II, Theaterstücke 17, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 3), Zum großen Wurstel. Burleske in einem Akt (Marionetten), Seite 4

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Die Oster=Zeit.
Liesl:
innern? Da sind wir ja einmal draußen ge¬
I bin halt no ledig,
wesen und haben Backhendln ’gessen.
Und in Wien spielt die G'schicht,
(Der Räsoneur tritt auf. Er ist schwarz gekleidet
So heißen s' mich süßes Mädel,
hat einen schwarzen, langen Vollbart; gemessen und
Ob i süaß bin oder nicht.
einst. Er tritt nach vorn und verbeugt sich.)
Herzog:
Der Bissige: Was hat denn der für
Ich wett' bei den Rennen
eine Maske?... Den müßt' ich kennen!...
Und im Jockeillub a,
Das ist aber eine arge Geschmacklosigkeit!
Bin gebürtiger Herzog,
Der Wohlwollende: Wer soll's denn
's waren solche schon da.
sein?
Herzogin:
Mir is einer zu wenig,
Der Bissige: Ich weiß noch nicht ...
Aber ich komm' schon drauf!...
Ganz besonders mein Mann,
So sagen s'’, i bin dämonisch,
Der Räsoneur:
Hab noch keinem was 'tan.
Ich bin der Räsoneur des Stücks,
Zweiter Bürger (erhebt sich; zu seinen
Red' entweder geistreich oder nix.
Töchtern): Komimts, Madeln, das is nix für
Held (ungehalten):
#uch.
Und da Sie zur Handlung nicht gehören,
Erstes Mädel: Aber Vatter, wir ver¬
Versuchen Sie wenigstens, nicht zu stören.
stehn ja nicht, was das heißt..
(Der Räsoneur geht nach hinten, lehnt sich in die
Zweiter Bürger: Alsdann, wann ihr
Fensternische, bleibt dort stehen)
nir verstehts, bleibn ma halt.
Die anderen Figuren (im Chor):
Der Bissige: Ah! Jetzt wird's satirisch!
Wir spieln die Episoden,
(Der Räsoneur tritt im Verlaufe der weiteren
Es tritt keiner hervor,
Handlung nur gelegentlich nach vorwärts, wenn er
Drum unser Entreelied
etwas zu reden hat. Im übrigen bleibt er von den
Erweist sich als Chor.
Vorgängen vollkommen unberuhrt. Er kümmert sich
um niemanden, und die andern tümmern sich nicht
(Der Vorhang des großen Wursteltheaters fällt.)
um ihn.)
Der Naive: Das war der erste Akt.
Held:
Der Wohlwollende (applaudiert).
So viel will ich von mir verraten:
Der Bissige: Sie haben's aber eilig.
Zu Stimmungen neig' ich, nicht zu Taten,
Der Wohlwollende: Mir g'fallt's halt.
Und sage statt weitern langen Berichts:
Der Bissige: Abwarten...
Ich bin der Held dieses Stücks, sonst nichts.
Der Naive: Habts ihr die Schnür g'sehn?
Und hab' ich dieses Amt erledigt,
Der Dichter (zum Direktor): Die Stim¬
So werd' ich, möglichst unbeschädigt,
mung ist ganz gut, nicht wahr?
In eine Schachtel grün gelattt
Direktor (zuckt die Achseln).
Mit größter Sorgfalt eingepackt.
Nicht neidenswert ist die es Los,
(Der Vorhang hebt sich wieder.
Szene: Modern eingerichtetes Zimmer. Schreibtisch
Doch hab' ich einen Trost in meiner Truhe:
links. Ein Fenster auf die Straße, Tür rechts ins
Bin ich auch eine Marionette bloß —
Vorzimmer, links ins Schlafzimmer.
Der Held
Neu ist die Schachtel doch, in der ich ruhe.
dieses Stückes sitzt am Schreibuisch. Liesl hüpft
Räsoneur:
herein, hält ihm die Hand vor die Augen.)
Jetzt aber frag' ich Sie aufs Gewissen,
Liesl: Jetzt rat aber g'schwind, wer kann
Ob das nicht ich hätte sagen müssen.
das sein?
eld:
Held: Mein Schatz..
Ich bitt' Sie, wollen Sie sich nicht setzen?
Liesl:
Schatz, weiß ich nicht, aber dein.
Zuweilen dürsen auch Helden schwätzen.
Held: Ja, lass’ es mich glauben.
Der Diener (tritt auf):
Liesl:
Ich muß gleich fort.
Gnädiger Herr, soeben erscheint
Held: Bleib, nur ein Kuß, nur ein liebes!
Der ernste und der heitere Freund.
Wort!
(ab.)
Liesl: No, was denn noch all's? Schau,
was ich dir bring.
(Ernster Freund, lang, sehr korrekt, dunkel gelleidet:
(Sie streut Blumen umher.)
heiterer Freund, etwas korpulent, in bequemem Anzug.
treten auf:)
Held: Nun, du bist wirklich ein süßes Ding!
Liesl: Und jetzt muß ich gehn.
Heiterer (hüpfend):
Held:
So schnell?
O überaus lustige Existenz!
Liesl:
Ja freilich.
Mich freut der neuerwachte Lenz!
Ich muß ins Geschäft.
Ernster:
Held:
Nur einen Moment!
Mit düstrer Ahnung tret' ich ein —
Liesl: Ja, einen Moment... dann geht's
Wozu mag ich geladen sein?
wie neulich,
Räsoneur:
Und die Küsserei nimmt überhaupt kein End!
So sind bereits mit den Eintrittsworten
Held: Bist du mir drum bös? (Lange Um¬
Die beiden glücklich charakterisiert:
armung.)
Der Wurstel freut sich allerorten,
Liesl:
Jetzt muß ich gehn.
Der ernste Mann ist stets gerührt.
Adieu! und am Sonntag auf Wiedersehn!
Der Bissige: Der geht mir auf die
(Ab.)
Nerven!
Der Bissige: Alte G'schicht !...
Der Wohlwollende: Das soll er
Der Wohlwollende: Wieso deun?
ja ... das is ja eben der Witz!
Der Bissige: Na, das süße Mädl —
Der Bissige: Ein schlechter Witz!
wachst mir schon zum Hals heraus!
Der Dichter (zum Direktor): Mir kommt
Held (allein):
vor, die Leut' langweilen sich.
Auf Wiedersehn... Und schon ist sie fort
Direktor: Ich hab' Ihnen g'sagt, Sie
Und ahnt nicht, es war ihr Abschiedswort,
sollen die Figur hinausschmeißen. Noch heut' vor¬
Und daß ich niemals mit ihr mehr, ach!
mittags hab' ich's Ihnen g'sagt.
Nach Sievring fahr' und nach Weidling am
Bach.
Der Dichter: Könnt' man vielleicht
nicht noch jetzt —2... Ich werd' g’schwind ein
Der Wohlwollende: Reizend! Es
paar Verse streichen.
wird einem ganz heimlich!
Direktor: Aber schnell — schnell — eh's
Der Bissige: Lokalkolorit!!! Da fallen
Sie drauf hine#.
zu spät ist.
Der Naive (lacht): Weidling am Bach!...
(Der Dichter eilt nach hinten, erscheint hinten am
(Zu seinen Freunden:) Könnts ihr euch er¬ Fenster und sagt dem Räsoneur etwas ins Ohr.)
Beilage zu Nr. 926
Held:
Ich hab' euch beide zu mir gebeten,
Als Zeugen sollt ihr mich vertreten.
Ernster: Wie? ... ein Duell?
Held:
Auf Tod und Leben.
Heiterer (einen Fuß in der Luft):
Heißa! Es kann nichts Fideleres geben!
Ernster: Wann soll es stattfinden?
Held:
Ums Morgenrot.
Ernster: Nun, wenn wir frühstücken, bist
du längst tot.
Der Dichter (zum Direktor):
Is schon g'scheh'n!
Näsoneur (vortretend):
Es mag der Kaiser, mag der Beitler
end'gen,
Des Lichtes freu'n sich weiter die Lebend'gen.
Der Dichter (greift sich an den Kopf):
Ich hab' ihm doch g'sagt: er soll das Maul
halten!
Held (zum Ernsten): Du weißt es gewiß?
Ernster:
Ich sah dich heute nacht
Im Sarge liegen und umgebracht.
Held: Ein Traum!
Ernster: Die meinen ersüllen sich!
Held (zum Heiteren):
Und träumtest du auch so was Nettes:
Sprich!
Heiterer:
Erzählt' ich, was ich heut nacht geträumt,
Dies Stück verböte man ungesäumt.
Räsoneur:
Hier wird ein Faun selbst durch Moral
gebändigt,
Drum sind Billetts auch Jungfraun ein¬
gehändigt.
Held:
Ein unerklärliches Verhängnis
Bringt mich in tödliche Bedrängnis.
Ernster: Erkläre dich!
Held:
Bin nicht frei von Schuld,
Hab' Mädchen verführt und Ehen gebrochen,
Doch durch des Schicksals besondere Huld
Ward ich nie erschossen und nie erstochen —
Und jetzt für eine, die nichts mir gewährt,
Für eine, die ich niemals begehrt,
Für eine, die ich noch nie gesehn,
Soll ich, ihr Freunde, von hinnen gehn.
Räsoneur:
Des Schicksals Rache geht verborgenen Pfad.
Und keiner kennt die Folgen seiner Tat.
Ernster: Wer ist die rätselhafte Dame?
Held: Herzogin von Lawin, so ist ihr Name.
(Ernster und Heiterer geraten in die größte Auf¬
regung, zucken hin und her.)
Held: Was ist euch?
Ernster:
Die Herzogin von Lawin?
Heiterer (beide Füße in der Luft):
Elendes Weib!
Ernster:
Was kümmert das ihn?
Heiterer: Du kennst sie?
Ernster: Und du
Heiterer:
Wie ist das gemeint?
Ernster: Wir kennen sie beide -
Heiterer:
Gleich gut —?
Ernster:
Es scheint!
(Die Drähte werden lockerer, der heitere und der
ernste Freund scheinen ihren Halt zu verlieren.)
Ernster und Heiterer: Ich will...
ich soll... ich kann ...
(Sie drohen zusammenzusinken und können nicht
weiterreden.)
Räsoneur:
Vorbei!
Wozu dies ganze Wehgeschrei?
Wenn ihr noch weiter Spektakel macht,
Legt man euch in die Schachtel und
gute Nacht.
Ernster (mit langsam straffer werdenden
Drähten):
Für diesmal haben wir kein Glück.