II, Theaterstücke 17, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Der tapfere Cassian. Puppenspiel in einem Akt (Generalprobe), Seite 71

17.2. Der tanfere Cassian
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Telephon 12.801.
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„OSSHRVIR
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für
Zeitungsausschnitte
Wien, I., Konkordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christiania,
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis,
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
(Quellenangabe ohne Gewähr).
Ausschnitt aus:
Meuts Wlaner Taphlacht
vom AA MRT 1911—
* (Marionettentheater.) Mit den zwei Puppen¬
spielen, die das Marionettentheater Münchener Künstler in
der Urania in sein Repertoire wieder aufnahm, hatte es
gestern einen schönen Erfolg. „Der tapfere Cassian“
von Acur Schnitzler ist von vornherein für ein
MarsplichtentheatergedachteEs hat eine Zeit in seiner
dichterischen Tätigkeit gegeben, wo Schnitzler das ganze
Menschenleben wie ein Spiel betrachtete und sich darin
gefiel, tiefernste Seelenprobleme mit der ironisch=kühlen
Ueberlegenheit des Puppenspielens zu betrachten. Aus jener ##
Zeit stammen auch seine zum Teil ins Groteske um¬
schlagenden „Marionetten, wo er seinem phantastischen
Humor ohne Zwang die Zügel schießen lassen konnte, und
dazu gehört das Puppenspiel vom „Tapferen Cassian“. Das ist
der Miles gloriosus, der großsprecherische Prahlhans der alten
Stehgreiflomödie, der den Studenten im Spiel und ln der
Liebe besiegt. So spielerisch heiter der Scherz im Grunde
ist, so hört man doch, zumal in der ersten Hälfte des
Spieles, jenen warmen, tiefen Ton, mit dem Schnitzler
seinen dramatischen Dialag immer, poetisch fesselnd zu ge¬
stalten weiß. Die heiter=spannende Handlung litt in der
gestrigen Darstellung anfänglich unter dem Dunkel, worin die
ohnehin kleine Marionettenbühne gehalten wurde. Mozarts
in jungen Jahren geschriebenes Schäferspiel „Bastien
und Bastienne“ das hierauf folgte, verdankt nicht bloß
seiner anmutigen Musik, sondern auch der liebenswürdigen
Wirkung der überaus geschickt und ausdrucksvoll bewegten
Marionetten und den trefflichen Sängern ihren neuen Erfolg.
Für die Bastienne sang Fräulein Sax, für den Bastien
Dr. Edgar Neumann, für Colas Herr Max Krall.
Solch einem altmodischen Schäferspiel konn in der Tat nur
noch die Marionettenbühne neuen Reiz abgewinnen; es ist
wie dafür geschaffen. Die starke Teilnahme des Publikums
an der gestrigen Vorstellung bewies, wie viele Freunde sich
das Marionettentheater schon erworben hat.
* (Zu hen feornnttihan Memeinha#chlon 1 Mna
box 22/7
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„USSERVER
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burg, Toronto.
(Quellenangabe ohne Gewähr).
Ausschnitt austfi##er Mittags-Zeitung
vom 4. 8 MRa. 1111
Häter und Kunst.
0
DA
Marionettenthater.
Der tapfere Cassian“ von Artur Schnitler.
„Bastien und Bastienne“ von Mozart.
Eine Schnitzler=Komödie, von Marionetten gespielt!
Seltsamer Kontrast, könnte man denken. Ein Meister Der
modernen Bühnenform schrieb einen Zyklus „Marionesten
Gliederpuppenmenschen! Aber Cassian, Martin und Sophie
muten gar nicht leblos an, gar nicht hölzern ist ihre
Sprache, und der Wortklang hat nichts Steifes, Lebloses
an sich. Vielmehr duftet blühend frisches Leben aus ihnen
und die alte Schnitzlersche Tragik vom Lieben und Sterben
spinnt sich durch Worte und Gebärden. Und gar nicht
stelzenhaft mutet es an, wenn der tapfere Schwadroneur und
Landsknecht Cassian seinen schwärmerischen Vetter Martin
um der Liebe eines gerühmten Weibes willen totsticht. Sie
ist gar nicht da, die griechische Tänzerin Eleonore, und ein
Mensch blutet ihrem Gedenken. Da ist nur die hausbackene
Gretchen=Sophie, die sich zum Fenster hinausstürzt, weil
Cassian derselben Rivalin zueilt, wie Martin es wollte:
Liebe — Tod. Weltschmerzliche Ironie ist es, wenn Martin
mit den Worten stirbt: „Und ich bin gar nicht aufgelegt,
Flöte zu blasen.“ Wir, die oft sahen, wie unter Stümper¬
händen Blutmenschen zu Drahtzieherfiguren degenerierten,
erlebten die Sensation: Marionetten wurden lebendig, man
mußte aufgehen im Spielen und Weinen der drei Holz¬
puppen. Dabei schien die innere Tragik vom Per¬
sönlichen der Schauspielertruppe ganz losgelöst und
Kunstwerkes wurden zu scharfen Konturen. Cassian, Sophie
und Martin waren nicht mehr: Liebe und Tod. Begrisse
sprachen und zündeten. Daß es dazu kommen konnte, ist
das Verdienst der Münchner, ihnen ist zu danken, daß sie
uns diese eigenartige Ausdrucksform näher brachten. Die
Dekorationen und Kostüme der Professoren Taschner und
Bradl, die erschütternden und robusten Akzente des Fräulein
Falkor und der Herren Marx und Wieland umrahmten
stilvoll das Ornament der Dichtung.
Mozarts Jugend=Oper „Bastien und Bastienne" fühlt
sich auf der Bühne des geschmackvollen „Urania“=Saales
bereits heimisch. Die Bastienne von damals, Fräulein
Angela Sax, konnte heute nur ihren silberhellen Sopran der
Pup#e leihen. Dr. Edgar Neumann atmete dem eisersüchtigen
Bestien seinen schönen Tenor ein. Besser als im Gesangs¬
gkeil wür diesmal im Sprechpart Herr Krall. Die musikalische
Leitung in besten Händen bei Herrn Kurt Pastor, die
Dekérationen des Professor Bradl von feinnervigem Ge¬
schmack beseelt.