II, Theaterstücke 17, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 3), Zum großen Wurstel. Burleske in einem Akt (Marionetten), Seite 5

Beilage zu Nr. 926
Heiterer (ebenso):
Getrost! es kommt ein andres Stück!
Der Naive: Habts ihr das verstanden?...
In der nächsten Komödie spielen die die Haupt¬
rollen.
Held:
Ich habe die Herzogin nie gesehn,
Doch will mir ihr Gatte ans Leben gehn.
Mich hält er, der ich's gewiß nicht bin,
Für den Geliebten der Herzogin.
Es schlug mir der Freche ins Gesicht,
Doch schwör' ich: die Herzogin kenn' ich
nicht!
Ernster: Er schwört...
Heiterer:
Ei was, ich schwüre auch!
's ist unter Ehrenmännern Brauch.
Held:
Der Herzog wartet, es drängt die Zeit!
Pistolen — zehn Schritte — ich bin bereit!
(Ernster und heiterer Freund ab.)
Der Wohlwollende: Es ist eine
beißende Satire auf das Duell.
Der Bissige: Mich beißt's vorläufig
nicht.
Der Naive: Ich bin neugierig, ob das
Duell vorkommen wird.
Die Frau (zu ihrem Mann, dem ersten
Bürger): Wenn g'schossen wird, bleib ich nicht da.
Erster Bürger: Aber Schatzerl, reg'
dich nicht auf ...
Der Dichter: Diese Kunstpausen!..
(Zum Direktor:) Ich hab's Ihnen g'sagt, dieser
Idiot ruiniert mir das Ganze!
Der Bissige: Wenn jetzt wieder ein
Monolog kommt, werd' ich unangenehm.
Der Wohlwollende: Das wird
Ihnen nicht schwer werden.
Der Bissige: Was heißt denn das?...
Sind Sie der Bissige oder ich!.
Held:
Daß meine beiden Sekundanten
Sich als Rivalen jetzt erkannten —
Der Bissige (schlägt auf den Tisch).
Held:
Bei dieser selben Herzogin,
Der ich ein gänzlich Fremder bin,
Und ich als Opier fallen soll,
Das find' ich höchst geheimnisvoll.
Was aber fang' ich armer Mann
Mit meinen letzten Stunden an?
Näsoneur (tritt vor):
Den Frühling seh' ich lachen und winken,
Er will uns doch zu kurz bedünken —
Doch der, dem nur gehört ein Tag,
Weiß nicht, was er beginnen mag.
Direktor: Ja, warum haben S' ihm
denn das nicht g'strichen?
Der Dichter: Das ist doch die schönste
Stelle!
Direktor: Merken Sie nicht, wie die
Leut' unruhig werden?... Jetzt stellen Sie sich
nur vor, wenn die noch hungrig wären!
Der Dichter: Bestien!
Der Naive: Schauts, jetzt schreibt er ...
Ah, das ist gut!
eld (hat sich an den Schreibtisch gesetzt
und geschrieben):
All meine Habe, Geliebte, sei dein,
Doch heute noch will ich dein Gatte sein.
Denn ließ' ich sie ohne dieses erben,
Sie müßte durch ihren Vater sterben,
Da dieser ein düsterer Kanzelist
Aus einer sehr alten Schachtel ist,
Auf jenseits von Gut und Böse pfeift
Und sozusagen nichts begreift.
(Es klingelt.)
Der Diener (tritt ein):
Es klingelt, ich öffnete die Tür,
Und dieses dämonische Weib steht vor mir.
(Ab.)
Die Oster=Zeit.
Die Herzogin von Lawin (tritt!
ein; mit großartigen Bewegungen).
Ich bin die Herzogin von Lawin,
Der Sensationen Sucherin.
Der Herzog erschießt Sie morgen — bum!
Sie sollen wenigstens wissen, warum.
(Sie sperrt die Tür ab.)
Der Naive: Jetzt sperrt s' gar ab!
Gebts acht, Kinder, jetzt kann's gut werden!
Held: Was tun Sie?
Herzogin:
Sie weilen nicht lange mehr auf Erden,
So lassen Sie schleunigst uns schuldig werden;
Ich liebe die Streiche, die wilden, die tollen,
O, machen Sie doch aus mir, was Sie wollen!
Zweiter Bürger: Madeln, gehn wir,
das is nix für euch!
Zweites Mädel: Aber Vatter, wir ver¬
stehn ja nix!
Zweiter Bürger: Alsdann, wann ihr
nix verstehts...
Held:
Tief ist die Dunkelheit dieses Falles!
O Herzogin, wie kommt dies alles?
Herzogin:
Dich such' ich, seit ich suchen kann,
Nie liebt' ich einen andern Mann,
Zu Füßen lag mir das ganze Gelichter,
Reitknechte, Fürsten, Soldaten und Dichter,
Stets fand ich der andern Liebe nur,
Von meiner regte sich keine Spur.
Denn einen nur könnt' ich auf Erden lieben,
Dem ich die letzte wäre geblieben
Und del es weiß, daß an meiner Brust
Ihm brausend erblüht die letzte Lust.
Drum bist du der Schönste heut, der lebt,
Schön macht dich der Tod, der dich umschwebt,
Schön macht dich, daß du verloren bist
Und morgen alles zu Ende ist.
Was bist du so düster? Was bist du so still?
So mach' doch endlich aus mir, was ich will!
(Sie wirft sich in seine Arme.)
Held (nach einer kleinen Pause, sich von ihr
entfernend):
Nur eines vergessen Sie, Herzogin:
Daß ich etwa nicht in der Stimmung bin.
Zweiter Bürger: Madeln, gehn wir ..
Mädeln: Aber Vatter, wir verstehn ja nix!
Zweiter Bürger: Aber ich schenier'
nich für euch!... Gehn wir...
Herzogin (sieht den Held zuerst groß an,
dann lacht sie auf, wild und hysterisch; plötzlich
horcht sie):
Der Herzog! Wohin, daß er mich nicht erblickt?
(Sie flüchtet sich ins Schlafzimmer.)
Held: In was für Schicksal bin ich verstrickt!
Dichter (zum Direktor): Jetzt geht's gut!
Die Szene hat gewirkt!
Direktor: Zu spät! Alles Frühere hätt'
heraus müssen!
Der Dichter: Da hätt' man ja absolut
nichts verstanden!
Direktor: Aber unterhalten hätten sich
die Leut'!
Der Diener (tritt ein):
Der Herzog von Lawin tritt ein,
Doch ist er keineswegs allein.
(Er öffnet die Tür und läßt den Herzog und seine
Begleiter eintreten. Dann verschwindet er wieder.)
Die Mädeln: Ahl...
(Der Herzog, mit einer fabelhaften Eleganz gekleidet,
und zwei sehr korrekte Herren treten ein.
— Ver¬
beugungen.)
Herzog:
Sehr sonderbar ist dieser Schritt,
Drum bring ich mir zwei Herren mit.
(Alle nehmen Platz.)
Herzog:
Bin Herzog von Lawin genannt,
Bin glühend, stark und intressant.
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In mir rinnt alter Helden Saft,
Ich übersprudle von Lebenskraft.
(Er wendet sich zu den stummen Herren, die zustim¬
mend nicken.)
Und was ich sage, kann ich beweisen —
Ich zerbreche eine Stange von Eisen!
(Der eine Herr nimmt eine Eisenstange aus seiner
Brusttaiche, reicht sie dem Herzog, der sie entzwei¬
bricht und die Stücke auf den Boden wirft.)
Und käme der stärkste aller Ringer,
Ich werf' ihn nieder, bin sein Bezwinger:
(Durch das Publikum auf der Bühne bahnt sich der
Rinzlämpfer den Wer; erist nach Athletenart gekleidet,
mit Pautherfell, zahlreichen Medaillen. Er geht auf
die Bühne hinan. Bewegung im Zuschauerraum.)
Der Bissige: Da hört sich schon alles
auf!
Der Naive: Der g'fallt mir! Bravo,
bravissimo! Jetzt werden s’ raufen!
Der Dichter: Das ist halt ihr G'schmack!
Bestien!
(Herzog ringt mit dem Ringlämpfer und wirft ihn
nach kurzem Kampfe von der Bühne unter das
Puolikum hinab. Der Klaviersvieler fällt vom Sessel.
Gelächter.)
Der Dichter: Ja, um Gottes willen, was
ist denn das!
Direktor: Sein S' froh! Das kann Ihre
ganze Komödie retten.
(Der Ringlämpfer erhebt, sich, wirft dem Publikum
Kußhändchen zu, geht ab.)
Herzog:
Und wenn ich lache, fallen sofort
Die Bilder herunter von jedem Ort.
Er lacht in zwei kurzen Stößen; die Bilder fallen
von den Wänden.)
Aus jeder Karte schieß' ich das As!
Der erste stumme Heir geht in die andere Zimmer¬
ecke, hält eine Karte in die Luft, der zweite siumme
Heri reicht dem Herzog eine Pinole. Der Herzog¬
chießt und trifft das As. Der eine stumme Herr
zeigt die Karte dem Helden.)
Wo ich hintrete, da wächst kein Gras ...
Er tritt vor sih hin; die beiden stummen Herren
treten in seine Näte und bestätigen, daß tatsächlich
lein Gras dort wächst.)
Und niemals vergeht ein Tag, daß sich
Nicht irgendein Weiblein tötet für mich.
(Ein Schuß fällt. Ein Herr tritt zum Fenster, winkt
hinunter; man reicht ihm ein totes Mädchen zum
Fenster herein. Er legt sie auf den Diwan; sie trägt
einen Zeitel in der Hand; der Herr reicht dem Herzog
den Zeutel; der Herzog reicht ihn, ohne ihn zu lesen,
dem Helden.)
Held (liest):
Ich liebte den Herzog von Lawin,
Er liebte mich nicht — ich sterbe für ihn!
(Auf einen Wink des Herzogs wersen die Herren die
Leiche zum Feuster hinaus.)
Herzog:
Doch wie ich stark und glühend bin,
So edel und gerecht von Sinn,
Und tat ich Unrecht einem Mann,
Erkenn' ich's ohne Zögern an.
In diesem Falle bin ich heut
Und tu', was mir mein Herz gebeut.
Daher ich zum Versöhnungszwecke
Hier meine Hand entgegenstrecke.
Liesl (tritt ein):
Der Naive: Das ist die, die gleich im
Anfang vorgekommen ist.
Der Bissige: Wie kommt denn die
jetzt herein!?
Liesl: Der Herzog!
Held:
Liesl, hört' ich recht:
Du kennst den Herzog!
Liesl:
Mir wird schlecht!
(Sie sinkt nieder.)
Herzog (will gehen).