II, Theaterstücke 17, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Der tapfere Cassian. Puppenspiel in einem Akt (Generalprobe), Seite 69

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17.2. Der tapfere Gassian

Fontainebleau nachts im Schloßpark vor dem König von Frankreich
und seinen Offizieren ohne Schleier tanzte, die einen Graf von Leig¬
nang zum Fenster in den Hof hinunterwarf, daß die Hunde auf ihn
stürzten und ihm ein Ohr auffraßen, die in Homburg — doch genug
von ihrem Ruf. Ja richtig, wie hieß sie denn? Eleonore Lambriani war
ihr Name. Also ihr will Martin nach. Der Ungetreue, während Sophie
so bitterlich weinen wird. In Sophies feinen Puppenarmen hat er küssen
gelernt, ihr schwor er die ersten Eide, die Mädchen gerne hören. Den
Glühenden, Eifersüchtigen, Zärtlichen hat er nur gespielt und glaubt
nun, die hohe Kunst der Liebe zu kennen. Wie sich das doch die Puppen
vorstellen! So wie wir Menschen. Eh' er die Stadt verläßt, will er
der Weinenden sagen, daß er sie niemals wiedersehe, und sie wird darob
sterben. Welch' ein böses, schwarzes Puppenherz! Und die Sophie sagt:
„Bist du wieder da, wenn der Flieder blüht?" Es ist nämlich März
und auf den Wiesen vor der Stadtmauer blühen die Veilchen.
Da kommt Cassian mitten unter die Abschiednehmenden. Er
kommt aus so vielen Abenteuern, daß ein anderer mehr Mühe hätte,
sie zu erfinden, als es ihm gemacht hat, sie zu bestehen. Nun sitzen sie
in ihrer Dachkammer beisammen. Der kommende Frühling liegt ihnen
in den Gliedern. Sie spielen und feiern ein Fest zum letzten Adieu.
Martin, der im Spiel wie ein Zauberer immer und immer wieder ge¬
winnt, nochmals will er in der flüchtigen Abschiedsstunde dem Cassian
seine Wunder zeigen. Gleich soll ja der Diener kommen, der den Post¬
einmal verliert Martin, immer wieder, es geht alles darauf, er verliert
Geld und Gut, den Reiseplatz im Postwagen, das Geld, mit dem er
die tanzende Liebesspenderin erkaufen wollte, die Ehre, den Degen, das
Geschmeide, alles, auch die Sophie... Und sie? Plötzlich schlägt sie um
und will auch wirklich Cassian gehören. Da bäumt sich Martins
Puppenstolz auf und er vergißt Spiel und seine eigene Untreue und die
schöne Tänzerin in der nebelhaften Ferne. Kampf. Hieb auf Hieb. Das
Klirren der Degen. Auch Martin sicht gut. O. .. Cassian, der Krieger
und abenteuerliche Fechter sticht den Martin mitten ins pochende, heiße,
unglückliche Puppenherz. Ach, wie schade. .. Cassian soll nun die teuere
Tänzerin haben. Auf Sophie fällt die Wolke der Verzweiflung. Sie
stürzt sich zum Fenster hinaus. Arme Sophie — so wird man sagen.
Doch nicht. Alles ist eine Komödie nur und geht nach den Gesetzen und
der logischen Notwendigkeit des Märchens: Cassian stürzt ihr nach und
fängt sie im Falle. Beide kommen unten heil an. Freilich, Martin stirbt
und hört das fliehende Paar noch rufen und lachen, und dann immer
leiser und leiser, und in der Ferne das Posthorn, das wie ein Ruf des
Lebens der sterbenden Puppe im Ohre klingt. Sie reisen hinaus ins
helle, lebendige Sonnenland, Martin aber muß liegen bleiben mit durch¬
stochenem Herzen und so müde im Sterben, daß er nicht einmal Flöte
spielen will. .. Ja, es paßt nicht zusammen, der Ruf des Lebens und
der melancholische Trauermarsch auf den Tod einer verlassenen Puppe.
Martin, Martin, wie hast du recht, wenn du in der Stunde, wo
dir die Glieder erschlaffen und die Schnüre, an denen du das Leben
lebst, nur noch lockerer von den Fingern dessen herabhängen, der dich
spielen läßt, wie recht hast du, Martin: es ist bitter, allein zu sterben,
wenn man eine Viertelstunde vorher noch geliebt, wohlhabend und der
herrlichsten Hoffnungen voll war. Hörst du das Posthorn in der Ferne?
Den Ruf des Lebens? Tröste dich, zerstochenes Puppenherz, uns ge¬
schieht es nicht anders. Du hängst am Draht, und einer der größer ist
als du läßt dich lachen und weinen, lieben und müdewerden und seufzen
und sterben. Bei uns sieht man die Drähte nicht. Nur die Kinder sehen
sie, die Philosophen glauben sie zu spüren und sehen sogar in den
Wolken etwas, wo sie enden, aber nur die Dichter dürfen hinter die
Bühne und sehen alles, alles, damit sie dann dem Alltag davon er¬
zählen, wie wir das Spielzeug sind ernster, schwerer, dunkler Hände.
Und das sind die Dichter, wie auch der, der diese Puppenkomödie vom
„Tapferen Cassian“ erfand — ein gütiger Mann, der von der Sehn¬
sucht nach dem Leben erzählt. Es ist ein Spiel auf unser Leben in der
Gewandung der Ironie und leichtsinnigen Melancholie. Puppenspiele
und Puppen haben doch das gleiche Schicksal. Freilich, die Puppe
glaubt, daß sie lebt, sie merkt den Betrug nicht. Dem Puppenspieler
macht die Irreführung Freude. Oder sind auch wir Betrogene? Wir
geben der Puppe den Wahn und zweifeln nun selbst. Da entgleiten uns
die Fäden und wir fühlen auf einmal, daß wir an Schnüren hängen.
Ach, das kann doch nicht sein. Nicht wahr, Martin, du bist nur schein¬
bar tot und stehst dann wieder auf? Das machst du uns nur so vor 2#/#
Man lacht dann des Traumes und geht an seine Arbeit.
Dr. Franz Strünz
Erdgasbohrungen in Siebenbürgen.
Budapest, 11. März. Eine Kommission von Reichstags=Abgeordneten
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„USSERTI
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burg, Toronto.
(Quellenangabe ohne Gewähr).
Ausschnitt aus:
Neues Wiener Jeursal
18 3 1911.
vom:
—.—
(Münchener Marionettentheater.) In der Urania
gab es gestern wieder eine der so amüsanten Premieren des hier
gastierenden Münchener Marionettentheaters, das bei uns ein
treues und schon großes Publikum gefunden hat. Zunächst kam in
einer Neuaufführung Schnitzlers von der „Fledermaus“ her schon
bekanntes Puppenspiel „Der tapfere Cassian“, dessen bald
p#odistische, bald lyrische Szenen in der Marionettendarstellung in
ganz besonderer Weise zur Witturg gelangen. Das kleine, im
XVII. Jahrhundert sich abspieleude Stück mutet wie eine ein wenig
groteske Ballade an. Es ist ein Spiel von Liebe und Untreue,
aus Torheit und Klugheit, Leidenschaft und Tücke gemischt. Ein
Schwächling fällt einem in der Liebe rivalisierenden Prahlhans
zum Opfer, und Liebeslust und Tod erhalten in der Marionetten¬
darstellung etwas Unwirkliches, Ironisches. Zu den Vorgängen paßte
das schöne Largo aus dem Orgelkonzert Friedmann Bachs. Die
ungemein charakteristischen und künstlerisch gehaltenen Figuren
und die Dekoration rühren von Ignatius Taschner und Professor
Bradl her. Die Herren Marx, Wieland und Fräulein
Falkner boten treffliche Deklamationen des Textes. Es
kam dann der zwölfjährige Mozart mit seinem entzückend
feschen und anmutigen Rokokoidyll „Bastien und Bastienne“ zu
Wort, das mit seinen idyllischen, heiter=lieblichen Vorgängen so
recht in dieses Marionettentheater gehört. Professor Bradl steuerte
auch hier die entzäckenden, fein modellenten Figckrhen bil, die
ein so harmloses, putziges Spiel treiben. Das kleine Orchester
und die Sänger Dr. Neumann, Krall und Fräulein Sax brachten
die zierliche Musik, in der der sspätere Mozart sich schon
verrät, zu hübschester Wirkung., Beide Stücke fanden den
wärmsten-Beifall.