II, Theaterstücke 17, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 0), Marionetten. Drei Einakter, Seite 71

17.4. Marionetten Zuklus box 22/11
Auaschnitt aus
Verliner Dörsen-Courte
114 2 112
Vor den Kulissen.
Arthur Schnitzlers „Marionetten“.
Unser Wiener Korrespondent schreibt uns:
Die Zusammenfassung der drei Einakter von
Arthur Schnitzler, welche das Deutsche Volkstheater
unter dem Kollektivistel „Marionen“ ver¬
gangenen Sonnabend Prachte, was kein=sehr glücklicher
Gedanke. Die Stücke haben nursgauf äußerliche Be¬
„veland, Christiania,
rührungspunkte, da und dort etwaß Puppenspielerisches,
Maurid, Mailand, Minneapolts,
teils nur angedeutetz teils wirklich dargestellt. Nicht
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Potere¬
der Dichter alleinund nicht der echte, rechte, liebe
burg, Toronto.
Arthur Schnitzler mit seiner bannenden und
(Quellenangebe ehme Gewüns.)
sondern der philoso¬
suggestiven Macht,
phierende Träumer und Denker Schnitzler
Zusschnitt aus:
uns.
drei Stücken
spricht aus diesen
Neusgkeits welchlatt, suten
Im „Puppenspieler“ führt er die Annahme eines
13 FE3 1912
träumerischen Kopfes ad absurdum, daß man die
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Menschen nach eigenem Willen lenken könne — und
es hat eigentümlich berührt und war jedenfalls eine

arge Geschmacklosigkeit der Direktion des Deutschen
Volkstheaters, daß sie dieses Stück unmittelbar nach
Theater, Kunst und Musik.
der in viel interessanterer Weise dem gleichen Gedanken
behandelnden Komödie „Les marionettes“ von Pierre
Wien, 10. Februar 1912.
Wolff brachte. Auf derselben Saite spielt auch
Deutsches Volkstheater. Zum erstenmal „Mario¬
„Der tapfere Cassian“ in welchem das
Puppenhafte einer gewissen Kategorie von Menschen, die
netten“, drei Einakter von Arthur Schnitzler. —
allerdings in diesem Falle mehr Strohköpfe, oder sagen wir
Eine Studie „Der Puppenspielek“, das Püppen¬
Strohpuppen sind, dargestellt wird. Das Publikum
spiel „Der tapfere Kassiau“ und die Burleske
wußte mit diesem Stück überhaupt nichts anzufangen
„Zum großen Wurstel“ sind unter dem Titel
und spendete den Darstellern, namentlich Frau;
„Marionerten“ vereinigt. Arthur Schnitzler hat keinen
Glöckner, welche die von einem Mann zum anderen
pendelnde treulose Puppenfigur in Holzschnittmanier!
ahren Freund; der hätte ihm sonst dringend von diesem
mit wirklicher Lustigkeit verkörperte, mehr Beifall als
Lagnis abraten müssen. Drei Einakter, deren Charatteristikum
dem Dichter. Man hatte über das nämliche Stück
T#ie völlige Handlungslosigkeit ist, vereint in das grelle
weidlich mehr gelacht, als es das Münchener Mario¬
Zühnenlicht einauszustellen .... es mußte mißglücken.
nettentheater in Wien aufführte, denn da trat es nicht
Im besten schnitt noch die Studie ab, ein Gespräch, das
so prätentiös auf als auf der Bühne des Deutschen
Volkstheaters.
ine eigenartige Figur vorführt, einen Dichter, der sich so
Den nicht eben heiteren Schluß des Abends bildete
soch entwickelt hat, daß er das Dichten unterläßt, also ein
die so fröhlich einsetzende und so schauerlich endende
Feuer, das nicht mehr brennen will. Kramer sprach
Burleske „Zum großen Wurstel“ die seiner¬
diesen Dichter, leider so, daß man nur mehr das Aus¬
zeit an einer anderen Wiener Bühne mit mäßigem
gebrannte sah. — Ganz schlecht schnitt die Burleske ab.
Erfolge aufgeführt wurde und auch im Volkstheater
das Schicksal aller jener Stücke erlebte, welche an die
Sie mag sehr amüsant zu lesen sein, aber auf der
Denkkraft und Rätsellösekunst der Zuhörer komplizierte
Bühne ... Man weiß nicht, was man davon denten
Anforderungen stellen. Nach einem heiteren Präludium,
soll. Will der Verfasser sein eigenes dramatisches Schaffen
nachdem die Wurstelfiguren, die durch von den
mit wollüstiger Grausamkeit verhöhnen oder ist er so sehr!
Soffiten herabhängende Drähte gelenkt werden, in
von Größenwahn erfaßt, daß er sich als der „Unbekannte
durchweg lustigen Knittelversen die dürftige Handlung
entwirrt haben, erscheint mit einem Male der als Tod
mit dem blauen Mantel“ dünkt, deisen Schwert klar macht,
verkleidete Harlekin auf der Bühne, der aber dann abgelöst
wer nur eine Puppe und wer ein Mensch war? Oh, dieser
wird von dem wirklichen Allbefreier Tod, so daß aus
blaue Unbekannte! Wie ehedem der Gott aus der Maschine
dem lustigen, fröhlichen Tanz mit einem Male ein grabes¬
sprang, um die Lösung eines Stückes zu bringen, so springt
schauriger Totentanz wird. Nach dem liebenswürdigen
beim „großen Wurstel“ der blaue Unbekannte aus der
Unsinn ernste Uebersinnlichkeit, denn nur metaphysisch
ist das Gehaben des Dämons zu erklären, der mit
Kulisse, um eine Tirade über die Akteure auf der Bühne
gespenstischer Fratze, während die Szene sich verfinstert,
zu schmettern und auch dem Publikum eine Grobheit ins
von bläulichem Licht umflossen, erscheint, die Drähte,
Gesicht zu schleudern. Ein dramatischer Notbehelf, so arm¬
an welchen die Spieler zappeln, zerschneidet, um damit
selig, wie die beschriebenen Zettel, die bei den Malern
allegorisch anzudeuten, daß alles auf dieser Erde nur
früherer Jahrhunderte den Figuren aus dem Mund hingen.
eitel Spiel und Gaukelei sei. Das ist gewiß ein
schöner und tiefer Gedanke, aber die Art, wie er
Ein Dramatiker hätte eine Handlung gestaltet, die uns
in
o grellem Kotrastlicht auf der Bühne
das als unwiderstehliche Erkenntnis aufzwingt, was der
ausgedrückt wird, ist bei aller Tiefe der Anschauung
blaue Unbekannte tiradiert. Wie sagt Goethe? Bilde,
doch unwirksam. Vielleicht hat das Publikum auch
Künstler, rede nicht! Und Schnitzler redet, redet, redet ....
ein wenig befremdet und völlig aus der Stimmung
gerissen, daß der alte abgebrauchte Trick wieder an¬
So durfte er sich nicht wundern, daß am Schluß ein großer##
gewendet wurde, plötzlich die Aktion ins Publikum zu
zasp
Teil, des Publikums zischte.
verlegen und einen Herrn im Parkett in die Hand¬
lung eingreifen zu lassen. Die Herren Homma und
Onno, Frau Galaftés, die ausnahmsweise
sehr komisch erschien, und Fräulein Waldow, end¬
lich Herr Kramer als der Erlöser Tod schlugen
aus ihren Rollen heraus, was herauszuschlagen war.!
Schnitzler wurde sozusagen unter Donner und Blitz
es gab jedoch sehr viel Donner und sehr
gerufen —
viel Blitz.
Ausgesprochenen Erfolg, einmütige Zustimmung
fand „Der Puppenspieler“ diese ergreifende