II, Theaterstücke 17, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 3), Zum großen Wurstel. Burleske in einem Akt (Marionetten), Seite 55

17.3. Zum grossen Nurstel box 22/9
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Durch die gottesdienstliche Feierlichkeit aber, mit der im
Feuilleton.
Lustspieltheater der Lucian zelebriert wurde, blitzte die
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Komik nur in den Augenblicken des grellsten Aufleuchtens.
Lustspieltheater.
Ihre zarteren Lichtern merkte man nicht. Der Tyrann
(„Die Fahrt über den Styx“ von Lucian;
(von Herrn Valberg sehr gut geschluchzt und gewütet)
„Mamzell Courasche“ von Erich Korn; „Zum
war eine durchaus tragische Figur. Man fühlte „Schauer
großen Wurstel“ von Arthur Schnitzler.)
des Gerichts“. Und es wirkte ziemlich seltsam, als der
„Die Fahrt über den Styx“ ist eine Satire, welche
Tyrann bei der Mitteilung, er sei an einem vergifteten
sich mit feierlichen Gegenständen beschäftigt. In der Ein¬
Trank gestorben, dumpf bemerkte: „Darum war er
richtung und Darstellung des Lustspieltheaters übernebelte
so bitter!“ Der Philosoph Kyniskus ist wohl keine so
die Feierlichkeit ein wenig die Satire. Es kam nicht recht
durchaus sympathische Edelfigur, als welche er auf der
zur „Stimmung“, weil die des öfteren von einem derb¬
Bühne erscheint. Er stirbt an seiner Freßgier, nimmt
komischen Wort zerrissen wurde; und es kam nicht recht
einen Knüttel auf die Hadesreise mit und hilft die
zur Komik, weil die, kaum daß sie sich zeigte, hinter
fliehlustigen Toten arretieren. Die Philosophie und der
Stimmungswolken wieder verschwand.
Die Komödie be¬
Tod kriegen jeden unter. Ich bin überzeugt, auf
ginnt mit einer ziemlich respektlosen, von Pöbelworten
der Oberwelt hat der Kyniskus dem Tyrannen genau so
ganz entheiligten Rede des Charon. „Parodie“ dachte
schön getan, wie nachher der Klotho, dem Charon und
das Publikum, und stellte seine Empfindungsmaschine auf
dem Rhadamanthys. Ein allzeit Bereiter, mit seiner
Heiterkeit ein. Hierauf kamen tragische Töne, resignierte
dialektisch dehnbaren Theorie der Praxis dessen, dem
Weisheiten über Tod und Leben, bittere Maximen von
augenblicklich die Macht gehört, beizuspringen. Dem
den Ungerechtigkeiten der Oberwelt und philosophische
Hermes hilft er Tote fangen, dem Charon rudern, dem
Tröstungen durch die Gerechtigkeit der Unterwelt. Die
Rhadamanthys richten. Ein prachtvoller Kerl neben diesem
Empfindungsmaschine funktionierte natürlich gar nicht.
Schuster der Philosophie ist der philosophische Schuster
Am Ende doch ernst? überlegten die gut¬
Mycillus. Ein Todeskünstler wie jener ein Lebenskünstler.
willigen Mitgeher, und drehten dem Dichter die
Er macht sich mit seiner einfachen Logik das Totsein
nachdenklich=pretiöse Seite ihrer Seele zu. Da
leicht, angenehm, fast deliziös. Eine altgriechische Nestroy¬
erschien auf der Bühne, an ein junges repräsentatives
Figur, ein Frozzler des himmlischen, des irdischen, des
Mädchen angeschnallt, ein Sopha, um gegen seinen Be¬
unterirdischen Pathos. Müßte ganz drollig, gemütlich,
sitzer und Benützer vor Rhadamanthys auszusagen. Ein
ich möchte sagen: ein bißchen alkoholisch gespielt werden,
Urahn des Crebillonschen Möbels, nur nicht so (
was Herrn Guttmann leider gar nicht gelingt.
sprächig wie jenes. Das Luciansche Sopha entschlägt sich
Seine Komik ist in der großartigen Welt des Stückes
der Zeugenpflicht mit der Begründung: es sei ihm
höchst geniert.
zu peinlich, vor vielen Leuten zu sprechen. Mit so
Das Lustspieltheater hat sehr viel Sorgfalt an die
Ernst seiner Hörer, wie früher mit seinen Weisheiten
Inszenierung dieser „Fahrt über den Styx“ gewandt,
ihrer guten Laune. Zum Schluß bleibi ein Schwindelgefühl
und Fräulein Joseffy spricht die Parze geradezu
in den Köpfen der wiederholt gebrehten Zuschauer und
hoheitsvoll. Das Publikum versagte. Es waren nicht die
gibt ihnen die Empfindung, daß sie ein plagereiches
gewöhnlichen Premierenleute: das heißt, es fehlte in der
Hörerschaft der Fonds an Snobismus, aus welchem sonst
Amüsement überstanden haben.
Es ist schade, daß man diese „Fahrt über den
in einem so hochliterarischen Fall wie „Lucianos aus
Styx“ nicht stärker auf den grotesken Ton gestimmt
Samosata“ die Defizite an Intelligenz und künstlerischem
hat. Von der Witzigkeit wären dem feiner nachfühlenden Zu¬
Geschmack gedeckt werden.
hörer die Perspektiven ins Ernsthafte nicht verlegt worden.
„Mamzell=Couraf
Korn. Warum? Wozu
Courasche“? Wenn es ein histo
eine Legende: „Mamzell Couraf
daß es einen reizen könnte, solch
auszunützen. Aber derlei frei zu
einen umständlichen qualvollen G
um „Mamzell Tourasche“ ans
Es geschieht allerlei, die Welt ist
General, einen witzigen Klugschwätz
dann gibt es eine Dirne mit
Dame schon einmal siedendes O#
soldatisches Hochzeitscouplet,
Streit aus höchst spezieller Ursac
ein naheliegender Degen die
Das ist alles sehr fest nebeneina
Nicht mit Logik, sondern mit M
haltbar und von den wildesten
nicht umzuwerfen. Ein Theaterst
aber die Tiger bei Ronacher sind
aus den Nerven schüttelnd,
dorfer in der Weinstube Z.
besser; spannend, aber ein hi
sein letztes Geld gesetzt hat,
Kunst nur den Zweck, unseren Ne¬
gestatten? Ein Ersatzmittel für
denen uns Gelegenheit, Zeit und
Sinn, Zweck, Notwendigkeit solch
dem Gehirn und der Empfindu
nichts tut, als durch einen halbwe
unsere Aufmerksamkeit wie ein el
ziehen und wieder loszulassen.
alle von der Erfindung des
spürten, daß das der Sache ein
tion gäbe. Sie wäre dann Vor
so? Der Akt des Herrn Korn
gehämmertes Gerüst. Aber Ger
das nichts zu tragen hat, als sich
Fräulein Helm taugt
der „Mamzell Courasche“ sehr g
athletischen Theaterübungen zeigt
gewisse materielle Stärke, unter