II, Theaterstücke 17, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 0), Marionetten. Drei Einakter, Seite 94

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17.4. MarinettekIns
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TER LLOVE
vom: 14 MALAZ HeLE

(Ne#e Bühne.) Dieses neue Theater, das (uns nicht
nur neue Bühnenliteratur, sondern auch neue Szenenkunst ver¬
spricht, brachte heute als Eröffnungsvorstellung, die ein von
Fräulein Simonyi hübsch gesprochener Prolog einleitete, drei
kleine Einakter: ein tragisch grundiertes Dramolet von Julius
Krudy, eine ironische Komödie von Arpad Vämos und endlich
ein phantastisch symbolisches Puppenspiel von Arthur Schnitzler.
Drei Stücke also, die, aus sehr verschiedenem künstlerischen
Wollen stammend, in Stil, Schauplatz und Gefühlssphäre nichts
miteinander gemein haben. Dennoch scheint es, wenn man das
Theater verläßt und der eben noch frische Eindruck langsam in
das Reservoir der Erinnerung hinüberzusickern heginnt, als
seien diese drei Akte nur verschiedenartig und in immer anderer
Tonart instrumentierte Variationen über das alte, das ewige
Thema von der Schönheit, der Wonne, der sieghaften Kraft des
Lebens. Bei Krudy, der im „Karpathenabenteuer“ eine Episode
seines liebenswürdigen Szinbad=Buches wenig wirkungsvoll
dramatisierte, klngt dieses Thema nicht ganz rein, wird stark
von den Nebenmotiven der Milieuzeichnung übertönt. Und doch
wollen die vorsichtig tastenden Verführungsworte, mit denen
sich Szinbad, der leichtsinnig melancholische Abenteurer, dem
Dorfwirtstöchterchen nähert, nichts anderes, als dessen dumpfe
Sehnsucht nach dem großen, reichen, heißen Leben erwecken,
von dem sie nur träumt, das ihr hier nie blühen
kann. Er lockt sie mit lügnerischen Verheißungen, will sie gleich
heute nachts mit sich in die Großstadt nehmen, und die arme
Kleine, die nichts vor sich sieht als ein leeres, ödes Krämer¬
dasein, fällt ihm willenlos in die Arme. Dann freilich zieht
Szinbad bald weiter, neuen Abenteuern entgegen, und der
Kleinen bleibt nichts als die bittersüße Erinnerung an eine
einzige Nacht, in der sie dem „Ruf des Lebens“ folgte... Die
Form dieses kleinen Dramas ist ein wenig brüchig. Gespielt
wurde es von den Herren Antalffy, Czakö, Pesti und von
Fräulein Nagy recht angenehm; alle aber übertraf in einer
Nebenrolle Herr Gellért. — Der „Ruf des Lebens“ siegt auch über
die verzweifelte Trauer der „Witwe von Ephesus“. Der Stoff ist
nicht neu und Herr Vämos nicht der Erste, der ihn auf die
Bretter stellte: Am Grabe ihres eben beerdigten Mannes wird
die Witwe von den werbenden Worten eines Soldaten um¬
schmeichelt, der hier den Leichnam eines Gehenkten zu bewachen:
hat. Erst ist sie entrüstet, dann aber behält auch hier der Lebende
Recht und sie sträubt sich nicht länger. Doch just im ersten
Rausche ihres neuen Glückes stiehlt man die Leiche des am
Galgen Baumelnden. Dem säumigen Wächter drobt sicherer
Tod. Schon klingt drüben das Signal der nahenden Ablösung.
Und jetzt gilt es für die Witwve, nur den Geliebten zu reiten.
Was liegt nun an allem was war, da aufs neue die Liebe,
das Leben lockt? Es gibt nur eine Rettung: den Leichnam des
toten Gatten auszugraben und als Ersatz an den Galgen zu
hängen. Der Dialog, der zu dieser für das Gesühl ebenso pein¬
lichen, wie für die Vernunft überzeugenden Pointe führt, ist
nicht eben, kunstvoll, gibt auch nichts vom Geiste der Zeit
wieder, was wünschenswert erschiene, zeigt aber doch schrift¬
stellerische Qualitäten und wurde von Herrn Pataki annehmbar,
von Fräulein Markovics mitunter interessant behandelt. Die
plastische Dekoration, die Ludwig Kozma entwarf, hatte Stim¬
mung und Stil. Der Höhehunpt des Abends ader war in jedem
Belange die Schnitzlersche Groteske vom „tapferen Cassian“.
Auch hier das Grundmotiv vom Zauber und Reichtum des
Lebens, das aber nur der mutig Zugreifende, der Starke, Un¬
bedenkliche meistert. Cassian ist ein solcher Kerl, und kaum ist
er da, schon nimmt er dem schwärmerischen, flöteblasenden
Martin Weib Geld, Zukunftshoffnungen, endlich sogar das
iter der wie um das Typische und Sym¬
Leben selbst. Dl
bolische solchen Gescheyens zu unlerstreichen, die kleine Komödie
ein „Puppenspiel“ nannte, hiemit dem Regisseur den Wink geben
wollte, das Stück auch als Marionettendrama zu behandeln, ist
sicherlich diskutabel. Doch der originelle Versuch war im Aus¬
lande geglückt und man erneuerte ihn auch hier mit großem
Erfolg, den schon die lustige, grell naive Ausstattung der
Szene — von Michael Birö —, dann auch die, wie in gut¬
geölten Scharnieren verbeihaspelnde und zappelnde Darstellung
der Frau D.=Hußär und der Herren Harsänyi und Pethö red¬
lich verdiente. Es wa im ganzen ein anregender Abend, der
für, 5i „Zukunft der jungen Bühne Erfreuliches hoffen läßt, und
des dichtgefüllte Haus gab seiner Befriedigung oft lauten
Ausdruck. *##
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