II, Theaterstücke 17, (Lebendige Stunden. Vier Einakter, 1), Der tapfere Cassian. Puppenspiel in einem Akt (Generalprobe), Seite 82

17.2. Der tanfereCassian
Aesenein augirbsiter Zoitung, Wies
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vom:
Theater und Kunst.
Carl=Theater. Eine Matinee zu Gunsten der „Concordia“
brachte zunächst einen Einakter oder vielmehr eine „Dramatische
Situation“ von Peter Nansen. Diese „Kameraden“ hat
offenbar nicht der Dichter Peter Nansen, sondern irgend ein
anderer geschrieben; das Stückchen genügte aber, damit Fräulein
Erita v. Wagner und Herr Kramer ihre Liebens¬
würdigkei zeigen konnten. Der „Tapfere Kassian“ von
Schnitzler, als Singspiel, das es wohl nicht ist, von Oskar
Straus komponiert, würde auch in dieser musikalischen
Gestalt am besten für eine Marionettenbühne passen, für ein
wirkliches Marionettentheater, nicht etwa für eine Bühne, an der
die Schauspieler wie Puppen agieren müßten. Die Darstellung
im Cärl=Theater, von Künstlern der Hofoper bestritten, hielt
sich mit Recht an das rein Spiel= und Singspielmäßige;
Fräulein Francillo=Kaufmann, die Herren Hof¬
bauer, Maikl, Markhoff waren ganz vortrefflich,
Die Musik, recht witzig und nicht ohne Sorgfalt
in einer Art „Sieben Scharfrichter"=Stil gearbeitet, kam unter
Herrn Schalks Leitung zur besten Wirkung. In dem sehr
bunt zusammengestellten Programm folgte nun Girardi mit
dem ganz unübertrefflichen Vortrag des „Neuen Fiakerliedes“.
Das alte stammte von Pick, das neue von Philipp Pollak
und Ludwig Engländer: „Schau oba, Vater Krakauer!“
Den Schluß bildete das schon bekannte Singspiel „Brüderlein
fein“ von Leo Fall. Fräulein Walde und Frau Zwerenz
waren sehr gut. Herr Fritz Werner wahrte Haltung in einer
Rolle, die einmal Girardi schöpferisch belebt hat. An Beifall war
kein Mangel.
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in beinn, budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San I ancisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Gelllenangabe ohne Gewähr).
Ausschnitt aus: Osterr. Volks Zeituung, Win
vom: 18 MArRZ 1912
Concordia=Matinee im Carltheater. De.2
war gestern wohl eine der interessantesten Veranstaltungen
in der zu Ende gehenden Saison, musikalisch und
literarisch auf gleicher Höhe. Beginnen wir mit der¬
Anfang. mit der reizenden Plauderei des skandinavischen
Dichters Peter Nansen. Ein artiges Sächelchen;
nicht viel mehr, aber fein gemacht. Henrik und Ellen
hatten sich entlobt. Aus welchem Grunde? Mein Gott,
das kommt vor. Man verlobt sich und weiß oft nicht
warum: man geht wieder auseinander und hat ebenso
wenig eine ganz logische Erklärung dafür. Scheinbar
machen sich weder Herr Henrik noch Fräulein Ellen
etwas daraus. Sie kommt sogar zu ihm, um sich von
ihm beraten zu lassen, ob sie sich mit einem anderen, der sich
um sie bewirbt, neuerdings verloben soll. Sie meint
wohl, das wäre das beste; sie schmollt darüber und nach
einigen Minuten verloben sich diese beiden zum zweiten¬
mal. Herr Kramer und Fräulein Erika v. Wagner,
eine Blume von einem Mädel, spielten diese „dramatische
Situation“ — auf was für Bezeichnungen die Herren
Dichter von heute doch verfallen! — in einer so liebens¬
würdigen Manier, daß man sich über den allerdings
vorauszusehenden guten Ausgang ordentlich freute. Die
passen zu einander. Eine Opernuraufführung in der
Matinee eines Privattheaters ist eine Sensation, die auch
nur die Concordia den Besuchern ihrer Bühnenveran¬
staltungen zu bieten vermag. Mit Bewilligung des
Herrn Direktors Gregor wurde die Oskar Straus'sche
Oper „Der tapfere Kassian“ (Text von Artur
Schnitzlex nach seinem im Deutschen Volks¬
Stücke)
theater aufgeführten
zum
erstenmal
gegeben, eine stilvolle, vornehm gehaltene Komposition,
in der ein volkstümliches Lied sowie ein prächtig
klingendes Terzett von geradezu hervorragender Schönheit
sind. Hosopernkapellmeister Schalk dirigierte die vom
Oberregisseur Herrn v. Wymetal in Szene gesetzte
Aufführung, in der Hedwig Francillo=Kauff¬
imann, ferner die Herren Georg Maikl und Rudolf
Hofbauer köstliche Proben ihrer gereiften Künstler¬
schaft dem Publikum boten. Nun kam der Liebling Wiens,
Girardi. mit einem nenen Fiakerlied, dem
Schwanengesang unserer „Gawliere“ vom Bock, die sich
von den Autos überflügeln lassen mußten. Es liegt eine
gewisse Tragik in dem Los des Grabenkutschers, der zur
letzten Fahrt in den Prater hinab rüstet. Girardi gibt
der Wehmut, gepaart mit verhaltener Wut, naturgetreue
Laute, ergreifende Akzente. Wir weinen mit dem
ausspannenden Fiaker, können ihm aber nicht
helfen. Dieses von Herrn Philipp Pollak verfaßte
und von Ludwig Engländer melodisch vertonte
Lied wird, so bedauernswert dies auch sein mag, wahr¬
scheinlich noch den letzten Zeugllenker in Wien über¬
leben. Das Lied vermittelte geschickt den Uebergang
zwischen der Oper von Oskar Straus und dem Sing¬
spiel „Brüderlein fein“ von Leo Fall. Die
Damen Mizzi Zwerenz und Gerda Walde sowie
Herr Fritz Werner interpretierten dieses Stück Alt¬
Wienertum mit wohltuender Innigkeit und seinabge¬
töntem Humor. Daß alle die genannten Künstlerinnen
und Künstler, Komponisten und Dirigenten — zu letzteren
gehört auch Kapellmeister Josef Holzer — in gebühr¬
licher Weise gefeiert wurden, braucht bei den so bedeu¬
tenden Leistungen nicht auch noch besonders hervor¬
gehoben zu werden.
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