II, Theaterstücke 17, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 3), Zum großen Wurstel. Burleske in einem Akt (Marionetten), Seite 27


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Courasche leidenschaftlich an ihm
einanderlaufenden und ineinander¬
und die frühere „unehrliche" Dirne
greifenden Satiren, von denen die
gelobt, ein ganzes Leben voll unter¬
eine das Philistertum des Lebens,
täniger Liebe dem zu weihen, der
die andere die Prostitution der Lite¬
sie wieder ehrlich und zu seinem
ratur und des Theaters geißelt.
Weibe gemacht. Als aber Sper¬
Dort kommen die Typen aus dem
tini, gestachelt durch den Spott und
täglichen Leben, Direktor und Dichter
Hohn der Kameraden und durch
neben den verschiedenen Repräsen¬
Geldgier verleitet, eine heimtückisch
tanten des Theaterpublikums dargn:
gebotene Wette eingeht, Courasche
hier werden die zünftigen Poeten
vor Zeugen schlagen zu wollen und,
durch ihre Figuren, an der Spitze
ihren Bitten gegenüber taub, auf
Sudermann als Räsonneur, und
der Durchführung seines Vorhabens
die Leute von dem „die Welt be¬
besteht, da bäumt sich der tief¬
deutenden Handwerk“ dem Spotte
verletzte Stolz in ihr leidenschaftlich
preisgegeben. Ueberall Marionetten,
auf. Die gekränkte Frauenehre zu
hier wie dort, mit sichtbaren und
retten, stößt sie Spertini mit seinem
ohne sichtbaren Schnüren. Der D.¬
eigenen Degen nieder.
rektor wird zum Ausrufer einer
Diese einfache Handlung erfährt
Praterbude, zum Scharlatan, der
durch eine dem Milieu entsprechende
sein „Geschäft“ anpreist und das
ihm anvertraute Stück ad libitum
Musik von Oskar Strauß eine
wesentliche Ausschmückung. Die In¬
ausschrotet. Das Stück selbst, das
szenierung auf dem beschränkten
vom Wohlwollenden gut aufge¬
Raum des Lustspieltheaters war ein
nommen, vom Bissigen herunter¬
Meisterstück der Regie; des vollkom¬
gemacht, vom Naiven beklatscht und
men abgerundeten Zusammenspiels
von den „Bürgern“, den urteils¬
habe ich schon gedacht. Die beiden
losen Theaterbesuchern, je nach der
Haupfiguren wurden, u. zw. die Rolle
wechselnden Stimmung, bald gut,
bald schlecht behandelt wird, bietet
der Courasche von Angeia Helm,
den Skandalmachern den Anlaß zu
die außer ihrer liebreizenden Er¬
scheinung viel natürliches Tempe¬
einem heillosen Theaterskandal. Aber
rament mitbrachte und daher einen
bald geht es auf der Bühne oben
bunt zu. Die Marionetten des The¬
starken Wirklichkeitsschein erzielte,
aters streiken und wollen, unbe¬
die Rolle des Spertini von Horst
kümmert um das Publikum, ihren
Bulß, dessen italienisch=deutscher
eigenen Willen. Und die Marionetten
Dialekt nicht immer vollkommen
unten im Parterre des Gasthaus¬
einwandfrei war, namentlich dann,
gartens treiben es geradeso, nur
wenn sich der Schauspieler vom
Augenblick der Situation mitreißen
noch bunter und grauser, bis im
ließ (was ich natürlich nicht als
größten, zügellosesten Lärm das
tadelnde Bemerkung aufgefaßt wis¬
plötzlich zum Leben erwachte kritische
Gewissen mit einem Schwertstreich
sen will), mit voller Hingebung
die Marionetten auf der Bühne
gespielt. Treffliche Leistungen waren
ferner Eugen Dumonts alter
oben von den Schnüren trennt,
General und Louis Nerz' bramar¬
daß sie wieder zu toten Puppen
basierender Egloffstein; eine köstliche
werden und mit einem zweiten
Streiche die Marionetten unten ohn¬
Figur der Bierpriegl Karl Knei¬
mächtig zu Boden streckt. Die Regie
dingers. Den Abend beschloß
Arthur Schnitzlers einaktige
verdient auch hier volle Anerkennung,
Burleske „Zum großen Wurstl“,
sowohl für die durch technische
Schwierigkeiten erschwerte Insze¬
einer der originellsten und zugleich
nierung, als auch für Abstimmung
geistreichsten Einfälle des bekannten
und Tempo des Zusammenspieles.
Wiener Autors. An komischer Wir¬
Hervorzuheben sind Anton Hofer
kung ist dem Stücke, zu dem sich
als Direktor, Eduard Sekler als
Schnitzler die Objekte für seinen
Dichter, Richard Hauser (der
beißenden Sarkasmus aus Kunst
Bissige), Emil Guttmann (Her¬
und Leben holt, vielleicht nur noch
die Satire „Literatur“ zu vergleichen.
zog von Lawin), Fritz Straßni
(Kanzelist) und endlich Malva
Die Burleske besteht, wenn man
so sagen darf, quasi aus zwei neben= Rona (Lisl) und Hans Moser