II, Theaterstücke 17, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 3), Zum großen Wurstel. Burleske in einem Akt (Marionetten), Seite 56

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17.3. Zun grössen ürstel
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Durch die gottesdienstliche Feierlichkeit aber, mit der im
Feuilleton.
Lustspieltheater der Lucian zelebriert wurde, blitzte die
Komik nur in den Augenblicken des grellsten Aufleuchtens.
Lustspieltheater.
Ihre zarteren Lichtern merkte man nicht. Der Tyrann
über den Styx“ von Lucian;
(von Herrn Valberg sehr gut geschluchzt und gewütet)
ourasche“ von Erich Korn; „Zum
war eine durchaus tragische Figur. Man fühlte „Schauer
urstel“ von Arthur Schnitzler.)
des Gerichts“. Und es wirkte ziemlich seltsam, als der
über den Styr“ ist eine Salire, welche
Tyrann bei der Mitteilung, er sei an einem vergifteten
n Gegenständen beschäftigt. In der Ein¬
Trank gestorben, dumpf bemerkte: „Darum war er
rstellung des Lustspieltheaters übernebelte
so bitter!“ Der Philosoph Kyniskus ist wohl keine so
ein wenig die Satire. Es kam nicht recht
durchaus sympathische Edelfigur, als welche er auf der
weil die des öfteren von einem derb¬
Bühne erscheint. Er stirbt an seiner Freßgier, nimmt
zerrissen wurde; und es kam nicht recht
einen Knüttel auf die Hadesreise mit und hilft die
die, kaum daß sie sich zeigte, hinter
fliehlustigen Toten arretieren. Die Philosophie und der
n wieder verschwand. Die Komödie be¬
Tod kriegen jeden unter. Ich bin überzeugt, auf
ziemlich respektlosen, von Pöbelworten
der Oberwelt hat der Kyniskus dem Tyre# nen genau so
Rede des Charon. „Parodie“ dachte
schön getan, wie nachher der Klotho, dem Charon und
nd stellte seine Empfindungsmaschine auf
dem Rhadamanthys. Ein allzeit Bereiter, mit seiner
erauf kamen tragis#he Töne, resignierte
dialektisch dehnbaren Theorie der Praxis dessen, dem
Tod und Leben,itere Maximen von
augenblicklich die Macht gehört, beizuspringen. Dem
keiten der Oberwelt und philosophische
Hermes hilft er Tote fangen, dem Charon rudern, dem
die Gerechtigkeit der Unterwelt. Die
Rhadamanthys richten. Ein prachtvoller Kerl neben diesem
funktionierte natürlich gar nicht.
Schuster der Philosophie ist der philosophische Schuster
ernst? überlegten die gut¬
Mycillus. Ein Todeskünstler wie jener ein Lebenskünstler.
und drehten dem Dichter die
Er macht sich mit seiner einfachen Logik das Totsein
Seite ihrer Seele zu. Da
leicht, angenehm, fast deliziös. Eine altgriechische Nestroy¬
Bühne, an ein junges repräsentatives
Figur, ein Frozzler des himmlischen, des irdischen, des
nallt, ein Sopha, um gegen seinen Be¬
unterirdischen Pathos. Müßte ganz drollig, gemütlich,
er vor Rhadamanthys auszusagen. Ein
ich möchte sagen: ein bißchen alkoholisch gespielt werden,
billonschen Möbels, nur nicht so ge¬
was Herrn Guttmann leider gar nicht gelingt.
s. Das Luciansche Sopha entschlägt sich
Seine Komik ist in der großartigen Welt des Stückes
mit der Begründung: es sei ihm
höchst geniert.
vielen Leuten zu sprechen. Mit so
smen“ entwischt der Dichter wieder dem
Das Lustspieltheater hat sehr viel Sorgfalt an die
er, wie früher mit seinen Weisheiten
Inszenierung dieser „Fahrt über den Styx“ gewandt,
Zum Schluß bleibt ein Schwindelgefühl
und Fräulem Joseffy spricht die Parze geradezu
der wiederholt gedrehten Zuschauer und
hoheitsvoll. Das Publikum versagte. Es waren nicht die
Empfindung, daß sie ein plagereiches
gewöhnlichen Premierenleute: das heißt, es fehlte in der
tanden haben.
Hörerschaft der Fonds an Snobismus, aus welchem sonst
de, daß man diese „Fahrt über den
in einem so hochliterarischen Fall wie „Lucianos aus
rker auf den grotesken Ton gestimmt
Samosata“ die Defizite an Intelligenz und künstlerischem
igkeit wären dem feiner nachfühlenden Zu¬
Geschmack gedeckt werden.
tiven ins Ernsthafte nicht verlegt worden.
„Mamzell Courasche“, ein Akt von Erick
Korn. Warum? Wozu schreibt man „Mamzell
Courasche“? Wenn es ein historisches Faktum gäbe, oder
eine Legende: „Mamzell Courasche“, dann verstünde ich,
daß es einen reizen könnte, solchen Einfall der Historie
auszunützen. Aber derlei frei zu erfinden, zu „schaffen“,
einen umständlichen qualvollen Gebärprozeß vorzunehmen,
um „Mamzell Courasche“ ans Tageslicht zu bringen?!
Es geschieht allerlei, die Welt ist bunt, es gibt einen heiteren
General, einen witzigen Klugschwätzer, einen betrunkenen Laller
dann gibt es eine Dirne mit Ehre, auf welche junge
Dame schon einmal siedendes Oel geträufelt wurde, ein
soldatisches Hochzeitscouplet, einen sinnvoll gesteigerten
Streit aus höchst spezieller Ursache, und schließlich sticht
ein naheliegender Degen die tragische Pointe heraus.
Das ist alles sehr fest nebeneinander=, aufeinandergestellt.
Nicht mit Logik, sondern mit Maurermörtel gekittet, aber
haltbar und von den wildesten schauspielerischen Gebärden
nicht umzuwerfen. Ein Theaterstück aus Stein. Aufregend,
aber die Tiger bei Ronacher sind aufregender: Emotionen
aus den Nerven schüttelnd, aber zwei Liter Poys¬
dorfer in der Weinstube Z. am Hof tun das weit
besser; spannend, aber ein hitziges Finish, wenn man
sein letztes Geld gesetzt hat, fesselt stärker. Hat die
Kunst nur den Zweck, unseren Nerven reinlichere Exzesse zu
gestatten? Ein Ersatzmittel für Débauchen zu sein, zu
denen uns Gelegenheit, Zeit und Geld fehlen? Ich sehe
Sinn, Zweck, Notwendigkeit solcher Kunst nicht ein, die
dem Gehirn und der Empfindung gar nichts sagt, die
nichts tut, als durch einen halbwegs plausiblen Vorgang
unsere Aufmerksamkeit wie ein elastisches Bandel straff zu
ziehen und wieder loszulassen. „Ein Opernstoff“ sagten
alle von der Erfindung des Herrn Korn. Weil alle
spürten, daß das der Sache eine Art Daseins=Legitima¬
tion gäbe. Sie wäre dann Vorwand für Musik. Aber
so? Der Akt des Herrn Korn ist ein famos ineinander
gehämmertes Gerüst. Aber Gerüst wofür? Ein Gerüst,
das nichts zu tragen hat, als sich selbst.
Fräulein Helm taugt für die äußerliche Tragik
der „Mamzell Courasche“ sehr gut. In solchen schwer¬
athletischen Theaterübungen zeigt sie sogar Bravou; und eine
gewisse materielle Stärke, unter der ein zarteres Gebilde