17.2. Der tanfere Cassian box 22/7
Felix Weingartner, kein übler Musiker, hatte das
wohlgeratene Stückchen für die Hofoper angenommen und
hätte es wohl auch aufgeführt, wenn er inzwischen nicht
seinen Posten verlassen hätte. Vielleicht entschließt sich
Direktor Gregor — und man mag dies wünschen —, die
wirkungsvolle kleine Oper in den Spielplan seines In¬
stituts aufzunehmen, was ihm um so leichter fallen dürfte,
als „Der tapfere Kassian“ gelegentlich seiner gestrigen
Erstaufführung in Wien ohnedies völlig im Zeichen der
Hofoper stand. Hofkapellmeister Schalk hatte das
Werk mit feinstem Verständnis einstudiert und geleitet,
Oberregisseur v. Wymetal hatte es mit auserlesenem
Kunstsinn inszeniert und Mitglieder der Hofoper hatten auf
der Bühne gestanden. Frau Francillo=Kauf¬
mann als Sophie war lieb und zärtlich, Herr Hof¬
bauer als Kassian bezwingend durch seine starke Per¬
ig.
sönlichkeit, Herr Maikl als Martin liebenswürdig wie
(Ouellenangabe ehne Gewähr).
immer, Herr Markhoff (Diener) charakteristisch in
Ausschnitt aus:
Ton und Gebärde. Das Singspiel, das der Initiative des
Journalisten= und Schriftstellervereines „Concordia“
8 3 1972
seine Wiener Aufführung verdankte, wurde mit ehrlichem
vom:
# Wiener Tagher
Beifall aufgenommen, der noch herzlicher wurde, als der
Komponist vor der Gardine erschien.
Auch sonst war die Matinee im Carltheater, deren
Pièce de résistance das Schnitzler=Straussche Werkchen
Theater, Kunst und Titeratur.
bildete, vortrefflich geeignet, das beifallslustige Publikum
in andauernd guter Stimmung zu erhalten. Die Leitung
Carltheater.
der „Concordia“ verschaffte sich sogar eine Uraufführung:
„Der tapfere Kassian“ und andres.
Peter Nansens hübsche Bluette („dramatische
Eine Burleske mit tragischem Ausgang. Der tapfere
Situation“ nennt's der Dichter) „Kameraden“.
Kassian, ein richtiger Bramarbas, ist bloß ein Werkzeug
Henrik und Ellen, die sich heiraten sollten, waren aus¬
des Schicksals. Ein“' großmäuliger, Landsknecht, ein
einandergegangen. Schon ein halbes Jahr war seither ver¬
Schlachtenbummler, ein Held mehr der Worte als der
gangen. Da sucht Ellen einen Anlaß, um in Henriks
Taten, weiß dieser Kriegersmann wenig dason, was das
Junggesellenwohnung zu kommen. Mit diesem Besuch setzt
Herz bewegt. Das Leben ist ihm Dolein ehne „ Zweck, die
das Stück ein. Ob sie denn nicht als Kameraden nit
Liebe nichts als Sinnenlust. Aber er ist täpfer, und dem
einander verkehren könnten? Und so sie sich darüber schlüssig
Mutigen gehört die Welt. Er schlug schon, „als er
wurden, wan sie natürlich zum zweitenmal verlobt. Erika
13 Jahre alt war, zwei Räuber tot"„Das menschliche Leben
Wagner und Leopold Kramer beherrschten die
gilt ihm nicht mehr als das einer Mücke. Da ist sein
„Situation“ mit weltmännischem Takt und jener flotten
Vetter Martin, der Student, ein andrer. Ein friedlicher
Eleganz, die notwendig ist, um über die Klippen heikler
Gesell, der seine Flöte bläst. Freilich, leichtsinnig ist der eine
Situationen hinwegzukommen. Ein „Das neue Fiaker¬
so wie der andre. Der Würfel entscheidet. Und dazwischen
lied“ betitelte, von P. Pollak verfaßtes Couplet, dem
steht immer ein Weib, sei es das verliebte deutsche
Ludwig Engländer ein melodisches und populäres
Mädchen Sophie, sei es die Tänzerin Leonore. Aber
Mäntelchen umgehängt hatte, wurde von Alexander
Kassian, das muß man ihm lassen, hat den Streit nicht
Girardi mit vollendeter Meisterschaft vorgetragen. Der
vom Zaun gebrochen. Er kam gerade zurecht, als der Komponist durfte persönlich danken. Die reizvolle Miniatur¬
Vetter Martin die Studentenbude und zugleich auch
operette „Brüderlein fein“ von Leo Fall be¬
Sophie verlassen wollte, um in die Arme der Tänzerin zu
schloß die Vorstellung. Mitzi Zwerenz, temperamentvoll
fliegen. Zu eng ward Martin diese kleinbürgerliche Welt
und gut gelaunt, Fritz Werner, voll freundlichen
und die Idylle langweilte ihn. Vom Glücke verwöhnt, ge¬
Humors und Wärme, Gerda Walde, anmutig und
wann sträflicher Uebermut die Herrschaft über ihn. Er
fröhlich, bildeten von vornherein eine Gewähr für das volle
hatte bisher immer gewonnen, Geld, Liebe und alles, was
Gelingen der Aufführung, um die sich auch Oberregisseur
es Schönes auf dieser Erde gibt. Lachend nahm er Kassian
Karl Wallner und Kapellmeister Holzer ver¬
seine ganze Barschaft ab. Zum Troste schenkte er dem
dient machten.
—D—
Vetter einen Dukaten. Und wieder kreisen die Würfel. ber
nun waltet das Verhängnis, und Kassian wird dazu aus¬
ersehen, Martin zu verderben. Alles verliert der Student
an ihn, das Gold, das Gewand, Sophie und den Diener.
Und dann ersticht der Kassian den Martin. Diesem ent¬
sinkt die Flöte, und Kassian eilte davon, um Leonore zu
suchen. Die betrogene Sophie? Sie trieb es in die Ferne,
vielleicht fand sie wieder einen, den sie liebte.
Sicherlich hat Artur Schnitzler, der geistvolle
und innige Dichter, eine Lebenswahrheit künden wollen,
als er die simple Geschichte vom tapferen Kassian, zunächst
für ein Marionettentheater, niedergeschrieben hatte.
Vergänglichkeit, irrende Liebe, Leichtsinn, Vergeltung,
strafendes Schicksal — das alles wohl sollte in ine ver¬
schleierte Symbolik eingefangen werden. Ich weiß nicht,
ob der tapfere Kassian als rezitierendes Drama seine
Schuldigkeit getan hat, als Singspiel kam er
zur
vollsten Geltung. Die feine Hand des Dichters schuf auch
die Form für die musikalische Gestaltung der Dichtung,
die zu vertonen Oskar Straus als der geeignete
Mann erschien. Teils mit seinem sicheren Instinkt, teils
mit seinem geübten Scharfsinn erkannte Straus gleich
das Wesen, der in Holzschnitt#
Ken
Felix Weingartner, kein übler Musiker, hatte das
wohlgeratene Stückchen für die Hofoper angenommen und
hätte es wohl auch aufgeführt, wenn er inzwischen nicht
seinen Posten verlassen hätte. Vielleicht entschließt sich
Direktor Gregor — und man mag dies wünschen —, die
wirkungsvolle kleine Oper in den Spielplan seines In¬
stituts aufzunehmen, was ihm um so leichter fallen dürfte,
als „Der tapfere Kassian“ gelegentlich seiner gestrigen
Erstaufführung in Wien ohnedies völlig im Zeichen der
Hofoper stand. Hofkapellmeister Schalk hatte das
Werk mit feinstem Verständnis einstudiert und geleitet,
Oberregisseur v. Wymetal hatte es mit auserlesenem
Kunstsinn inszeniert und Mitglieder der Hofoper hatten auf
der Bühne gestanden. Frau Francillo=Kauf¬
mann als Sophie war lieb und zärtlich, Herr Hof¬
bauer als Kassian bezwingend durch seine starke Per¬
ig.
sönlichkeit, Herr Maikl als Martin liebenswürdig wie
(Ouellenangabe ehne Gewähr).
immer, Herr Markhoff (Diener) charakteristisch in
Ausschnitt aus:
Ton und Gebärde. Das Singspiel, das der Initiative des
Journalisten= und Schriftstellervereines „Concordia“
8 3 1972
seine Wiener Aufführung verdankte, wurde mit ehrlichem
vom:
# Wiener Tagher
Beifall aufgenommen, der noch herzlicher wurde, als der
Komponist vor der Gardine erschien.
Auch sonst war die Matinee im Carltheater, deren
Pièce de résistance das Schnitzler=Straussche Werkchen
Theater, Kunst und Titeratur.
bildete, vortrefflich geeignet, das beifallslustige Publikum
in andauernd guter Stimmung zu erhalten. Die Leitung
Carltheater.
der „Concordia“ verschaffte sich sogar eine Uraufführung:
„Der tapfere Kassian“ und andres.
Peter Nansens hübsche Bluette („dramatische
Eine Burleske mit tragischem Ausgang. Der tapfere
Situation“ nennt's der Dichter) „Kameraden“.
Kassian, ein richtiger Bramarbas, ist bloß ein Werkzeug
Henrik und Ellen, die sich heiraten sollten, waren aus¬
des Schicksals. Ein“' großmäuliger, Landsknecht, ein
einandergegangen. Schon ein halbes Jahr war seither ver¬
Schlachtenbummler, ein Held mehr der Worte als der
gangen. Da sucht Ellen einen Anlaß, um in Henriks
Taten, weiß dieser Kriegersmann wenig dason, was das
Junggesellenwohnung zu kommen. Mit diesem Besuch setzt
Herz bewegt. Das Leben ist ihm Dolein ehne „ Zweck, die
das Stück ein. Ob sie denn nicht als Kameraden nit
Liebe nichts als Sinnenlust. Aber er ist täpfer, und dem
einander verkehren könnten? Und so sie sich darüber schlüssig
Mutigen gehört die Welt. Er schlug schon, „als er
wurden, wan sie natürlich zum zweitenmal verlobt. Erika
13 Jahre alt war, zwei Räuber tot"„Das menschliche Leben
Wagner und Leopold Kramer beherrschten die
gilt ihm nicht mehr als das einer Mücke. Da ist sein
„Situation“ mit weltmännischem Takt und jener flotten
Vetter Martin, der Student, ein andrer. Ein friedlicher
Eleganz, die notwendig ist, um über die Klippen heikler
Gesell, der seine Flöte bläst. Freilich, leichtsinnig ist der eine
Situationen hinwegzukommen. Ein „Das neue Fiaker¬
so wie der andre. Der Würfel entscheidet. Und dazwischen
lied“ betitelte, von P. Pollak verfaßtes Couplet, dem
steht immer ein Weib, sei es das verliebte deutsche
Ludwig Engländer ein melodisches und populäres
Mädchen Sophie, sei es die Tänzerin Leonore. Aber
Mäntelchen umgehängt hatte, wurde von Alexander
Kassian, das muß man ihm lassen, hat den Streit nicht
Girardi mit vollendeter Meisterschaft vorgetragen. Der
vom Zaun gebrochen. Er kam gerade zurecht, als der Komponist durfte persönlich danken. Die reizvolle Miniatur¬
Vetter Martin die Studentenbude und zugleich auch
operette „Brüderlein fein“ von Leo Fall be¬
Sophie verlassen wollte, um in die Arme der Tänzerin zu
schloß die Vorstellung. Mitzi Zwerenz, temperamentvoll
fliegen. Zu eng ward Martin diese kleinbürgerliche Welt
und gut gelaunt, Fritz Werner, voll freundlichen
und die Idylle langweilte ihn. Vom Glücke verwöhnt, ge¬
Humors und Wärme, Gerda Walde, anmutig und
wann sträflicher Uebermut die Herrschaft über ihn. Er
fröhlich, bildeten von vornherein eine Gewähr für das volle
hatte bisher immer gewonnen, Geld, Liebe und alles, was
Gelingen der Aufführung, um die sich auch Oberregisseur
es Schönes auf dieser Erde gibt. Lachend nahm er Kassian
Karl Wallner und Kapellmeister Holzer ver¬
seine ganze Barschaft ab. Zum Troste schenkte er dem
dient machten.
—D—
Vetter einen Dukaten. Und wieder kreisen die Würfel. ber
nun waltet das Verhängnis, und Kassian wird dazu aus¬
ersehen, Martin zu verderben. Alles verliert der Student
an ihn, das Gold, das Gewand, Sophie und den Diener.
Und dann ersticht der Kassian den Martin. Diesem ent¬
sinkt die Flöte, und Kassian eilte davon, um Leonore zu
suchen. Die betrogene Sophie? Sie trieb es in die Ferne,
vielleicht fand sie wieder einen, den sie liebte.
Sicherlich hat Artur Schnitzler, der geistvolle
und innige Dichter, eine Lebenswahrheit künden wollen,
als er die simple Geschichte vom tapferen Kassian, zunächst
für ein Marionettentheater, niedergeschrieben hatte.
Vergänglichkeit, irrende Liebe, Leichtsinn, Vergeltung,
strafendes Schicksal — das alles wohl sollte in ine ver¬
schleierte Symbolik eingefangen werden. Ich weiß nicht,
ob der tapfere Kassian als rezitierendes Drama seine
Schuldigkeit getan hat, als Singspiel kam er
zur
vollsten Geltung. Die feine Hand des Dichters schuf auch
die Form für die musikalische Gestaltung der Dichtung,
die zu vertonen Oskar Straus als der geeignete
Mann erschien. Teils mit seinem sicheren Instinkt, teils
mit seinem geübten Scharfsinn erkannte Straus gleich
das Wesen, der in Holzschnitt#
Ken