17.4. Marionetten zukIus
##t, Enicago, Cleveland, Christianis,
Ropemlagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis,
New-York, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
(Guclienangabe ohnn Gewühr.
Assschnitt aus:
Der Morgen Wien
vem 12 Z 1912
Deutsches Volkstheater.
Artur Schnitzlers weiterer Freundeskreis will durchaus
ein Lustspiel'von ihm. Die wundervolle Grazic seines Dialogs,
der beflügelt über die Abgründe des Lebens dahintanzt, ver¬
führt sie zu diesem Wunsche. Aber Schnitzlers Produktivität
wurzelt in dem Schauer, den ihm ein Bild erregt: der Tod
blickt durch die bunten Scheiben eines hohen Renaissancefensters
auf ein mit Blumen überdecktes Brautbett. Vielleicht hat er es
zuerst in Shakespeares-„Romeo und Julia“ erschaut, vielleicht
im Traum einer schwülen Septembernacht seiner Jugend. Seit¬
dem ist's ihm versagt, den Storch durch das niedere Fenster¬
chen einer Brautkammer gucken zu lassen. Und die Menge will
doch ihr Lustspiel von Schnitzler. So hat man den alten
Anatol zu freundlicher Wiederkehr geladen und viel Freude an
ihm gefunden. Diesmal sollten die drei aus verschiedenen, aber.
durchweg überwundenen Schaffungsperioden stammenden Ein¬
akter, die der Dichter unter dem Titel „Marionetten“
zu einem Büchlein vereinigt hat, den lustigen Schnitzler vor¬
täuschen. Diesmal gelang's nicht. Der große Dramaturg, der
sich im Schatten jedes Rampenlichtes verbürgt, durchschnitt
die Drähte, an denen diese „lustigen Personen“ hängen und
sie fielen als banale Holzpuppen zu Boden. Es sind Kinder
müder Launen, artistische Mißhelligkeiten des Dichters, Be¬
freiungen des Schaffenden von Skrupeln und Zweifeln. Diese
haben das Publikum nicht bedrückt, darum wirken sie ihm auch
nicht befreiend. Es wird ihm auch nicht wohl dabei, wenn
Schnitzler sich selbst parodiert. Die Zuschauer wehrten sich gegen
die Drähte, mit denen man auch sie regieren wollte. Volks¬
theater und Schnitzler waren diesmal nicht gut beraten. Mit
diesen drei Spielereien eines ausruhenden Poeten dürfte man
es zuhöchst einzeln versuchen. Die Zusammenfassung ihrer weh¬
mütigen Parodistika aigrierte die Hörer. Die Regie Kramers¬
halte im „Tapferen Kassian“ den besten Puppenspieleinfall.
Der Scherz zeigte Stil. Der Gang um Puppenspieler mi߬
glückte dem Darsteller Kramer, den „Herrn im blauen Mantel“,
der hier mit Weisses Sprechkunst gelungen wäre, gelang im
Technischen aber nicht in der Wirkung. Fr. Glöckner war die
beste an dem Abend.
h. 1.
box 22/11
——
= Sehnl., Lressel, Budapest, Chcago, Ceveland, Christianis.
Sent, Kopenhagen, London, Mdrid, Mailand, Minneapelta,
New-York, Paris, Rom, San Fraicisco, Stockholm, St. Petecs¬
burg, Teronto.
WEF
(Guslienengabe dne Gewüs.
Ma
Ausschnitt abs:
825
Geuer. A
SRTERIT
Deutsches Volkstheater. Die drei Einakter von
ArturSchnipter die gestern hier unter dem
Gesamttitet: Märionekten zum erstenmal gegeben
wurden, — „Der Puppenspieler“, „Der tapfere Cassian“,
„Der große Wurstel“ — verbindet der Gedanke, daß das
Leben ein Puppenspiel und die Menschen Marionetten
sind. Ein Groteskspiegel wird aufgemacht, der scharf
umrissene Figuren zurückwirft. Die literarische Wertung
dieser geistvollen Pessimismen steht fest. wie auch die Tat¬
sache gestern ihre Bestätigung fank daß die lebendige
Bühne diesen Schattenspielen des Lebens abhold ist, was
ja schon bei früheren Aufführungen sich erwiesen hat.
Auch das gestrige, dem Dichter so überaus geneigte
Publikum fand zu den „Marionetten“ nur schwer die
richtige Distanz; am leichtesten zum „Puppen¬
spieler", dessen Figuren, der Verfallsmensch mit
seinem eigen konstruierten Innenleben und der ideale
Ordnungsmensch, noch am greifbarsten in die Gegen¬
wart hineinragen. „Der tapfere Cassian“ ist
sicher mehr ein Puppenspiel, das heißt ein Spiel für
Marionetten (Brauns Münchner Marionettentheater hat
diese Groteske hier gegeben) als für lebendige Schau¬
spieler und beim „großen Wurstel“ ruft die
nachschaffende Phantasie des Lesers weit größere künst¬
lerische Eindrücke hervor als die Bühne. Den Dar¬
stellern kann man daraus keinen Vorwurf machen; sie
gaben alle das Beste. Erika v. Wagner (im Puppen¬
spieler) hat die edelste Kultur der Sprache, gleichsam ein
Ausklang dieses feingeschnittenen Aristokratenprofils.
Ihre Geste und Mimik ist von vornehmer Einfachheit
und verleiht dieser kleinen Rolle künstlerischen Reiz. In
der Titelrolle machte Herr Kramer auf dem Wege
ins Charakterfach einen weiteren interessanten Schritt.
Im „Tapferen Cassian“ wahrte Frau Glöckner fast
allein den Charakter der Marionette; sie war in ihren
eckigen, abgemessenen Bewegungen und der sakkadierten
Sprechweise ganz köstlich. Amusant war Herrn Hommas
Puppenstubenfalstaff. Mit dem „Großen Wurstel“
und keinen angehäuften Symbolismen, Ironien und
Ausfällen kamen die Zuhörer am wenigsten zurecht.
Am raschesten fand es sich in die Wurstelpraterszenen
inein, das Wurstelspiel selbst schien die Zuhörer zu ver¬
virren. Frau Galafres war hier sehr komisch, über¬
aschend gut in einer Therese Biedermann=Kopie Fräulein
Baldow, der waschechte Typus eines Rekommandeurs
derr Homa und verblüffend in seiner Maske
derr-O###der schon im Puppenspieler seine hohe
shauspitlerische Intelligenz und seine aparte interessante
Art zu sprechen gezeigt. — Das Publikum spekulierte
nicht viel über Stück und Darstellung. Es hielt tapfer
zum Dichter und bereitete Artur Schnitzler
. 1.
stürmische Ovationen.
##t, Enicago, Cleveland, Christianis,
Ropemlagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis,
New-York, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
(Guclienangabe ohnn Gewühr.
Assschnitt aus:
Der Morgen Wien
vem 12 Z 1912
Deutsches Volkstheater.
Artur Schnitzlers weiterer Freundeskreis will durchaus
ein Lustspiel'von ihm. Die wundervolle Grazic seines Dialogs,
der beflügelt über die Abgründe des Lebens dahintanzt, ver¬
führt sie zu diesem Wunsche. Aber Schnitzlers Produktivität
wurzelt in dem Schauer, den ihm ein Bild erregt: der Tod
blickt durch die bunten Scheiben eines hohen Renaissancefensters
auf ein mit Blumen überdecktes Brautbett. Vielleicht hat er es
zuerst in Shakespeares-„Romeo und Julia“ erschaut, vielleicht
im Traum einer schwülen Septembernacht seiner Jugend. Seit¬
dem ist's ihm versagt, den Storch durch das niedere Fenster¬
chen einer Brautkammer gucken zu lassen. Und die Menge will
doch ihr Lustspiel von Schnitzler. So hat man den alten
Anatol zu freundlicher Wiederkehr geladen und viel Freude an
ihm gefunden. Diesmal sollten die drei aus verschiedenen, aber.
durchweg überwundenen Schaffungsperioden stammenden Ein¬
akter, die der Dichter unter dem Titel „Marionetten“
zu einem Büchlein vereinigt hat, den lustigen Schnitzler vor¬
täuschen. Diesmal gelang's nicht. Der große Dramaturg, der
sich im Schatten jedes Rampenlichtes verbürgt, durchschnitt
die Drähte, an denen diese „lustigen Personen“ hängen und
sie fielen als banale Holzpuppen zu Boden. Es sind Kinder
müder Launen, artistische Mißhelligkeiten des Dichters, Be¬
freiungen des Schaffenden von Skrupeln und Zweifeln. Diese
haben das Publikum nicht bedrückt, darum wirken sie ihm auch
nicht befreiend. Es wird ihm auch nicht wohl dabei, wenn
Schnitzler sich selbst parodiert. Die Zuschauer wehrten sich gegen
die Drähte, mit denen man auch sie regieren wollte. Volks¬
theater und Schnitzler waren diesmal nicht gut beraten. Mit
diesen drei Spielereien eines ausruhenden Poeten dürfte man
es zuhöchst einzeln versuchen. Die Zusammenfassung ihrer weh¬
mütigen Parodistika aigrierte die Hörer. Die Regie Kramers¬
halte im „Tapferen Kassian“ den besten Puppenspieleinfall.
Der Scherz zeigte Stil. Der Gang um Puppenspieler mi߬
glückte dem Darsteller Kramer, den „Herrn im blauen Mantel“,
der hier mit Weisses Sprechkunst gelungen wäre, gelang im
Technischen aber nicht in der Wirkung. Fr. Glöckner war die
beste an dem Abend.
h. 1.
box 22/11
——
= Sehnl., Lressel, Budapest, Chcago, Ceveland, Christianis.
Sent, Kopenhagen, London, Mdrid, Mailand, Minneapelta,
New-York, Paris, Rom, San Fraicisco, Stockholm, St. Petecs¬
burg, Teronto.
WEF
(Guslienengabe dne Gewüs.
Ma
Ausschnitt abs:
825
Geuer. A
SRTERIT
Deutsches Volkstheater. Die drei Einakter von
ArturSchnipter die gestern hier unter dem
Gesamttitet: Märionekten zum erstenmal gegeben
wurden, — „Der Puppenspieler“, „Der tapfere Cassian“,
„Der große Wurstel“ — verbindet der Gedanke, daß das
Leben ein Puppenspiel und die Menschen Marionetten
sind. Ein Groteskspiegel wird aufgemacht, der scharf
umrissene Figuren zurückwirft. Die literarische Wertung
dieser geistvollen Pessimismen steht fest. wie auch die Tat¬
sache gestern ihre Bestätigung fank daß die lebendige
Bühne diesen Schattenspielen des Lebens abhold ist, was
ja schon bei früheren Aufführungen sich erwiesen hat.
Auch das gestrige, dem Dichter so überaus geneigte
Publikum fand zu den „Marionetten“ nur schwer die
richtige Distanz; am leichtesten zum „Puppen¬
spieler", dessen Figuren, der Verfallsmensch mit
seinem eigen konstruierten Innenleben und der ideale
Ordnungsmensch, noch am greifbarsten in die Gegen¬
wart hineinragen. „Der tapfere Cassian“ ist
sicher mehr ein Puppenspiel, das heißt ein Spiel für
Marionetten (Brauns Münchner Marionettentheater hat
diese Groteske hier gegeben) als für lebendige Schau¬
spieler und beim „großen Wurstel“ ruft die
nachschaffende Phantasie des Lesers weit größere künst¬
lerische Eindrücke hervor als die Bühne. Den Dar¬
stellern kann man daraus keinen Vorwurf machen; sie
gaben alle das Beste. Erika v. Wagner (im Puppen¬
spieler) hat die edelste Kultur der Sprache, gleichsam ein
Ausklang dieses feingeschnittenen Aristokratenprofils.
Ihre Geste und Mimik ist von vornehmer Einfachheit
und verleiht dieser kleinen Rolle künstlerischen Reiz. In
der Titelrolle machte Herr Kramer auf dem Wege
ins Charakterfach einen weiteren interessanten Schritt.
Im „Tapferen Cassian“ wahrte Frau Glöckner fast
allein den Charakter der Marionette; sie war in ihren
eckigen, abgemessenen Bewegungen und der sakkadierten
Sprechweise ganz köstlich. Amusant war Herrn Hommas
Puppenstubenfalstaff. Mit dem „Großen Wurstel“
und keinen angehäuften Symbolismen, Ironien und
Ausfällen kamen die Zuhörer am wenigsten zurecht.
Am raschesten fand es sich in die Wurstelpraterszenen
inein, das Wurstelspiel selbst schien die Zuhörer zu ver¬
virren. Frau Galafres war hier sehr komisch, über¬
aschend gut in einer Therese Biedermann=Kopie Fräulein
Baldow, der waschechte Typus eines Rekommandeurs
derr Homa und verblüffend in seiner Maske
derr-O###der schon im Puppenspieler seine hohe
shauspitlerische Intelligenz und seine aparte interessante
Art zu sprechen gezeigt. — Das Publikum spekulierte
nicht viel über Stück und Darstellung. Es hielt tapfer
zum Dichter und bereitete Artur Schnitzler
. 1.
stürmische Ovationen.