Paris, Konl, San Prallcisco, C.
(Quellonengabe chne Gewähr).
Ausschnift aus:
. 131
Srhese. Wien
vam:
[„Concordia“=Matinee.] Immer, wenn die
Saison sich anschicken will, zur Neige zu gehen, kommt dieses
letzte theatralische Ereignis, die Matinee der „Concordia“. Ihr
Hauptreiz besteht darin, daß sie in paar Sonntagsnach¬
mittagsstunden einen Auszug der Wiener Theaterkunst bietet,
gleichsam eine Musterkarte unserer beliebtesten Größen. Hof¬
diese
bühnen und Privattheater senden ihre Lieblinge in
Matinee und der Fremde, der sie besucht, genießt einen
amüsanten und lehrreichen Anschauungsunterricht, wie in
Wien gespielt, gesungen und getanzt wird. Auch die gestrige,
im Carl=Theater abgehaltene „Concordia“=Matinee vereinigte
wieder Darsteller der Hoftheater, der Privatbühnen, Oper,
Schauspiel und Operette zu einem ungewöhnlichen Ensemble.
Das Deutsche Volkstheater machte den Anfang mit einer
dramatischen Situation „Kameraden“ von Peter Nausen.
die bei dieser Gelegenheit ihre Uraufführung erlebte. Der
kleine Einakter des hervorragenden dänischen Erzählers bringt
nur zwei Figuren: Henrik und Ellen. Vor einem halben
Jahre haben sie sich aus einem plötzlichen Bedürfnis nach
Freiheit entlobt, ohne sich deshalb zu entzweien. Im Gegen¬
teil, sie sind gute Freunde geblieben, Kameraden, die mit¬
einander vernünftig und aufrichtig vlaudern können. Natür¬
lich ist dies nur eine fingierte Vernunft und Kameradschaft
und als Ellen zu Henrik kommt, angeblich um sich Rat
wegen eines Heiratsantrages zu holen, sagt er dezu Ja,
um
es aber gleich darauf mit einem Kuß zu widerrufen. Der
Reiz der kleinen dramatischen Plauderei liegt im Ton, im
Dialog, in dessen graziösem lebendigen Verlaufe manche witzige
Wendung auftaucht. Der Einakter wurde glänzend gespielt
von Leopold Kramer mit seiner unfehlbaren Liebens¬
würdigkeit und seinem legeren Humor, und in der anmutigen
Erika v. Wagner hatte er eine kluge und charmante
Partnerin, die über einen überaus angenehmen natürlichen
Lustspielton verfügt. Hierauf ein Stückchen Hofopernkunst.
Oskar Straus' Singspiel „Der tapfere Kassian“ das später
im Repertoire der Hofoper erscheinen wird, erlebte hier eine
Art Vorpremière. Der Librettist des Singspieles ist kein Ge¬
ringerer als Artur Schnitzler. Er hat es aus seiner be¬
kannten geistreichen Marionettengroteske gestaltet und der
opernhaften Wirkung zuliebe mit einem tragischen Schluß
versehen: Der Student Martin wird hier von Kassian im
Duell erstochen und bleibt einsam sterbend mit seiner Flöte
zurück. Oskar Straus hat dazu eine zierliche Musik ge¬
schrieben, die in Melodik und Instrumentation den Mario¬
nettenstil der Dichtung noch zu zeichnen sucht.
Die
Spielszene und die Kriegserzählung Kassians sind die
hübschesten musikalischen Momente des aparten Singspieles,
das von Hofopernkapellmeister Franz Schalk vortrefflich ein¬
studiert worden ist. Die Gesangskunst des Fräuleins Fran¬
cillo=Kauffmann und die schönen Stimmen der
Herren Hofbauer und Maikl vereinigten sich zu einem
brillanten Trio. Mit diesen Künstlern wurde Oskar Straus
oft gerufen. Den Höhepunkt erreichte der Nachmittag, als
Alexander Girardi auf der Bühne erschien, mit stürmi¬
schem Beifall begrüßt. Schon seine Maske, die eines allen
Fiakers, ist prächtig: von dem luft= und weingeröteten Gesicht
bis zum kleinsten Detail der Kleidung. Girardi, der vor vielen
Jahren das berühmte Fiakerlied kreiert hat, sang zum
erstenmal ein „Neues Fiakerlied". Der Text von Philipp
Pollak bewegt sich zwischen Humor und Empfindsamkeit und
schildert in vier, fünf Strophen den aussichtslosen Kampf des
Fiakers gegen das Auto, gegen die neue Zeit, die neuen
Wiener und ihre undankbare Vergeßlichkeit. Ein Fiakerwelt¬
schmerz, der sich in dem Coupletrefrain ausdrückt: Taxameter
und Benzin. Der Komponist Ludwig Engländer, der
am Dirigentenpult saß, hat dazu eine sich sehr hübsch an¬
schmiegende Wiener Musik geschrieben. Wert und Bedeutung
erhält das kleine Lied erst durch den unvergleichlichen Vor¬
trag Girardis. Das ist mehr als ein Coupletvortrag: das ist
das alte verschwindende Wien, das droben steht und noch
einmal den Nachgebovenen zeigt, wie unsinnig schön und
rührend und fidel es war. In ein paar Coupletstrophen so viel
Echtheit und Buanee, so viel Leben und Kunst hineinlegen,
das vermag nur Alexander Girardi, der liebe und große
wienerische Meister. Mit stürmischem und jubelndem Beifall
wurde das Couplet zur Wiederholung verlangt. Den #####
lbschluß
64
—
der Matinee bildete das entzückende Altwiener Singspiel
„Brüderlein sein“ von Julius Wilhelm und Leo Fall.
Herr und Frau Drechsler wurden diesmal von Fritz
Werner und Mizzi Zweren; dargestellt. Mit grauen,
Haaren waren beide von seinster, diskreter Charakteristik, mit
blonden von sprühendem, singendem und tanzendem Tem¬
perament. Die liebenswürdige Leistung Gerda Waldes
schloß sich angenehm an. Der Einakter wurde von Kapell¬
meister Holzer erakt dirigiert, von Oberregisseur Holzer
stimmungsvoll in Szene gesetzt, und mit herzlichem Beifall“
für alle Mitwirkenden verklang die Matinee.
hagen, London, Madrie, Mailand, Minneapolis, New-York.
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Gnallonengibe ohme Gowühs).
Ausschnitt aus
Suas Wiener Jaurka
vom: 18. MRZ. 19•2
(Carl=Theater.) Concordia=Matinée. Das bedeutet
(eine Reihe künstlerische Eindrücke von nachhaltigem Wert. So war
es auch gestern. Erst ein Einakter von Peter Nansen, dem geist¬
vollen Dänen: „Kameraden“ betitelt. Es ist nur eine dramatische
Situation, so etwa in der Anatolart. Die hübsch pointierte
Plauderei wurde von Herrn Kramer und Fräulein Erika
v. Wagner ganz reizend gespielt. Dann folgte der inter¬
essanteste Teil der Veranstaltung: die Premiere des Singspiels
„Der tapsere Kassian“ von Artur Schnitzler, mit der Musik
von Oskar Straus. Das Marioneltenspiel des Dichters, das
erst jüngst im Deutschen Volkstheater so anregend wirkte, ist hier
für die Vertonung adaptiert, ein bißchen gekürzt und geändert.
Aber der sinnige Gehalt des Stückchens blieb und bot dem
Komponisten Raum zur Entfaltung seiner musikalischen Art.
Sie ist an dieser höheren oder vielmehr tieferen
Aufgabe gewachsen. Es ist die Arbeit eines starken Könners. Die
musikalische Untermalung der Szene ist ihm außerordentlich ge¬
glückt. Sie steckt voll heimlicher Reize, und wo er zu melodischem
Schwung ausholt, erfreut eine besondere Klangfülle das Ohr.
Ein Terzett von den Taten des tapferen Kassiau ist ein wahres
Kabinettstückchen und rief stürmischen Applaus hervor. Er brach
in verstärktem Maße nach dem Fallen des Vorhanges aus.
Oskar Straus mußte zahlreichen Hervorrufen Folge leisten.
Mit ihm erschienen die Herren Hofbauer und
[Maikl sowie Fräulein Francillo=Kauff¬
mann, deren prächtiges Stimmmaterial den Intentionen
des Komponisten vollauf Rechnung trug. Franz Schalk
dirigierte das Orchester mit gewohnter Präzision. Der interessanten
Premiere folgte ein humoristisches Nachspiel: Girardi trug
ein neues Fiakerlied von Ludwig Engländer, Text vons
Philipp Pollak, vor. Man kennt Girardis Vortragskunst
und es war doch wieder ein besonderer Genuß, ihn das Klagelied
von der neuen Zeit anstimmen zu hören, die nur auf Taxameter
und Benzin eingeschworen ist. Als Abschluß der Matinee wurde
Leo Falls „Brüderlein fein“ wieder gegeben. Die entzückende
Darstellung von Mizzi Zwerenz und Fritz Werner, die
zum erstenmal diese Partien sangen und sich besonders auszeich¬
neten sowie die bekannte charmante Leistung des Fräuleins
[Walde verhalf dem Einakter zu neuer Wirkung. Es war ein
anregender Nachmittag.
* G. c „m5 4 Il-
(Quellonengabe chne Gewähr).
Ausschnift aus:
. 131
Srhese. Wien
vam:
[„Concordia“=Matinee.] Immer, wenn die
Saison sich anschicken will, zur Neige zu gehen, kommt dieses
letzte theatralische Ereignis, die Matinee der „Concordia“. Ihr
Hauptreiz besteht darin, daß sie in paar Sonntagsnach¬
mittagsstunden einen Auszug der Wiener Theaterkunst bietet,
gleichsam eine Musterkarte unserer beliebtesten Größen. Hof¬
diese
bühnen und Privattheater senden ihre Lieblinge in
Matinee und der Fremde, der sie besucht, genießt einen
amüsanten und lehrreichen Anschauungsunterricht, wie in
Wien gespielt, gesungen und getanzt wird. Auch die gestrige,
im Carl=Theater abgehaltene „Concordia“=Matinee vereinigte
wieder Darsteller der Hoftheater, der Privatbühnen, Oper,
Schauspiel und Operette zu einem ungewöhnlichen Ensemble.
Das Deutsche Volkstheater machte den Anfang mit einer
dramatischen Situation „Kameraden“ von Peter Nausen.
die bei dieser Gelegenheit ihre Uraufführung erlebte. Der
kleine Einakter des hervorragenden dänischen Erzählers bringt
nur zwei Figuren: Henrik und Ellen. Vor einem halben
Jahre haben sie sich aus einem plötzlichen Bedürfnis nach
Freiheit entlobt, ohne sich deshalb zu entzweien. Im Gegen¬
teil, sie sind gute Freunde geblieben, Kameraden, die mit¬
einander vernünftig und aufrichtig vlaudern können. Natür¬
lich ist dies nur eine fingierte Vernunft und Kameradschaft
und als Ellen zu Henrik kommt, angeblich um sich Rat
wegen eines Heiratsantrages zu holen, sagt er dezu Ja,
um
es aber gleich darauf mit einem Kuß zu widerrufen. Der
Reiz der kleinen dramatischen Plauderei liegt im Ton, im
Dialog, in dessen graziösem lebendigen Verlaufe manche witzige
Wendung auftaucht. Der Einakter wurde glänzend gespielt
von Leopold Kramer mit seiner unfehlbaren Liebens¬
würdigkeit und seinem legeren Humor, und in der anmutigen
Erika v. Wagner hatte er eine kluge und charmante
Partnerin, die über einen überaus angenehmen natürlichen
Lustspielton verfügt. Hierauf ein Stückchen Hofopernkunst.
Oskar Straus' Singspiel „Der tapfere Kassian“ das später
im Repertoire der Hofoper erscheinen wird, erlebte hier eine
Art Vorpremière. Der Librettist des Singspieles ist kein Ge¬
ringerer als Artur Schnitzler. Er hat es aus seiner be¬
kannten geistreichen Marionettengroteske gestaltet und der
opernhaften Wirkung zuliebe mit einem tragischen Schluß
versehen: Der Student Martin wird hier von Kassian im
Duell erstochen und bleibt einsam sterbend mit seiner Flöte
zurück. Oskar Straus hat dazu eine zierliche Musik ge¬
schrieben, die in Melodik und Instrumentation den Mario¬
nettenstil der Dichtung noch zu zeichnen sucht.
Die
Spielszene und die Kriegserzählung Kassians sind die
hübschesten musikalischen Momente des aparten Singspieles,
das von Hofopernkapellmeister Franz Schalk vortrefflich ein¬
studiert worden ist. Die Gesangskunst des Fräuleins Fran¬
cillo=Kauffmann und die schönen Stimmen der
Herren Hofbauer und Maikl vereinigten sich zu einem
brillanten Trio. Mit diesen Künstlern wurde Oskar Straus
oft gerufen. Den Höhepunkt erreichte der Nachmittag, als
Alexander Girardi auf der Bühne erschien, mit stürmi¬
schem Beifall begrüßt. Schon seine Maske, die eines allen
Fiakers, ist prächtig: von dem luft= und weingeröteten Gesicht
bis zum kleinsten Detail der Kleidung. Girardi, der vor vielen
Jahren das berühmte Fiakerlied kreiert hat, sang zum
erstenmal ein „Neues Fiakerlied". Der Text von Philipp
Pollak bewegt sich zwischen Humor und Empfindsamkeit und
schildert in vier, fünf Strophen den aussichtslosen Kampf des
Fiakers gegen das Auto, gegen die neue Zeit, die neuen
Wiener und ihre undankbare Vergeßlichkeit. Ein Fiakerwelt¬
schmerz, der sich in dem Coupletrefrain ausdrückt: Taxameter
und Benzin. Der Komponist Ludwig Engländer, der
am Dirigentenpult saß, hat dazu eine sich sehr hübsch an¬
schmiegende Wiener Musik geschrieben. Wert und Bedeutung
erhält das kleine Lied erst durch den unvergleichlichen Vor¬
trag Girardis. Das ist mehr als ein Coupletvortrag: das ist
das alte verschwindende Wien, das droben steht und noch
einmal den Nachgebovenen zeigt, wie unsinnig schön und
rührend und fidel es war. In ein paar Coupletstrophen so viel
Echtheit und Buanee, so viel Leben und Kunst hineinlegen,
das vermag nur Alexander Girardi, der liebe und große
wienerische Meister. Mit stürmischem und jubelndem Beifall
wurde das Couplet zur Wiederholung verlangt. Den #####
lbschluß
64
—
der Matinee bildete das entzückende Altwiener Singspiel
„Brüderlein sein“ von Julius Wilhelm und Leo Fall.
Herr und Frau Drechsler wurden diesmal von Fritz
Werner und Mizzi Zweren; dargestellt. Mit grauen,
Haaren waren beide von seinster, diskreter Charakteristik, mit
blonden von sprühendem, singendem und tanzendem Tem¬
perament. Die liebenswürdige Leistung Gerda Waldes
schloß sich angenehm an. Der Einakter wurde von Kapell¬
meister Holzer erakt dirigiert, von Oberregisseur Holzer
stimmungsvoll in Szene gesetzt, und mit herzlichem Beifall“
für alle Mitwirkenden verklang die Matinee.
hagen, London, Madrie, Mailand, Minneapolis, New-York.
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Gnallonengibe ohme Gowühs).
Ausschnitt aus
Suas Wiener Jaurka
vom: 18. MRZ. 19•2
(Carl=Theater.) Concordia=Matinée. Das bedeutet
(eine Reihe künstlerische Eindrücke von nachhaltigem Wert. So war
es auch gestern. Erst ein Einakter von Peter Nansen, dem geist¬
vollen Dänen: „Kameraden“ betitelt. Es ist nur eine dramatische
Situation, so etwa in der Anatolart. Die hübsch pointierte
Plauderei wurde von Herrn Kramer und Fräulein Erika
v. Wagner ganz reizend gespielt. Dann folgte der inter¬
essanteste Teil der Veranstaltung: die Premiere des Singspiels
„Der tapsere Kassian“ von Artur Schnitzler, mit der Musik
von Oskar Straus. Das Marioneltenspiel des Dichters, das
erst jüngst im Deutschen Volkstheater so anregend wirkte, ist hier
für die Vertonung adaptiert, ein bißchen gekürzt und geändert.
Aber der sinnige Gehalt des Stückchens blieb und bot dem
Komponisten Raum zur Entfaltung seiner musikalischen Art.
Sie ist an dieser höheren oder vielmehr tieferen
Aufgabe gewachsen. Es ist die Arbeit eines starken Könners. Die
musikalische Untermalung der Szene ist ihm außerordentlich ge¬
glückt. Sie steckt voll heimlicher Reize, und wo er zu melodischem
Schwung ausholt, erfreut eine besondere Klangfülle das Ohr.
Ein Terzett von den Taten des tapferen Kassiau ist ein wahres
Kabinettstückchen und rief stürmischen Applaus hervor. Er brach
in verstärktem Maße nach dem Fallen des Vorhanges aus.
Oskar Straus mußte zahlreichen Hervorrufen Folge leisten.
Mit ihm erschienen die Herren Hofbauer und
[Maikl sowie Fräulein Francillo=Kauff¬
mann, deren prächtiges Stimmmaterial den Intentionen
des Komponisten vollauf Rechnung trug. Franz Schalk
dirigierte das Orchester mit gewohnter Präzision. Der interessanten
Premiere folgte ein humoristisches Nachspiel: Girardi trug
ein neues Fiakerlied von Ludwig Engländer, Text vons
Philipp Pollak, vor. Man kennt Girardis Vortragskunst
und es war doch wieder ein besonderer Genuß, ihn das Klagelied
von der neuen Zeit anstimmen zu hören, die nur auf Taxameter
und Benzin eingeschworen ist. Als Abschluß der Matinee wurde
Leo Falls „Brüderlein fein“ wieder gegeben. Die entzückende
Darstellung von Mizzi Zwerenz und Fritz Werner, die
zum erstenmal diese Partien sangen und sich besonders auszeich¬
neten sowie die bekannte charmante Leistung des Fräuleins
[Walde verhalf dem Einakter zu neuer Wirkung. Es war ein
anregender Nachmittag.
* G. c „m5 4 Il-