II, Theaterstücke 17, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 3), Zum großen Wurstel. Burleske in einem Akt (Marionetten), Seite 21

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17.3. Zun grossen Nurstel

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das Glühvoll=erotische, das Schmiegsam=katzenartige, hingegen
Anerkennung, als ihr seitens des blasierten Premierenpubli¬
gelangen ihr die tragischen Akzente überraschend gut und in der
kums zuteil wurde. Schließlich hat doch ein Großgründler im
ltheater.
Kunstreiche das Wort ergriffen und einige ewige Wahrheiten Schlußszene wuchs sie zu bedeutender künstlerischer Größe em¬
von Lucian. — „Mademoiselle
por. Die Herren Bulß und Dumont schufen recht charak¬
so fein, so subtil gesagt, daß schon die Pietät die Zischer hätte
„Zum großen Wurstl“ von
teristische Figuren, Herr Strauß sang ein von Oskar Strauß
dämpfen müssen.
Schnitzler.)
Daran schloß sich das Dramolet „Mademoiselle Cou= komponiertes reizvolles Lied sehr brav und Herr Knei¬
nschen nbereifrigen Wahl, nur
rasche“ von Ernst Korn. Ein nicht übles Grundmotiv bildet dinger traf das Versoffene, Brutale seiner Rolle vortreff¬
ren, war wohl der letzte Abend.
das Knochengerüst: Wie aus der Dirne das latente Weib er= lich. Unznlänglich waren aber die Herren Nerz und Val¬
ister Beschaffenheit wurden an¬
wacht, wie dieses von ihrem Gefühlsleben Reverenz verlangt berg.
Ane für sich die Emanation einer
Das Ereignis des Abends war aber unstreitig Schnitz¬
und den Geliebten niedersticht, als er ihre Frauenehre an¬
den Reigen eröffnete ein archäo¬
lers „Zum großen Wurstel“. Schnitzler vergleicht
tastet. Auch das Beiwerk, das sich um die Handlung rankt,
ks. Dieser glänzende Routinier
hier wiederum die Menschen mi tden Marionetten und leistet
verrät großes dramatisches Geschick. Aber eines fehlt, was
[Lucians übersetzt, und eine,
sich zum Beweise dieser Therorie den geistreichen Sport, seine
dem Einakter literarische Bedeutung verliehen hötte: das Zeit¬
modernen Empfinden am stärk¬
eigenen Figuren auf ihre Urform, auf ihre Urzelle zu redu¬
kolerit. Der Autor hätte zeigen müssen, wie der dreißigjährige
ber den Styx“, beschien Freitag
zieren. Und ergötzlich zeigt er, wie ihre rudimentäre Linie
Krieg aus den Menschen alle Gewaltinstinkte zur Oberfläche
usgesagt: Das Experiment ist
sich so gräßlich ächerlich verschnörkelt, wie das Durchschnitts¬
befördert sie auch seelisch devastiert, in ihnen alle seinen Re¬
bertragung wie der Darstellung
mäßige im Speziellen unaufhörlich hervorsickert. Die meisten
gungen zerstampft hat; wie die Nichtachtung des fremden
aul Lindau hat teilweise den
Menschen lehrt er, haben nur einen Ton in der Kehle, eine
Lebens auch den Seelenmord, die gewohnheitsmäßige Plün¬
griechischen Tragödie parodiert,
Geste, ein Augenspiel. Und an den Fäden ihres kleinen We¬
derung auch den Raub des Gewissens gezeitigt hat. Nur ge¬
kliner Schnoddrigkeiten als Kon¬
sens zappeln sie sich langsam zu Tode. Sie hängen ihr Ich
dungene Empfindungen, besoldete Vibrationen, angeworbene
st wollte er dem Hörer die
an ihre äußeren Merkmale und lassen die Gefühle wie Kreisel
Sentimentalitäten sollten im tragikomischen Zwielicht vorbei¬
de, die sich zwischen Lucians
um diese herumschwirren. Maßen sie sich einmal ein eigenes
huschen. Daneben viel Platz der tollen Genußsucht, das Be¬
reckt, klar ins Bewußtsein brin¬
Sein an, wollen sie ihre Innenmauern durchbrechen, schwupps
grüßen der Wonne mit: „Morituri te salutant“; denn es ist
Salto übersprang er sie, zog
kommt der größte Wurstel und durchschneidet die Schnürchen.
vielleicht das letztemal. In dieses Milien die ewige Tragödie
Toga aus, zwang dessen Glie¬
Dann sinken sie lautlos zusammen. Genie, Schicksal, Bewußt¬
der Dirne zu stellen, sie den dreißigjährigen Krieg mit der
e in Germany. So hörte man
sein, für die Ewigkeit bedeutet der schwarze Unbekannte nur
Alltagsmoral agleichfalls ausfechten zu lassen, und aufzudecken,
die des Autors und des Nach¬
der große Wurstel. Schnitzler hat auch seine Theorie folge¬
wie der Kampfdunst mit der heiß dampfenden Sinnlichkeit in
ionisch ineinanderflossen. Lucian
richtig durchgeführt. Im Zuschauerraume sitzen für ihn auch
eins zerfließt, wäre eines Dichters würdige Aufgabe. Statt
bischenrufe während des Lindau¬
nur Puppen, konstruierte Mechanismen. Er nennt sie auch:
dessen bringt Ernst Korn im ersten Teil einen Operetten¬
hnierend wirkte das Ensemble.
Der Bissige, der Naive, der Wohlwollende, der Bürger usw.
general auf die Szene, ein speiender Monte Pelee der Zwei¬
edes ihrer langdehenten Worte
Ihn dünken diese Geschöpfe nur Umschweife um eine Eigen¬
deutigkeiten, und läßt Offiziere von Weibern schwatzen, als
Pumphosen. Herr Dumont
schaft. Sie sind nur Halbe=, Drittel=, Zehntel=, Hundertstel¬
wären sie im Maxime und nicht im Kriegslager. Das Publi¬
bei Kommerzienrats geladener
Menschen. Mit welchem hinreißenden Witz, übermütiger
kum glaubte nach dem Ansang, in dem sich die Laszivitäten
Valberg krächzte wedekindisch,
Laune, und dabei dämonischer Wildheit doziert dabei Schnitzler
nur so überpurzelten, die von allen anderen Nächten so aus¬
wand sich in hysterisch treuen
seine Thesen. Es ist Philosophie im Dreivierteltakt, in süßen
gezeichnete Brautnacht werde nun mit „handgreiflicher“ Deut¬
n bemühte sich in seiner Aus¬
Walzerrhythmen. Gespielt wurde die Kleinigkeit ausgezeich¬
lichkeit exekutiert werden. Aber der Verfasser ließ die Chose
schen Böhmen und Griechenland,
net. Die Herren Jarno, Hoser, Sekler, Strauß,
tragisch umkippen und enttäuschte somit die Erwartung. Man
und der ewige Richter des Herrn
Straßni, Gutmann seien aus der großen Fülle der
wollte sehen und war verurteilt, zu hören. Aber jedenfalls
#end eines Verteidigers. Sosch
Mitwirkenden besonders hervorgehoben.
sei konstatiert, daß Korn großes dramatisches Talent und viel
onst so tüchtige Künstlerschaar des
ösen. Aber immerhin verdient Esprit in der Dialogführung besitzt. Die Darstellung hielt
der Köstlichkeiten Lucians mehr sich auf mittlerer Linie. Frl. Helm fehlt für die Dirne