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17.1. Der Puppenspieler
die Form des Dramas umzugießen. In der Novelle verwertet!
0 4
Theater und Musik.
Rodenbach mit dichterischer Kunst das Motiv des stillen Brügge, das
G
I Deutsches Theater.
ganz in der Erinnerung an die tote Vergangenheit lebt und für die!
„Der Puppenspieler“ von Arthur Schnitzler. „Trug=] Gegenwart tot ist. In dieser Stadt der Erinnerungen lebt sein
Held Hugo ganz in der Erinnerung an die tote Gattin und aus
bild“, Schauspiel in 4 Alten von Georg Rodenbach. Deutsch von
der
feinfühligen Darstellung der Wechselwirkung zwischen!
S. Trebitsch. Erste Aufführung Sonnabend, 12. September.
Mensch und Stadt ergeben sich Wirkungen von einem zarten und
Die beiden Stücke sind sehr charakteristisch für die Sucht unserer
feinen Reize. Auf diesen Reiz muß der Dichter fast gänzlich ver¬
Dichter, die Bühne als Sprachrohr ihrer Empfindungen und Ge¬
zichten, sobald er von der Novelle zum Drama übergeht. Dazu
danken zu benutzen, gleichgültig ob die dramatische Form dem Stoffe gemäß ist
kommen andere Nachteile. Zunächst hat der Stoff nur wenig drama¬
oder nicht. Sowohl Schnitzler wie Rodenbach haben sich selbst dadurch
tische Keimkraft, die lyrischen Elemente aber kommen auf der Bühne
geschadet, daß sie dieser Mode folgten. Schnitzlers Charakterstudie
nur wenig zu ihrem Rechte. Vor allem aber ändert die Handlung
leidet infolgedessen an Unklarheit, Rodenhachs Schauspiel an #müden¬
selbst sofort ihren Charakter, wenn sie greifbar vor uns auf die
der Weitschweifigkeit. Auf die besonderen Anforderungen der Bühne
Bühne tritt. Das Grausige und Unheimlich=Anziehende der Novelle
nimmt keiner von beiden Rücksicht. Wir hören ein Langes und
wird im Drama abstoßend und lächerlich, und unsere Kritik,
Breites erzählen, aber vor unseren Augen entwickelt sich nichts. —
die in der Novelle eingeschläfert war, erwacht in gefährlicher Weise.
Schnitzlers Held nennt sich einen Puppenspieler;
wie
Dieser trauernde Witwer, der in seinem exaltierten Schmerze um die
dieser seine Puppen an Drähten agieren läßt, die
seine
tote Gattin sich von der wunderbaren Aehnlichkeit einer Unbekannten
Hand leitet, so glaubt er seine Lebensaufgabe darin
ge¬
so tief bezaubern läßt, daß er in seiner Leidenschaft zu jenem „Trug¬
Der
funden zu haben, daß er Menschen nach seinem Willen lenkt.
bild“ jede Sitte und jede Würde vergißt, kann uns glaublich nur er¬
wahre Künstler, so verkündet er, gibt sich nicht mit Phantasirgestalten
scheinen, wenn unsere Phantasie dieses „Trugbild“ mit jedem be¬
Mit
ab, sondern formt die Schicksale lebendiger Menschen.
zwingenden Zauber ausstattet. In der Wirklichkeit, wie sie die Bühne vor
dieser Philosophie tröstet er sich
über sein elend ver¬
uns hinstellt, kann diese Illussion im Zuschauer kaum erzeugt werden,
pfuschtes Dasein und sein nicht hinreichendes künstlerisches
und die Frivolität, die das Mädchen an den Tag legt, läßt uns dann
Können. Er schließt die Augen, wenn es ihm gar zu deutlich
die Handlungsweise Hugos unverständlich erscheinen. Das Krankhafte
wird, daß das Leben sich nicht nach seinem Willen lenken läßt; er
seines Zustandes rückt dadurch allzudentlich in den Vordergrund um
will nicht sehen, er will weiter an sein Puppenspielertum glauben.
uns für seine Gestalt noch menschliches Mitempfinden einzuflößen.
So geht er aus dem Hause seines Freundes Eduard, in dem festen
Glauben, daß er auch hier mit sonveräuer Macht die Drähte des
der
wirkt die Schlußszene,
Ganz unmöglich aber
Schicksals regiert hat, während in Wahrheit dessen Glück
Hugo seine Geliebte mit der von ihm als treue
nicht durch seine Hand, sondern gegen seine Absicht zu stande
Reliquie aufbewahrten Haarflechte seiner Gattin erwürgt, weil
gekommen ist.
wird weiter durchs Leben zigennern,
sie mit dieser ihren Spott zu treiben wagt. Ueberhaupt wirkt das
und weiter seiner Illusion lelen. Als Episodenfigur ist diese immerhin
Motiv der abgeschnittenen Haarflechte in dem Drama durchaus nicht
bekeits aus Pathologische streifende Gestalt wohl denkbar, als Mittel¬
in der vom Dichter gewollten Weise. Dieser Kult erscheint teils ab¬
punkt eines Einakters eignet sie sich so wenig, wie der Stoff zur dra¬
stoßend, teils lächerlich. Die Wahl derartiger krankhafter Exaltiert¬
matischen Form. Hätte nicht Herr Bassermann mit außerordent¬
heiten macht unseren Bühnen keine Ehre. Hoffentlich fängt man end¬
licher Kunst, unaufdringlich und doch mit schärfster Charakteristik, die
lich an sich zu besinnen und weist solche psychologischen Kunststücke
Gestalt verlörpert, so wäre das Stück wohl abgelehnt worden. So
konnte der Regisseur einen freundlichen Erfolg feststellen.
der Rolle des Hugo mit feiner nachspürender Kunst an und rettete
Rodenbachs „Trugbild“ dagegen wurde abgelehnt. Kaum das
durch seine Auffassung und Wiedergabe, was zu retten war. Fräul.
man zischte. Ein unglückseliger Einfall war es, diesen Stoff, den
Triesch traf den Ton der leichtfertigen Tänzerin vortrefflich. Die
Rodenbach selbst bereits vorher in einer Novelle bearbeitet hatte, in. Dekorationen zeugten von künstlerischem Geschmack, sowohl die
Interieurs wie das Straßeubild, das man durch einen feinen!
Schleier sah.
G. 2.
17.1. Der Puppenspieler
die Form des Dramas umzugießen. In der Novelle verwertet!
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Theater und Musik.
Rodenbach mit dichterischer Kunst das Motiv des stillen Brügge, das
G
I Deutsches Theater.
ganz in der Erinnerung an die tote Vergangenheit lebt und für die!
„Der Puppenspieler“ von Arthur Schnitzler. „Trug=] Gegenwart tot ist. In dieser Stadt der Erinnerungen lebt sein
Held Hugo ganz in der Erinnerung an die tote Gattin und aus
bild“, Schauspiel in 4 Alten von Georg Rodenbach. Deutsch von
der
feinfühligen Darstellung der Wechselwirkung zwischen!
S. Trebitsch. Erste Aufführung Sonnabend, 12. September.
Mensch und Stadt ergeben sich Wirkungen von einem zarten und
Die beiden Stücke sind sehr charakteristisch für die Sucht unserer
feinen Reize. Auf diesen Reiz muß der Dichter fast gänzlich ver¬
Dichter, die Bühne als Sprachrohr ihrer Empfindungen und Ge¬
zichten, sobald er von der Novelle zum Drama übergeht. Dazu
danken zu benutzen, gleichgültig ob die dramatische Form dem Stoffe gemäß ist
kommen andere Nachteile. Zunächst hat der Stoff nur wenig drama¬
oder nicht. Sowohl Schnitzler wie Rodenbach haben sich selbst dadurch
tische Keimkraft, die lyrischen Elemente aber kommen auf der Bühne
geschadet, daß sie dieser Mode folgten. Schnitzlers Charakterstudie
nur wenig zu ihrem Rechte. Vor allem aber ändert die Handlung
leidet infolgedessen an Unklarheit, Rodenhachs Schauspiel an #müden¬
selbst sofort ihren Charakter, wenn sie greifbar vor uns auf die
der Weitschweifigkeit. Auf die besonderen Anforderungen der Bühne
Bühne tritt. Das Grausige und Unheimlich=Anziehende der Novelle
nimmt keiner von beiden Rücksicht. Wir hören ein Langes und
wird im Drama abstoßend und lächerlich, und unsere Kritik,
Breites erzählen, aber vor unseren Augen entwickelt sich nichts. —
die in der Novelle eingeschläfert war, erwacht in gefährlicher Weise.
Schnitzlers Held nennt sich einen Puppenspieler;
wie
Dieser trauernde Witwer, der in seinem exaltierten Schmerze um die
dieser seine Puppen an Drähten agieren läßt, die
seine
tote Gattin sich von der wunderbaren Aehnlichkeit einer Unbekannten
Hand leitet, so glaubt er seine Lebensaufgabe darin
ge¬
so tief bezaubern läßt, daß er in seiner Leidenschaft zu jenem „Trug¬
Der
funden zu haben, daß er Menschen nach seinem Willen lenkt.
bild“ jede Sitte und jede Würde vergißt, kann uns glaublich nur er¬
wahre Künstler, so verkündet er, gibt sich nicht mit Phantasirgestalten
scheinen, wenn unsere Phantasie dieses „Trugbild“ mit jedem be¬
Mit
ab, sondern formt die Schicksale lebendiger Menschen.
zwingenden Zauber ausstattet. In der Wirklichkeit, wie sie die Bühne vor
dieser Philosophie tröstet er sich
über sein elend ver¬
uns hinstellt, kann diese Illussion im Zuschauer kaum erzeugt werden,
pfuschtes Dasein und sein nicht hinreichendes künstlerisches
und die Frivolität, die das Mädchen an den Tag legt, läßt uns dann
Können. Er schließt die Augen, wenn es ihm gar zu deutlich
die Handlungsweise Hugos unverständlich erscheinen. Das Krankhafte
wird, daß das Leben sich nicht nach seinem Willen lenken läßt; er
seines Zustandes rückt dadurch allzudentlich in den Vordergrund um
will nicht sehen, er will weiter an sein Puppenspielertum glauben.
uns für seine Gestalt noch menschliches Mitempfinden einzuflößen.
So geht er aus dem Hause seines Freundes Eduard, in dem festen
Glauben, daß er auch hier mit sonveräuer Macht die Drähte des
der
wirkt die Schlußszene,
Ganz unmöglich aber
Schicksals regiert hat, während in Wahrheit dessen Glück
Hugo seine Geliebte mit der von ihm als treue
nicht durch seine Hand, sondern gegen seine Absicht zu stande
Reliquie aufbewahrten Haarflechte seiner Gattin erwürgt, weil
gekommen ist.
wird weiter durchs Leben zigennern,
sie mit dieser ihren Spott zu treiben wagt. Ueberhaupt wirkt das
und weiter seiner Illusion lelen. Als Episodenfigur ist diese immerhin
Motiv der abgeschnittenen Haarflechte in dem Drama durchaus nicht
bekeits aus Pathologische streifende Gestalt wohl denkbar, als Mittel¬
in der vom Dichter gewollten Weise. Dieser Kult erscheint teils ab¬
punkt eines Einakters eignet sie sich so wenig, wie der Stoff zur dra¬
stoßend, teils lächerlich. Die Wahl derartiger krankhafter Exaltiert¬
matischen Form. Hätte nicht Herr Bassermann mit außerordent¬
heiten macht unseren Bühnen keine Ehre. Hoffentlich fängt man end¬
licher Kunst, unaufdringlich und doch mit schärfster Charakteristik, die
lich an sich zu besinnen und weist solche psychologischen Kunststücke
Gestalt verlörpert, so wäre das Stück wohl abgelehnt worden. So
konnte der Regisseur einen freundlichen Erfolg feststellen.
der Rolle des Hugo mit feiner nachspürender Kunst an und rettete
Rodenbachs „Trugbild“ dagegen wurde abgelehnt. Kaum das
durch seine Auffassung und Wiedergabe, was zu retten war. Fräul.
man zischte. Ein unglückseliger Einfall war es, diesen Stoff, den
Triesch traf den Ton der leichtfertigen Tänzerin vortrefflich. Die
Rodenbach selbst bereits vorher in einer Novelle bearbeitet hatte, in. Dekorationen zeugten von künstlerischem Geschmack, sowohl die
Interieurs wie das Straßeubild, das man durch einen feinen!
Schleier sah.
G. 2.