II, Theaterstücke 17, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Der tapfere Cassian. Puppenspiel in einem Akt (Generalprobe), Seite 19

.
Cass
17.2. Der tapferean
Telephon 12891.
„OBSERVER“
##. österr. behördt. konz. Unternehmen für Zeitungs-Aussohnltte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
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in Berlin, Basel, Budapest. Chicago, Cleveland, Christiania,
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burg, Toronto.
(Quellenangabe ohne Gewähr).
1- 4.7900
Ausschnitt aus:
eichische Hundschau,Wch
vom:
(Habarztt Fledermans. Auf der Bühne
des Mabaretts „Fledermäus“ heuchten sie
Mati# Pünchner Verkünft= Das
Gastspiel wurde von dem Schriftsteller Hanl
Braun geleitet und einige Künstler von Rang
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sorgten für die Bühne und die „Mitwirkenden“
Es sind sehr hübsche, feine Düppchen; man sieht
die Drähte, an denen sie gelenkt werden, und
das unterscheidet das Ularionetten= sehr vorteil¬
haft vom Theaterspiel belebte Wesen. Wie denn
überhaupt die in romantischen Zeitaltern und bei
romantischen Menschen (man denke an E. C. A. Hoff¬
manns Erzählungen!) stark ausgeprägte Dorliebe
für Marionetten und Schattenfigürchen in dem
„ironischen“ Haß wurzeln dürfte, mit dem der
romantische Künstler den eigenwilligen und da¬
bei doch so oft wesenlosen Mimen und der
Komödienspielerei der Bühne wie des Lebens
folgt. Nun, die Münchner Marionetten machten
ihre Sache sehr brav. Sie produzierten das
„malerische“ Lustspiel „Kasperl als Porträt¬
maler“ und ein „mit unglaublicher Zauberei
vermischtes Drama“ „Das Eulenschloß“ von dem
prächtigen Grafen Docci, dem man eben
infolge irgend eines Gedenktages wieder einige
Aufmerksamkeit schenkte, und versuchten sich an
Schnitzlers „Tapferem Cassian“ Es blieb
kaum eine Sehnsucht nach dem Alltag des
Bühnengeplappers, dafür ein helles, gutes Lachen.
Den Marionetten gehörte der Nachmittag der
„Fledermans“; abends folgte ein gegen früher
weit lustigeres und besseres Programm. Besonders
(die schon bewährten Kräfte erfreuen durch ihre
Fortschritte: Lina Detter, der spätgeborene
Landsknecht Hollitzer und Dr. Egon Friedell,
ider mit wirklichem Humor seine Erlebnisse,
insonderheit mit Deter Altenberg erzählt, und
n seiner Satire „Goethe“ zweifellos eine Probe
echten Könnnes gibt. Dr. Paul Stefan.
box 22/7
ihre Lieder mit unsrer Stimme. Das
Ensemble, so wäre die Anteilnahme
Leben, das wir ihnen geben können,
des Volkes gerade ebenso gering.
strömt ja doch von uns aus. Und
Geographische und historische Bedin¬
was hätte es für einen Sinn, Lazarus
gungen mögen daran Schuld sein.
Jedenfalls fehlt jeder Kontakt zwischen
aus dem Grabe zu holen und ihn
als geschmückten Leichnam an unsre
Volk und Bühne, so daß diese sich
vollständig selbst überlassen ist.
Tafel zu setzen. So aber geht es,
Und dennoch. Man sieht, es ist
will man uns unsre Vorfahren im
nach allem durchaus unnatürlich. Das
Naturtheater erscheinen lassen, wo
ein pantomimisches Drama etwa der
Theater hat Ambitionen. Es hat
„Schlacht von Marignano“ bessere
künstlerische Qual und fühlt sich von
Dienste leisten würde als die „Braut
Höherem beunruhigt. Es gibt sich
nicht zufrieden. Es fühlt Möglich¬
von Messina“ von Schiller oder die
„Sappho" Grillparzers. Das Wort¬
keiten in sich, die es mehr geschätzt
wissen möchte als seine Taten. Mein
drama hat keine Wirkungskraft im
bürgerliches Gewissen, das sehr recht¬
Freilichttheater. Empfindliche Men¬
schen werden sofort Zuschauer der Zu¬
lich empfindet, sieht es nicht gern,
daß dieses Theater, wäre es zum
schauer: sie sehen Szene, Publikum
Beispiel in Berlin, gewiß glimpflicher
und Landschaft als ein Ganzes, das
beurteilt würde als in dieser Isolie¬
ihnen eine malerische, poetische oder
rung. Die Wege der deutschen Bühne
sonstige künstlerische Reizung verur¬
sacht. Die Stimme des Dichters aber
werden mit größter Aufmerksamkeit
beobachtet, jede Weisung guter Vor¬
gleitet an ihnen vorüber, das Wort
bilder wird mit Dank und Eifer auf¬
des Darstellers wirkt physikalisch auf
genommen. Auch aus eigenen Inten¬
sie, der Ton prallt am Ohr ab, und
tionen versucht man es gelegentlich.
die szenische Handlung wirkt zuletzt
doch nur pantomimisch, stumm und
So gab man jüngst „Gyges und sein
Ring“ mit neuen, in ihrer Schlicht¬
balletmäßig.
heit phantasievollen, dem kultivierten
Einige vernünftige Köpfe begreifen
Kunstgeschmack modernsten Szenen¬
das hier und protestieren dagegen,
stils abgelauschten Kulissen, ohne Pause
daß zürcher Mäcene diesen Bestre¬
und ohne Souffleur. So etwas hat
bungen Gehör geben, anstatt ungleich
auch das Recht, bemerkt zu werden.
ernstern und dem Empfinden der
Allerdings spielt man in gutem Rah¬
Zeit verwandtern Anstalten ihrer
men mittelmäßig.. Eben Provinz.
Vaterstadt. Wo man nicht Geld hat
Aber in der Provinz wirkt es über
für einen gereiften Kunstwillen, da
sollte man doch wahrhaftig keinen allen Ehrgeiz hinaus wie ein bischen
Sehnsucht. Und die hat man doch
Rappen für einen ungereiften haben.
überall lieb.
Dieser zwar macht dem Volk Ver¬
Franz Vallentin
gnügen, jener aber uns. Und ich
Marionettentheater
stimme immer für mein Vergnügen.
S Im wiener Cabaret „Fledermaus“,
Noch einmal: Es gibt wohl kaum
das die Heimstätte modernster,
eine Provinzstadt von der Größe
konventionsfreiester Kunst und Bo¬
Zürichs in Deutschland, wo eine der¬
hémelustigkeit geworden ist, produ¬
artige Interesselosigkeit am Theater¬
zieren sich jetzt münchner Künstler mit
wesen herrscht wie hier. Und hätte
ihrem vom Schriftsteller Brann ge¬
Zürich Aktionäre für sein Theater wie
schaffenen Marionettentheater. In
Reinhardt für das seinige, und böte
es Leistungen wie das Brahmsche dem kleinen, von der Wiener Werk¬
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1.„ 3. —
zogen werden würde. Der zweite Akt

reduziert diesen vergnügten Volks¬
faustkampf auf ein Kuuff= und Puff¬
duell zwischen den feindlichen Söhnen
der alten Kupplerin, die ihrerseits
zur Unterhaltung der Einwohner die
Partnerschaft an einem Duett bei¬
steuert. Diese erschütternd parodi¬
stische Gesangsszene, bei der selbst¬
verständlich kein Ton zu hören ist,
stellt den Höhepunkt des Mimodramas
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