II, Theaterstücke 17, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Der tapfere Cassian. Puppenspiel in einem Akt (Generalprobe), Seite 21

17.2. Der tanfere Cassian
Telephon 12801.
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Wien, I., Concordiaplatz 4.
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0 in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬

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hagen, London, Madrid, Mailand, Minncapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Fragoisco, Stockholm, St. Petersburg.
Geyähr.)
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□ Ausschnitt aus
MRT. 1908
an
E vom:
(Marionettentheater.] In der „Fledermaus“ spielen
jetzt an jedem Nachmittag Marionettentheater. Eine amüsante
und kluge Spielerei, an der vor allem das Lustige und
Groteske wirkt. Etivg der verschmitzte, boshafte, gelangweilte
oder gleichgiltige Ausdruck im Gesicht dieser Figuren, dann
ihre Agilität, die den menschlichen Bewegungen bis in die
kleinste Nuance nachkommen will und dabei in drollige Situa¬
tionen gerät. Es sind eigentlich die Wirkungen des Prater¬
wurstels auf ein technisch und intellektuell höheres Niveau
gebracht. Man hat so den „Tapferen Kassian“ gezeigt, eine
stilisierte Komödie mit viel Psychologie und Witz. In Berlin
spielte sie einmal Reinhardt. Die Eysoldt das Mädel, Licho
den Kassian. Wobei die Menschlichkeiten zu Marionetten erstarrt
schienen, während an wirklichen Puppen nichts menschlich scheint
in diesem Spiel als der charmante Dialog. Ein Dialog wirr
und bizarr, raffiniert innerlich und einfach nach außen. Dieser
renommierende „Kassian“ müßte dröhnend, breit, wuchtig hin¬
gelegt werden, seine Lügen sind wie blitzend Klingen, er ist
ein „Ausschneider“ aber das, wie er übertreibt und Abenteuer
erdichtet, die Phantasie seiner Lüge, hat eire starke, werbende
Kraft. In der „Fledermaus“ gelang nur die „Frau, um die
einer beim Flötenspiel sein Leben lassen muß“ Lina Vetter
sprach sie aus dem Geist des Puppenspieles heraus,
ganz köstlich. Nicht nach sprachlichen Nuancen haschend,
vermied sie eine völlige Verlebendigung des Dialogs und
so klang etwas vom Reiz der Marionette in ihren Worten. Es
folgte eine Kasperlkomödie „Das Eulenschloß“ von
Grafen Pocci. Hier ist die landläufige Zauberposse, Spässe,
die gewollt plump auf den Boden schlagen, Donner, Blitz,
Verwandlungen, kurz allerhand Wunder, die mie eine Parodie
auf alle Illusion der Bühne ausschauen. Und da merkt man
sehr, was das Besondere dieser Marionettentheater ausmacht.
Etwas wie ein historisches Gefühl, die blitzartige Erinnerung
an was Gewesenes. Wie wir es von den alten Gravüren
haben, auf denen wunderschöne Frauen am Glacis spazieren
gehen, oder wie es oft von dem Bild der Miß Gertrude aus¬
geht. Das Gefühl der Distanz, die zwischen dem Heut“ und
jenem Einst liegt. Man wünscht sich die Zeit, weiß aber wirk¬
lich nicht, was man heute mit ihr anfangen sollte, wenn sie
wirklich da wäre. Auch hier bei den Marionetten wirkt eine
edle Kindheitserinnerung. Nach langen Jahren trifft man
wieder einmal den Wurstel und eine Menge Sachen fallen
einem ein, die eigentlich gar nichts mit dem Wurstel zu
tun haben.
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hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
7 Ausschnitt aus:
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zue Freie Presse, Wien
E vom: 10 3 1968
Marionettentheater] Im Kabareit „Fieder¬
maus“ produzieren sich jetzt an Nachmittagen Münchener
Künstler auf einer Marionettenbühne. Sie führen ein ernstes
und ein heiteres Spiel auf, den „Tapferen Cassian“
von Arthur Schnitzler und das „Eulenschloß“ von Graf
Pocci. Der opfere Cassian gehört zu den entzückendsten
Dichtungen Schnitzlers. Das Wesen des Puppenspiels ermög¬
licht es. daß sich die Phantasie des Dichters höher als sonst
über die Realität des Lebens schwingt und andererseits wieder
unter das Niveau des wirklichen Lebens sinkt und derber,
deutlicher redet als es sonst die Gesetze der Kunst gestatten.
Ohne in Wolken zu verschwinden, aber auch ohne gemein
oder banal zu werden, schaut und schildert dieses Spiel
menschliche Leidenschaften von der Vogelperspektive. Es ver¬
gröbert und verfeinert die Wirklichkeit, wie es der tiefere
Sinn der Geschehnisse dem Dichter vorschreibt. Und beides
gelingt ihm, denn es sind ja doch nur Puppen an Draht¬
schnüren, die da spielen, nicht Menschen von Fleisch und
Blut. Und von diesen Puppen lassen wir uns Dinge sagen,
an denen wir auf der wirklichen Bühne des täglichen Lebens
vorbeischauen und die uns auf der nachgeahmten Bühne des
Lebens, dem Theater, zu grob oder zu — fein wären. ...
Das Spiel Schnitzlers handelt im siebzehnten Jahrhundert, in
einer kleinen deutschen Stadt. Ein junger Student ist im
Begriffe, seine Geliebte zu verlassen, um einem verführerischen
Irrlicht von Weib nachzureisen, einer ebenso sündhaften als
schönen Schauspielerin, die schon tausende Männer ihrer Zeit
behext hat. Da kommt sein Vetter, der „tapfere* Cassian, ein
echter Ritter des siebzehnten Jahrhunderts, halb Held, halb
Abenteurer, großmäulig und tatenprotzig, mit Waffen und
Worten klirrend in seine Studentenbude. Im Würfelspiel
nimmt Cassian seinem Vetter den letzten Dukaten ab und
mit seiner bramarbasierenden Männlichkeit bezaubert er Sophie,
seines Vetters Geliebte, so schnell, daß sie ihm gleich als
Marketenderin in den Krieg folgen will. Da schleudert ihm
dieser das Wort Schurke zu. Im Gefecht tötet der tapfere
Cassian seinen Vetter; die Geliebte, das Gelb hat er ihm
bereits genommen und nun wird er hinziehen, um auch des
Sterbenden Idol, die schöne Schauspielerin, zu erobern. Unter
den Tönen seiner Flöte verhaucht, nun von allen verlassen,
der Student seine Seele. ... Die Wirkung dieses Puppen¬
spieles auf das Publikum war ebenso eigenartig als tief. Die
Münchener Künstler haben uns ein Meisterstück moderner
Dichtung in jener Form genießen lassen, für die es der
Dichter bestimmt hat: im Spiel der Marionetten. Die
Kasperliade „Das Eulenschloß“ von Graf Pocci hat weder
Humor noch Satire. Sie schmeckt verwässert und hinterläßt
nach den tiefen Akkorden des Schnitzlerischen Stückes den Ein¬
druck eines ziemlich banalen Potpourris. Um diesen Scherz,
zu zeigen, wöre es nicht notwendig gewesen, ein künstlerischen
madernes Marionettentheater zu schaffen.
K