II, Theaterstücke 17, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Der tapfere Cassian. Puppenspiel in einem Akt (Generalprobe), Seite 6

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17.2. Der tanfere Gassian
Marionetten=Theaters folgen und hat bedeutende passende, köstliche Satire. Ein rechtes Bild
münchenerischen Humors gab das „Kleine Vor¬
Kosten nicht gescheut.
Das Marionetten=Theater.
Das eigens für seine Zwecke erbaute, 23 Meter
spiel“ von Brann, das seinerzeit zur Eröffnung
(1412 5“ (Münchener Künstler.)
lange Haus hat einen amphitheatralischen Zu= des Theaters in Anwesenheit des deutschen Kron¬
Von W. v. Guérard (Düsseldorf).
schauerraum und versenktes Orchester, eine dreh= prinzen aufgeführt wurde. Das Puppenspiel gibt
bare Bühne, die nebst der Beleuchtungsanlage noch der dramatischen Phantasie einen unbegrenzten
Es liegt im Zeichen der Zeit, das Handwerk
Spielraum, kritisierende Satire, Ironie, Witz,
ein Werk des Münchener Hoftheater=Maschinen¬
zum Kunsthandwerk, das Handwerksmäßige zum
prickelnder Hohn, Charakterisierung menschlicher
Künstlerischen hinaufzubilden und den an den
direktors Karl Lautenschläger ist. Die Bühne ist
Schwächen, alle extremen Regungen der Seele
derberen und roheren Geschmack der Jahrmarkt¬
etwa 1½ Meter breit und im Vorhang einen
können auf der großen Bühne nicht so treffend ge¬
Meter hoch. Die Marionetten, kleine und teure
kunst gewöhnten Volkssinn zu wärmerem und
Kunstwerke an sich, sind von den Professoren Jakob bracht werden; dabei aber ist es wieder das rich¬
feinerem Empfinden zu erziehen. Fürwahr, eine
Bradl, Ignatius Taschner und Josef Waekerle her=tigste Feld für Kinder= und Märchenspiele. Die
hohe, aber nicht immer dankbare Aufgabe für
gestellt, und wirken an sich und als agierende Per= bekannten Münchener Märchengläser von Anni
Künstler und Humanisten, die aber leicht übers
Ziel schießen läßt und dann zu herben Ent= sonen in ihrer reizenden, grotesken und lustigen Neesen entworfen, geben das Bild, in welch ein¬
facher und packender Art alle unsere schönen Kinder¬
täuschungen führen muß. So sehr auch die Zeit Bemalung geradezu köstlich. Die hübschen Möbel
märchen den Kindern vorgeführt werden könnten.
sind von der Nymphenburger Porzellanmanufaktur
eilt, die ganze Weltgeschichte ist doch nur eine Ge¬
in Porzellan ausgeführt. An der Ausschmückung Keine Bühne hat ja die Möglichkeit, die Schranken
schichte der Wiederholungen, und ebenso ist das
der Wirklichkeit so zu durchbrechen, wie das Mario¬
des Raumes und der kleinen Bühne sind noch
künstlerische Leben und Streben der Menschheit
netten=Theater, wo alle Gestalten, Zwerge, Riesen,
Robert Engels, Olaf Gulbranson, Prof. Niemeyer
auch nur ein in mehr oder weniger großen Ver¬
Tiere, Ungeheuer, Feen und alle Gebilde unserer
und Alexander Salzmann beteiligt. Die der Vor¬
änderungen ziehender Kreislauf.
Phantasie uns zur Wirklichkeit werden können.
stellung vorausgehende Kammermusik wird von
Eine alte, unseren Urgroßeltern bekannte und
Der künstlerische Erfolg des Brann'schen Unter¬
Alfred v. Pauer geleitet. Man sieht also, daß Brann
geliebte Kunst, die dramatische Kleinkunst, das
nehmens hebt dieses auch über alle Zweifel. Die
Marionetten=Theater, ist nun bestimmt, wieder auf= einen Stab der besten Künstler zu seinem Unter¬
verschiedensten, glänzendsten Anerbieten sind Herrn
nehmen herangezogen hat.
zuleben oder vielmehr in feinerer und schönerer
Brann für die Zukunft gemacht worden; so hat ihm
Zur Aufführung gelangten vor allem, beson¬
Form sich vorwärts zu entwickeln. Der Schrift¬
z. B. Direktor Reinhard seine Kammerspielbühne
steller Paul Brann, der eigentliche Entdecker und
ders in Nürnberg, Arbeiten des Grafen Pocci, der
zur Verfügung stellen wollen, Zunächst geht Brann
seine Feder ausschließlich dem Puppenspiel gewidmet
Bearbeiter der Wilde'schen „Salome“ ist auf den
nach Berlin, um die Schnitzler'schen Puppenspiele
glücklichen Gedanken gekommen, das alte Kasperle¬
hatte, „Kasperl als Prinz", „Kasperl als Gari¬
aufzuführen, sowie Werke von Maeterlinck, Hugo
baldi“,
„Das Eulenschloß", „Kasperl als Porträt¬
Theater künstlerisch zu beleben und eine Lücke im
v. Hoffmannsthal, Alexander v. Bernus, Rudolf
maler", „Die Zaubergeige“ dann eine regelrechte
Gebiete unserer dramatischen Kunst auszufüllen,
Alexander Schröder zu Worte kommen zu lassen.
Oper, „La serva padrona“, von Giovanni Pergo¬
das harmlos Groteske und das fröhlich Kindliche
Vor einem Fehler wird man Herrn Brann aber
leise, von Hans Sachs der „Roßdieb zu Finsing“,
in einer Form vorzuführen, die den verwöhntesten
warnen müssen, nämlich über das Ziel hinauszu¬
Der fahrende Schüler" und „Teufelsbanner“.
Kunstgeschmack vollauf befriedigen kann. Den
schießen. Wolzogen hat die üble Erfahrung gemacht,
Puppenkomödien in München und Nürnberg ließ er Am entzückendsten aber wirkte, wenigstens für die
heuer in der „Deutschnationalen Kunstausstellung“ Erwachsenen, „Der tapfere Kassian“ von Artur eine für uns neue, wenn auch anderswo alte und
zu Düsseldorf die Einrichtung eines richtigen Schnitzler, eine recht in das Marionetten-Theater bekannte Kunstform überschätzt zu haben. Es wäre