der Prater ist der Spiegel des Lebens, das ihr führt. Wenn
sind szenisch als Puppenspiele durchgeführt. „Der tapsere
einer mit dem Schwert durch die Marionettendrähte fährt, muß
Cassian“ ist ja vor zwei Jahren wirklich auf einer Mario¬
alles hinsinken, denn alles ist Marionette. Schnitzler läßt diese
Gestalt wirklich auftreten. Und der Schwertschwinger erschaudert
aß—
vor sich selbst: Bin ich ich selber — oder nur ein
nettenbühne dargestellt worden. Da war es unn gestern in
Zeichen? — Nur ein Zeichen. Ein Zeichen, wie weit gewisse
seiner Art ganz ergötlich. Fr## Sivaner sowie die Herren
Schichten unserer Gesellschaft und mit ihnen ihre Dichter
Homma und Gunther ihre Menschlichkeit verleugnen
und das möglichste tun zu sehen, um durch ihre Bewegungen
(und hier ein großer Dichter) dem lebendigen Zeitwillen
den Eindruck von Puppen hervorzurufen. Muß man aber,
entrückt sind. Hat es jemals Tage so voll welt¬
damit einem derartiges einfällt, wirklich ein Dichter sein oder
formender Massenkräfte gegeben wie die unseren? Und doch
heißen? Es gibt freilich Leute, die sich so anstellen, als ob
Dichter, die alles für ein Puppenspiel halten!...
sie ganz genau wußten, welch tiefer Sinn in dem einfachen
die Darstellung der Einakter brachte viele Feinheiten. Leopold
Spiel steckt, aber sie wären sicherlich in der größten Verlegen¬
Kramer als Puppenspieler Merklin bot eine überragende
heit, wenn man sie auffordern würde, uns von ihrer Wissen¬
Leistung. Erika v. Wagner dagegen blieb diesmal alle Gestaltungs¬
schaft etwas mitzuteilen. Im letzten Einakter, bei dem wir
kunst schuldig. Prächtig ist Josefine Glöckner als Sophie, die
zusammen mit dem typischen Publikum des „Volkspraters“
den tapferen Kassian liebt. Ihr stummes Spiel während der
vor der Bühne „Zum großen Wurstel“ sitzen, deren. Direktor
Bramarbasrede des Angebeteten entzückte. Hans Homma
(Herr Homma) im echtesten Ausrufertone die neue zur
sprach als Kassian zu undentlich. Die Burleske „Zum großen
Aufführung kommende Komödie anpreist, tut Schnitzler so,
Wurstel“ fand in Homma als Direktor und in Paul
als ob er sich über sich selbst lustig machen wollte. Die
Askonas ihre besten Interpreten. Falsch erscheint mir die
Puppen, die da auftreten — diesmal wird die Illusion des
Marionettenhaften noch durch die von oben herabhängen¬
Auffassung, die aus Louis Böhms Dichtergestalt spricht. Der
den Schnüre verstärkt — zeigen zum großen Teile Aehnlich¬
Dichter müßte mehr ins Pathetische parodiert werden. — Das
keit mit bekannten Gestalten der Schnitzlerischen Bühnen¬
Publikum nahm die feinen Dichtungen „mit großem und herz¬
werke. Da ist der mit Anatol sehr nahe verwandte Held und
lichem Beifall auf.
J. L. S.
Liebhaber, ferner der speziell für den Anatol=Zyklus
charakteristische „Raisonneur“ es fehlt auch nicht die lebens¬
und liebeslustige mondaine Frau sowie deren als Rächer
seiner Ehre auftretende eisersüchtige Gatte und selbstver¬
ständlich ist unter den Figuren auch das „süße Mädel“.
Mitten aus dem Publikum springt dann ein „Unbekannter
im blauen Mantel“ auf die Bühne, der mit seinem Schwerte
die Schnüre der Maronette zerschneidet und dem Publikum
Sottisen ins Gesicht schreit. Diese Grobheiten quittierten die
Besucher der gestrigen Premiere mit dem stärksten Beifalle.
Die Frage nach dem Grunde dieses Verhaltens wird wohl
ebenso unbeantwortet bleiben, wie die, ob man uns den
gestrigen Abend nicht hätte ersparen können ..
Wir
erfüllen noch eine Pflicht, indem wir von den in dem letzten
Einakter Mitwirkenden noch die Damen Galafrés und
Waldow, sowie die Herren Kramer, Günther,
Fürth, Amon, Russek, Askonas und Huber
lobend erwähnen.