II, Theaterstücke 17, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 3), Zum großen Wurstel. Burleske in einem Akt (Marionetten), Seite 16

W
17.3. Zum grossen ste1
Telephon 12801.
P NIS
„UBSERVEn
I. österr. behördl kenz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopenhagen,
London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-York. Paris, Rom,
San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quallenangabe ohne Gewähr)
Wien
Ausschnitt aus:
chege verteches racbsteist Wien
18. J. 1000
vom:
Lusipiellheater, Literarischer Einalterobend, be¬
sritten von einem antiken, einem neuen und einem hoch¬
modernen Dichter... Lucians Komödie „Die Fahrt über
den Styx“ hat bei der gestrigen Zweitaufführung trotz
teilweise unzulänglicher, beinahe dilettantischer Darstellung
auf die Mehrheit des Publikums überraschend stark ge¬
wirkt; freilich nicht durch ihre satirische Absicht, die schon
ganz verblaßt ist, wohl aber durch die feierliche Ewigkeits¬
stimmung, die von ihr ausging Erich Kern entrollt, vom
Musiker Oskar Straus unterstütt, in der „Mamzell
Courasche“, ein derbes Lagerbild aus dem Dreißigjährigen
Kriege. Das Milieu ist sehr gut getroffen, die Handlung
jedoch gewaltsam konstruiert und ihre Durchführung lang¬
atmig. Eine tapfere Soldatendirne wird durch die Hochzeit
mit einem italienischen Fechtmeister zur „ehrbaren Frau“.
Von einem verschmähten Liebhaber und einem skrupellosen
Spaßmacher aufgehetzt, geht der junge Ehemann die rohe
Wette ein, sein angezweifeltes unumschränktes Hausherrn¬
recht zu beweisen, indem er Mamzell Courasche noch in
der Brautnacht — prügelt. Die Wette gewinnt, aber sein
Leben verliert er. Denn das mißachtete, um seine letzte
und höchste Glückshoffnung betrogene Weib rennt ihm den
Degen in den Leib. Das seltsame Stück fand lauten, doch
kaum ganz herzlichen Beifall. Herr Nerz und Herr Knei¬
dinger waren darin trefflich am Platze, Fräulein Helm
gab die Titelrolle korrekt und mit vieler Mühe, aber ohne
rechte Wärme. Artur Schnitzlers Burleske „Zum großen
Wurstel“ verdanktung wahrscheinlich ge¬
kränktem Dramatikerehrgeiz. Ihren vollen Sinn habe ich
weder damals verstanden, da ich sie als Festbeilage einer
Wiener Tageszeitung las, noch gestern, als ich sie vorzüg¬
lich aufgeführt sah. Es wird wohl vielen — ich möchte
kühnlich sagen: allen Leuten so ergangen sein, auch denen,
die lebhaft applaudierten. Zweifellos „steckt was drin“.
Wieviel aber, darüber ließe ich mich gern belehren.
Den banausischen, mit „seinen" Dichtern wie mit Lakaien
umspringenden Theaterdirektor, die beste und deutlichste
Figur des Stückchens, karikierte Herr Anton Hofer in köst¬
licher Weise. Die übrigen zahlreichen Darsteller mögen sich
mit einem Pauschallob begnügen.
box 22/9
Telephon 12801.
9
„OBSERVER“
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopenhagen,
London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-York„Paris, Rom,
San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus WVertblatt. Wien
vom:
—18 MnT Ob
Lustspiel=Theater. Der gestrige 136. literarische Abend
war literarisch. Drei Novitäten brachte er. „Die Fahrt
über den Styx“, Satire des Lukian, in schlechtestem
Zeitungsdeutsch bearbeitet von Paul Lindau, dann
„Mamzell Courasche“ ein Bild aus dem dreißig¬
jährigen Krieg von Erich Korn, Musik von Oskar
2
Strauß und endlich „Zum großen Wurstl“, eine
5
(zum Teile unverstanden gebliebene) Burleske von
Arthur Schnitzler. Es hatte sich höherwertiges
Publikum eingefunden, dessen literarische Bildung schon
nach dem eleganten Aeußern leicht zu beurteilen war.
Man war nämlich auch als Wohltätigkeit gekommen:!
zum Besten des „Ersten öffentlichen Kinder=Kranken¬
institutes in Wien". Daraus erklärt sich, daß bei der
zweiten Neuheit, bei „Mamzell Courasche“ ge¬
zischt wurde. Und dieses „Bild aus dem dreißigjährigen
Krieg“ ist voll feiner Gedanken und ein Theaterstück von
tiefer Wirkung. Daß eine Lagerdirne durch die Ehe mit
einem geliebten Mann zur „braven Frau“ werden kann,
paßte so manchen nicht, und als diese Dirne von jener
unverkäuflichen Ehre sprach, die Frauenwürde
heißt, eine Ehre, die sie mit der Ehe erworben zu haben
glaubt, schüttelten jene die Köpfe, welche für die Logik
des Frauenherzens kein Verständnis haben. Erwin Korn
konnte nur unter Widerspruch für den Beifall danken,
der ja doch gespendet wurde und den ihm in erster Linie
Angela Helm in der Titelrolle verdienen geholfen. So
sehr ihr alles Sinnliche fehlt, so verständnisvoll wußte
sie die schwierige Rolle doch zu gestalten. Der Takt in
dem Auseinanderhalten von Vergangenheit und Gegen¬
wart, die Innigkeit ihres Gebetes um Verzeihung für
die Jugendsünden waren köstliche Zeichen ihres großen
Talents. Als sie sich aufbäumte, um gegen die Schmach
zu protestieren, sich vor den Kameraden ihres Mannes
und wenn auch nur zum Schein, bloß deshalb prügeln
zu lassen, damit der geldgierige Italiener, ihr Gatte,
eine hohe Wette gewinne, wuchs sie zu tragischer Gewalt
empor. Neben ihr kam Horst Bulß als Fechtmeister
Sperlini kaum so recht zur Geltung, was allerdings
auch an der Rolle liegen mag; Nerz, Valberg und
Dumont schufen aber als frivole Offiziere gute Figuren.
Die Schnitzlersche Burleske „Zum großen
Wurstel“ interessierte lebhaft. Vielleicht ist sie aber
doch zu kompliziert, um als Stück zu wirken. Die Red¬
seligkeit ist groß. Des Witzes Würze aber ist die Kürze.
Einen besonderen Knalleffekt machte der „große Unbe¬
kannte“, der mit dem kritischen Schwerte Darsteller, Zu¬
seher und Unbeteiligte richtet. Es gibt keine so helden¬
hafte Kritik mehr, die wie der Lavaausbruch eines
Vulkans schonungslos vernichtet, was ihr in den Weg
kommt. Aber dem Publikum gefiel die Sache derart, daß
es sich auch noch eine Rede Jarnos anhörte, der für
die Aufnahme der drei Novitäten dankte. Nun — die
kleine Bühne hatte gestern wirklich großes geleistet und
gezeigt. Wenn jemandem Dank gebührt, so ist es der
X. v. 6—g.
Direktor dieser Bühne, Jarno!