II, Theaterstücke 17, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 3), Zum großen Wurstel. Burleske in einem Akt (Marionetten), Seite 11

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17.3. Zun groszen-Bürstel
die Fahne ihres Regiments, das ihr den Namen] Etablissements; die unangenehme Konkurrenz gerade
Immel
des Vollblutdramatikers Sudermann verflüchtigt
stritten
„Mamzell Courasche“ gegeben hat. Ihr Erwähl¬
hater und Aunst.
ter. ein italienischer Fechtmeister, läßt sich, ver= sich zum Räsoneur eines Wurstlspiels, der aller¬
der „

dings die bekannten Züge des Vernichters der
Lustspieltheater.
lockt durch Geldgier, in eine Wette ein, die
zu fin
Kritik trägt. Aber plötzlich streiken die Mario¬
sonderbar genug ist: er muß „Mamzell
finden
(„Die Fahrt über den Styx.“ Satire des Lucian.
netten. Die Gestalten des Dickters beginnen
Courasche“ durchprügeln. Das Siegfried=Brun¬
nicht
Deutsche Bearbeitung von Paul Lindau. —
ein selbstherrliches Leben. „Wer schützt mich vor
bilde=Motiv in neuester Variation. Nur daß es
Galer
„Mamzell Courasche.“ Ein Bild aus dem dreißig¬
den eigenen Spukgestalten?“ ruft der Dichter
jährigen Krieg von Erich Korn. Musik von Oskar
diesmal mit dem Tode des schon vor der Hoch¬
Klopfg
verzweifelt aus.
„Zum großen Wurstl.“ Burleske in
Straus.
zeit tausendfach gehörnten Siegfried endet. Doch
gefalle
Die Menschen als Marionetten zu betrachten,
einem Akt von Artur Schnitzler.— Erstaufführung
nicht im Inhalt liegt der große Reiz dieses Ein¬
setzte.
ist eine der Lieblingsideen Schnitzlers, der er ja
am 16. März.)
akters. Er ist witzig, lebendig, packend, male¬
die K
wiederholt (zum Beispiel im „Puppenspieler")
risch gesehen und beweist, daß Erich Korn ein
im
#wst War das ein toller Abend! Es hätte
Ausdruck gegeben hat. Das ganze Theater mit
Beifal
Dichter ist, der uns noch mancherlei zu sagen
eine Festtafel für literarische Feinschmecker
allem, was drum und dran hängt, ist es mehr als
haben wird. Gespielt wird das Lagerbild ganz
des
werden sollen — und ward fast zu einem
eine Wurstkomödie, wie sie im Prater den jauch¬
nach
ausgezeichnet. Horst Bulß, der schlaue, hei߬
Theaterskandal. Gleich die erste Satire von
zenden Kindern vorgeführt wird? Eine Auflösung
blütige Italiener, Nerz und Kneidinger
schleu
Lucian brachte nicht die erwartete Stimmung
der Rätsel der Burleske ergibt sich aus der ge¬
als Offiziere, Dumont als General sind ganz
bleiben
ins Haus. „Die Fahrt über den Styx“ ist eine
druckten Ausgabe die in unserer Öster=Zeit“
vorzüglich. Angela Helm in der Titelrolle fügt
geistreiche Behandlung des Themas, daß vor
(23. April 1905) zuerst veröffentlicht wurde.
sich harmonisch in das treffliche Zusammenspiel.
dem Tode alle Menschen gleich sind. Anfangs
Dort erscheinen auch der Graf von Charolais
Viel glücklicher als Lucian war schon Herr
ging das Publikum mit. Da begann im
der Meister (Hermann 1
(Beer=Hofmann) und
Erich Korn, dessen Ein= und Zweidentig¬
Orchester irgendein unbekanntes Instrument zu
Bahr) unter den Besuchern des Wurstlspieles.
keiten verständnisvoll belacht wurden. Allerdings
klopfen, klopfte eine Viertelstunde weiter, und
Und der Meister, der Freund des Dichters, zupft
regte sich dann das bessere moralische Gewissen
die ganze Stimmung war verflogen. Die Dar¬
ihn am Ohr und spricht nur ein Wort:
und strafte den Autor, der schon fünfmal ohne
stellung war mittelmäßig. Die Kritik sollte auch
„Wurstl.“ Diese Szene ist bei der Aufführung
Widerspruch gerufen wurde, mit Zeichen der
den Lethetrank benützen, um keinem wehe tun
entfallen. Würde auch von den wenigsten ver¬
Mißgunst, so daß der blasse, verschüchterte Dichter
zu müssen. Immerhin, Fräulein Joseffy, die
standen werden. Alles Theater, alles dramatische
nicht mehr erscheinen wollte.
Herren Dumont, Valberg, Kneidinger
Gestalten ist doch nur ein Wurstlspiel.
Weitaus die größte Sensation dieser Fest¬
taten ihr Möglichstes, um die in Berlin mit
Die Burleske ist von großer Bühnenwirksam¬
tafel für künstlerische Gourmands war jedoch
großem Erfolge aufgeführte Satire zu retten.
keit und übertrifft noch die köstliche Satire
Artur Schnitzlers Burleske „Zum großen
Es war vergebens. Auch die dürftige, stellenweise
„Literatur“ aus den „Lebendigen Stunden“
Wurstl“. „Ich werde jetzt nachdenken müssen“,
lächerlich kindische Ausstattung, die in der Unter¬
an komischer Wirkung. Die Regie war vor¬
sagte eine Dame, als sie das Theater verließ.
welt geradezu an die benachbarte Grottenbahn
züglich und hat die schwierige Aufgabe ziemlich
Das ist fatal — aber leider die Wahrheit. Wer
erinnerte, ließ eine künstlerische Empfindung
glücklich gelöst. Die Darstellung wurde dem
den „Großen Wurstl“ genießen will, wird nach¬
nicht aufkommen.
parodistischen Ton bis auf. einige kleine Aus¬
denken müssen. „Zum großen Wurstl“ gehört zu
Zwischen Lucian und Erich Korn, dem
nahmen so ziemlich gerecht. Besonders Sekler
den tollsten, übermütigsten, originellsten Werken
Berliner Autor, dessen Bekanntschaft uns schon
als Dichter, Hofer als Direktor, Straßni
der jüngsten Zeit. Aber auch zu den geistreichsten,
durch seine Stücke „Colombine“ und „Nachtmahl“
als „düsterer Kanzelist", Hauser als der Bissige
sprühendsten, überraschendsten. Was hat da
im Deutschen Volkstheater angenehm vermittelt
waren von drastischer Wirkung. Prachtvoll in
Schnitzler nicht im „Abreagieren“ geleistet! Alle
wurde, klaffen Jahrtausende. Allein Korn hat
Erscheinung, Sprache und Spiel war Jarno,
Widerwärtigkeiten des Theaters lösen sich in
zuch die Gabe des echten Dramatikers, das
Humor auf. Der Direktor, der den armen Autordas kritische Gewissen der Komödie, das mit
Interesse des Hörers zu wecken und festzuhalten.
peinigt, ihm die besten Szenen streicht, die einem Schwertstreich die Fäden durchschneidet so
Fine Lagertragödie aus dem Dreißigjährigen
daß die Marionetten leblos zu Boden fallen.
schlechten zu viel hervorhebt, wird zum Ausrufer
triege, deren Heldin eine Dirne ist, die eben
Aber auch die Schnitzlersche Burleske fand
einer Praterbude; der Kritiker und das kriti¬
jeheiratet hat, um die Ehre einer „anständigen
Frau“ mit demielben Mute zu verteidigen wie jierende Publikum zu Beiuchern eines solchen nicht immer die erwartete Resonanz, die man