17.2. Der tanfere Gassian
box 22/7
Auch an die Neubelebung rei¬
werden geschoben von unsichtbarer
zender alter Singspiele wie Glucks
Hand. Hier versuchte man beides:
„Maienkönigin“ oder Mozarts
leise Parodie und nuancierte In¬
„Bastien und Bastienne' könnte
nigkeit. Ich glaube, man kann
vom Marionettentheater aus ge¬
sich nur für eins entscheiden.
dacht werden. Pergoleses „Serva
Welche Gebiete sich das Puppen¬
padrona“ auf dieser Bühne stellte
theater noch erobern soll? Das
einen entzückenden Versuch dar.
phantastische Märchen. Die Zau¬
Famos war es, wie die Figur der
berwelt, vor der die Ohnmacht der
Zerbine die gezierten Bewegun¬
raffiniertesten Theatermaschinerie
gen einer Koloraturprimadonna
beginnt. Glaube und Phantasie
von heute und dazumal bescheiden
sind von Anbeginn geweckt und
karikierte. Fast rührend, wie der
willig. Also herbei mit Gozzi!
alte Pandolfo sich mit zitternden
Doch das liest man am besten bei
Händchen die Tränen vom Auge
E. T. A. Hoffmann in den „Selt¬
wischte. Ein Märchen könnte
samen Leiden eines Theaterdirek¬
man über den Diener Seapin er¬
tors“.
Hierbert Jhering
zählen: „Es war einmal ein
Vertauschte Seelen
Diener, der war so häßlich und
dumm, daß.
Sm cölner Schauspielhaus gab
Seltsam ging es mir mit
∆ es: „Vertauschte Seelen oder
Schnitzlers „Tapferem Cassian“.
die Komödie der Auferstehungen“
Die wertvollste und verfehlteste
Es war ein Dichter, dem es ge¬
Gabe des Abends. Verfehlt, weil
siel, für eine Stunde die bronzene
für dieses Spiel kein einheitlicher
Last der starren tragischen Maske
Stil gefunden wurde. Und doch
beiseite zu legen und mit der
hätte gerade diese träumerische
Losgelöstheit eines nackten Men¬
Groteske, in der eine leise Schwer¬
schen sein köstlichstes Lachen zu
mut über Menschlein mit Minia¬
schmettern. Er erwog, daß es ehe¬
turgefühlchen zittert, etwas von
mals den Göttern unratsam er¬
dem tiefern Sinn alles Puppen¬
schien, in divinaler Gestalt von
spiels enthüllen können. Es hätte
ihren Gipfeln zu steigen, als er
durch Vereinfachung des Sprech¬
sich mit dem verblichenen Namen
tons eine Uebereinstimmung mit
des im siebzehnten Jahrhundert
den primitiven Geberden der
abgegangenen Spaniers Tirso de
Marionetten erzielt werden
Molina bekleidete und in seine
müssen: Menschlein, so Schweres
Gebärde schlüpfte. So gelang
bewegt uns, und es geht auf den
Wilhelm von Scholz eine gefällige
Tod, aber wir wissen es kaum, und
Burleske und eine für ihn gefahr¬
willenlos wie die Puppen taumeln
lose Aufführung. Man bestaunte
wir dem Unbekannten entgegen.
das Werk eines vermeintlichen
Oder es wäre durch differenzier¬
Spaniers, und aus der entfessel¬
tes Sprechen ein rührend=komi¬
ten Lache dunkelte eine würdige
scher Gegensatz zu der steifen
Bewunderung für den alten
Eckigkeit der Figuren zu schaffen:
Meister; als dann am Ende ein
Menschlein, wir wissen es wohl, unter uns Lebender hervortrat,
was wir leiden, hört, wie es uns den vielen Dank entgegenzuneh¬
das Herz weich macht, aber hilf= men und seinen heitern Betrug
los sinken unsere Glieder, wir lächelnd einzugestehen, blieb dem
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Auch an die Neubelebung rei¬
werden geschoben von unsichtbarer
zender alter Singspiele wie Glucks
Hand. Hier versuchte man beides:
„Maienkönigin“ oder Mozarts
leise Parodie und nuancierte In¬
„Bastien und Bastienne' könnte
nigkeit. Ich glaube, man kann
vom Marionettentheater aus ge¬
sich nur für eins entscheiden.
dacht werden. Pergoleses „Serva
Welche Gebiete sich das Puppen¬
padrona“ auf dieser Bühne stellte
theater noch erobern soll? Das
einen entzückenden Versuch dar.
phantastische Märchen. Die Zau¬
Famos war es, wie die Figur der
berwelt, vor der die Ohnmacht der
Zerbine die gezierten Bewegun¬
raffiniertesten Theatermaschinerie
gen einer Koloraturprimadonna
beginnt. Glaube und Phantasie
von heute und dazumal bescheiden
sind von Anbeginn geweckt und
karikierte. Fast rührend, wie der
willig. Also herbei mit Gozzi!
alte Pandolfo sich mit zitternden
Doch das liest man am besten bei
Händchen die Tränen vom Auge
E. T. A. Hoffmann in den „Selt¬
wischte. Ein Märchen könnte
samen Leiden eines Theaterdirek¬
man über den Diener Seapin er¬
tors“.
Hierbert Jhering
zählen: „Es war einmal ein
Vertauschte Seelen
Diener, der war so häßlich und
dumm, daß.
Sm cölner Schauspielhaus gab
Seltsam ging es mir mit
∆ es: „Vertauschte Seelen oder
Schnitzlers „Tapferem Cassian“.
die Komödie der Auferstehungen“
Die wertvollste und verfehlteste
Es war ein Dichter, dem es ge¬
Gabe des Abends. Verfehlt, weil
siel, für eine Stunde die bronzene
für dieses Spiel kein einheitlicher
Last der starren tragischen Maske
Stil gefunden wurde. Und doch
beiseite zu legen und mit der
hätte gerade diese träumerische
Losgelöstheit eines nackten Men¬
Groteske, in der eine leise Schwer¬
schen sein köstlichstes Lachen zu
mut über Menschlein mit Minia¬
schmettern. Er erwog, daß es ehe¬
turgefühlchen zittert, etwas von
mals den Göttern unratsam er¬
dem tiefern Sinn alles Puppen¬
schien, in divinaler Gestalt von
spiels enthüllen können. Es hätte
ihren Gipfeln zu steigen, als er
durch Vereinfachung des Sprech¬
sich mit dem verblichenen Namen
tons eine Uebereinstimmung mit
des im siebzehnten Jahrhundert
den primitiven Geberden der
abgegangenen Spaniers Tirso de
Marionetten erzielt werden
Molina bekleidete und in seine
müssen: Menschlein, so Schweres
Gebärde schlüpfte. So gelang
bewegt uns, und es geht auf den
Wilhelm von Scholz eine gefällige
Tod, aber wir wissen es kaum, und
Burleske und eine für ihn gefahr¬
willenlos wie die Puppen taumeln
lose Aufführung. Man bestaunte
wir dem Unbekannten entgegen.
das Werk eines vermeintlichen
Oder es wäre durch differenzier¬
Spaniers, und aus der entfessel¬
tes Sprechen ein rührend=komi¬
ten Lache dunkelte eine würdige
scher Gegensatz zu der steifen
Bewunderung für den alten
Eckigkeit der Figuren zu schaffen:
Meister; als dann am Ende ein
Menschlein, wir wissen es wohl, unter uns Lebender hervortrat,
was wir leiden, hört, wie es uns den vielen Dank entgegenzuneh¬
das Herz weich macht, aber hilf= men und seinen heitern Betrug
los sinken unsere Glieder, wir lächelnd einzugestehen, blieb dem
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